Ein Zentrum neuer Lyrik

Wäre Lyrik ein amerikanischer Kriegsfilm, so wäre Das dreckige Dutzend ein krasser Titel für eine Anthologie. Seit Beginn dieser Reihe verwendet Axel Kutsch lediglich einen Namen. Und das ist gut so. KUNO bat den Herausgeber um ein Statement:

Auch diesmal sind wieder zahlreiche deutschsprachige Autorinnen und Autoren mit Beiträgen unterschiedlicher Schreibweisen und großer thematischer Vielfalt vernetzt worden. Schwierige Gedichte, mitunter am Rande des Verstehens, stehen neben leicht zugänglichen Texten, sperrige Poeme neben Sprachspielen, ernste neben humorvollen Inhalten. Diese Verschiedenartigkeit ohne arrogant anmutenden Anspruch auf die Hall of Fame, dieses Miteinander von pointierten Gedankenblitzen, raumgreifenden Gedichten, kritischen Klartexten und Verfremdungen, dieses nicht mit elitärer Hochnäsigkeit ausgebreitete Panorama unserer gegenwärtigen Lyrik sorgt offenbar dafür, dass die Versnetze „spannend zu lesen“ sind. Wahrscheinlich werden nicht alle Beiträge jeder Leserin, jedem Leser zusagen. So hat es bisher gelegentlich verärgerte Reaktionen auf den einen oder anderen Text gegeben. Das könnte auch bei der Vielfalt der zwölften Versnetze-Ausgabe, die wie ihre Vorgängerinnen nicht ohne Ecken und Kanten ist, der Fall sein. Aber wer es allen recht machen will, bedient sich am Ende nur der Schere im Kopf. Widerspruch und kritische Anmerkungen sind jedoch jederzeit willkommen, tragen sie doch zur Lebendigkeit in der Lyrikszene bei. 

Als Herausgeber lege ich Wert darauf, unterschiedliche Stile zu vernetzen und keine Fronten zwischen leicht verständlicher Realpoesie und verschlüsselter Lyrik zu errichten. Und auch unkonventionell „abgefahrene“ Texte, die vielleicht bei eher traditionell orientierten Leserinnen und Lesern wenig Anklang finden, haben in den Versnetzen ihren Platz. Ohnehin ist die deutschsprachige Lyrik der Gegenwart so reichhaltig an Schreibweisen, dass kaum eine größere einheitliche Richtung zu erkennen ist. Nicht zuletzt ihr quirliger Formenreichtum, der auch diese Anthologie – hoffentlich – zu einem spannenden Leseerlebnis macht, trägt zur Blüte unserer heutigen Dichtung bei.

Das inhaltliche Spektrum in Versnetze_zwölf reicht von A wie Affenliebe bis Z wie  Zátopek. Auffällig war diesmal, dass besonders viele Landschafts- und Tiergedichte eingereicht worden sind. Woran liegt‘s? An der zunehmenden Bedrohung von Natur und Tierwelt? Weitere Schwerpunkte bilden Texte über das Zusammen- bzw. Auseinanderleben der Geschlechter, (vor allem jüngere) Geschichte, gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Außerdem gehören Rückblicke in die eigene Kindheit, Kunst und Künstler sowie die Zeit zur reichhaltigen thematischen Palette dieser Sammlung.

 

 

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Versnetze_zwölf  – Deutschsprachige Lyrik der Gegenwart, Hg. Axel Kutsch, Verlag Ralf Liebe. Weilerswist, 368 Seiten, 25, – Euro.

Weiterführend Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.

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