Blindflug[1]

 

Er vergaß die riesige steinerne Esse vor dem Werktor, wie sie sich

 

streckte beängstigend, immer wenn die Maulwürfe mit ihren

 

behänden Schaufeln darunter wühlten, wie sie sich streckte,

 

(beängstigend, nicht?) die riesige Esse, immer flog sie vorüber.

 

 


[1] Für Wolfram Lotz. Um das Verfahren deutlich zu machen sei hier der Anfang seines

Ausgangstextes zitiert: „Ich erinnere mich an das kleine Häuschen“ Talmayr hat etwas Vergleichbares im Wasserzeichen der Poesie mit Rilkes erster Duineser Elegie getrieben. Freilich ist eine

Negation nur eine Negation, wenn man willkürlich an einem der möglichen grammatischen

Plätze negiert und an anderen diese Möglichkeit auslässt. Sein Verfahren erfordert also eine

Menge Weltwissen, es ist deswegen kein poetisches Erkenntnisinstrument. Bemüht man sich,

für jedes Glied ein Pendant zu geben (was je nach Text auch nur mehr oder minder konsequent

funktioniert) beruft man sich stärker auf das Wörterbuch. Hier trat der Fall ein, dass die poetische Aussage merklich erhalten blieb. Die Strukturalisten könnten mit der Annahme Recht

haben, dass diese in einer Spannung von Gegensatzpaaren beruhe, die ja in der Negativform

erhalten bleiben.

 

* * *

Sleutel voor de hoogduitsche Spraakkunst von Bertram Reinecke, herausgegeben von Ulf Stolterfoht, 83 Seiten, Broschur, Roughbooks, Leipzig, Berlin und Solothurn 2012.

 

Weiterführend Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.