Als ich nachts erzählt habe, daß Windesraunen und die winzige Ewigkeit eines Kusses,
auch die heilenden Schwingungen, übertönt von Posaunen, plötzlich verstummten,
erzählte ich auch von einem unaufhaltsamen Rittergalopp im Gehör.
Apokalyptisches Drehbuch. In meinem unendlich geglaubten Bildraum blitzte die
Endlichkeit. Ich spürte die Jahre. Wo bisher mein Stück Erde war, fielen die ersten chaotischen Strahlen, die sich nicht trafen.
Noch gut zu erkennen, sinnverlorene Blätter eines Kalenders, flatternd wie Motten ums eingedrungene Licht: Ich schien so vieles versäumt zu haben, nichts Großes gewagt, großartiggescheitert.
Und dann kamst du, zogst meine Hand wieder hoch, zeigtest mir, wie ich meine
Nochwünsche wort- und ziffernlos ausleben kann: Sie einfach anbinden und mich daran festhalten. An Schlafkissen, Fenstern und Pfeilern,an jedem Teil meines Körpers,
ohne Scham, wie die Küste, von Wellen benagt und fast so vergänglich wie ich.
***
In deinen Schuhen voller Sand, Prosapoeme von Francisca Ricinski, Pop-Verlag 2019
Bei Francisca Ricinski sind die Grenzen zwischen Poesie und Prosa fließend. Ihre poèmes en prose weisen Merkmale eines Gedichts wie starke Verdichtung und Rhythmisierung der Sprache sowie lyrische Subjektivität auf, eine Selbstanleitung zur Introspektion. Diese Texte über Wurzellosigkeit sind eine Melange aus Erinnerung, Beschreibung und poetologischer Reflexion, in der sich das eine vom anderen nicht trennen läßt. Mit stilistischem Gespür mischt sie Genres, gleitet vom Heute ins Gestern und wieder zurück, es sind gleichsam Radierspuren, die das Vergessen freilegen.
Weiterführend →
Wir verliehen Francisca Ricinski in 2016 den KUNO-Prosa-Preis. Lesen Sie hier die Begründung.