Sie hausen auf airport toiletten
sie essen aus radkappen lehm
Sie faulen in faulenden städten
versauert sind ihre betten
die kinder dick von ödem
Den hungernden kürzt man das essen
So lernen sie langfristverzicht
Man wird’s zu sagen vergessen
Sie können’s an traljen* ermessen
doch schreiben das widerwort nicht
Sie sterben im sterbenden süden
und unter dem stählernen nord
ein material zum ermüden
verschuldet gehetzt von rüden
da lohnt sich nicht einmal der mord
Und weil sie den harten regen
den schlamm wie nichts überstehn
will man den krieg verlegen
will statt gegen armut gegen
die armen zum angriff gehen
Distel gedeiht auf den farmen
Die herren friert im gebein
Sobald sich einmal die armen
des kalten himmels erbarmen
wird das ein erdbeben sein
Und zittern werden die schlächter
Der hurrikan hat gezielt
Zum äußersten treibt es die pächter
Sie trauen nicht mal dem wächter
Sie haben ihr leben verspielt
***
Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2019
HEL ist bekannt als Herausgeber neuer Talente im „literarischen Underground“ und Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. In diesen Gedichten spürt HEL das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert bereits.
Weiterführend →
Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Ein faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Zur Lyrik von HEL findet sich hier ein Rezensionsessay von Holger Benkel. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.
Anmerkung:
tralje = „traille, glitter“