Proëmatischer Satz zur Poesie von ›heute‹

Dräng die Wörter zusammen, faß dich kurz.
Jesus Sirach ∙ AT ∙ 32,1–13

Wie geht anfangen, fragt Daniela Danz in V – – – und wer weiß, vielleicht geht anfangen ja, in etwa, so … : hier kommt die zukunft überrauscht jour­nal / lektüre und kakteen den warte­saal / mein ganzes arsenal feinster empfänger / auch ultrakurzer wellen kürzlich länger / gewordner schattenspiele, tönt’s, jedenfalls, aus Ju­dith Zanders ma­nual numerale, und ich male : manchmal : malzipempu – manch­mal : morgen­meer – manch­mal : musen­mund – manch­mal : mutminsch – manch­mal : mu­schelmör­telmauer – manch­mal : matrat­zenmitmaid – manch­mal : meine ich hier in der Sistiger Wolfskaul den Ohren kaum zu trauen, keiner kann behaupten, er versteh’s, schno­bert Robert Walser da­zwischen, hör ich doch, an ei­nem Montagabend, das Licht schwankt schon, hält Amir Shaheen fest, T. S. Eliotpräludiert the winter eve­ning settles down und grüne Tiere gab es zu dieser Jahres­zeit kaum, kommt prompt Ul­rike Draesners Echo, während des mit­ter­nächt­lichen Tatorts ( Ge­dichte / müssen wie ein Schuß / ins Auge sein, funkt Marcel Beyer in Graphit dazwischen ), den von Joa­chim Król ver­kör­perten Frank­furter Haupt­kom­missar Frank Steyer, auf ein­mal, mir nichts, dir nichts, hin- und her­sagen : Als Gre­gor Samsa eines Mor­gens aus unruhigen Träumen er­wachte, fand er sich in seinem Bett zu einem unge­heuren Ungezie­fer ver­wan­delt, hol mich der Geier, das war doch schon lange ausgeheckt in schutzloser Nacht, behauptet Jean Krier in Eingriff, sternklar, schlägt’s jetzt drei­zehn, und da : der Käfer auf dem Fenster­brett bei Thilo Krause, und weiße Ele­fanten flie­gen, denk ich kopfrüt­telnd, spüre Lars-Ar­vid Brischkes weites män­telchen / des schweigens das jetzt eng anliegt, sehstun­den­lang, der nächste Mor­gen, mutmaßt Jürg Halter, scheint / tausend Jahre fern, reibe die … Au­gen wäscht mir der Nebel … in Traian Pop Traians Gedicht … in a quiet way, wie J. M. Coet­zee, I was ra­ving mad …, das hat, Buch­stabe für Buch­stabe, ver­heißt Chri­stine Ko­schel nichts Gu­tes ( außer man tut es … ), das hat doch was mit … Lite­ra­tur zu tun, denk ich weiter, bin, mit ei­nemmal, atomuhr­plötz­lich, schnell­wach, ahne das frag­ment eines zim­mers, / aber das ist schon das zim­mer, be­mü­tigt Mar­tina We­ber, höre und sehe, zwei­fellos, Flann O’Briens fa­mos to­senden West­wind, the wind from the east is a deep pur­ple, from the south a fine shining silver / The north wind is a hard black and the west is amber, Ei­benä­ste gegen Schei­benre­ste peit­schen, jajaja, ruft Wer­ner Bliß, das sind ratter­schöne flat­ter­töne, eine Bö jagt die – – – an­dre, kein Stern / durch­dringt das Ge­wölbe, sieht Helga M. No­vak … und es glänzt die wilde Welt bei Frie­derike Mayrö­cker… und ich denk ein paar Stunden, nein : Tage, zu­rück, vertieft in V, manual numerale, Sieben Sprünge vom Rand der Welt, Dichterloh, Wir fürchten das Ende der Musik, Kasino­straße 3, Rose & Nachti­gallusw. … und Eins zwei drei! Im Sause­schritt / Läuft die Zeit; wir lau­fen mit, kalauert Wil­helm Busch, ich kalauere mit, denk an Klaus Anders’ Wach­telzeit : blühen­der Lauch, Mus­kateller­sal­beitime, the magician, raunt Tho­mas Hardy, und denk : in letz­ter Zeit – – – Zeit, die sich dehnt (Lydia Daher) – – – ›mang­mang‹ viel Ame­rikani­sches aus der er­sten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts verschlun­gen : E. E. Cum­mings’ The Enor­mous Room, Sinclair Lewis’ Main Street, Betty Smiths A Tree Grows in Brook­lyn, Booth Tarking­tons The Mag­nifi­cent Amber­sons, Rich­ard Wrights Native Son … undundund … Bü­cher, die mir, wie glü­hen­der Rauch, den Atem rauben, die Sprache verschlagen, ein Buch nach dem an­deren drängt, gele­sen zu wer­den, und ich würd am lieb­sten mit dem einen Auge dieses Buch, mit dem anderen Auge jenes Buch le­sen ( und mit dem drit­ten Auge ein weiteres … ) – uns schwanen wir ah­nen – all­überall – at­mende al­pental­am­selau­gen alte ak­kor­deon­spieler am angst­ab­hang … – aber … aber auch : Simpli­cius Simplicis­si­mus : Alle diese Worte erwog ich mit Fleiß und steti­gem Nach­denken, und bewogen mich dermaßen, daß ich die Welt verließ und wieder ein Einsie­del ward, und Zauber­berg wie­der­gele­sen, und wie­der, das liegt auf der fla­chen Hand,wie­der ver­schlägt’s mir, ›wie man so sagt‹, die Sprache … und, end­lich, end­lich, end­lich, Hei­mito von Do­derers Strudlhof­stiege ken­nen­liebengelernt : Als Mary K.s Gatte noch lebte und sie selbst noch auf zwei sehr schö­nen Bei­nen ging (das rechte hat ihr, unweit ihrer Wohnung, am 21. Septem­ber 1925 die Straßen­bahn über dem Knie abge­fah­ren), tauchte ein gewisser Doktor Negria auf, ein junger rumä­ni­scher Arzt, der hier zu Wien an der be­rühmten Fa­kul­tät sich fortbil­dete und im Allge­meinen Kranken­haus seine Jahre machte … – und noch mal, ja, noch mal, ver­schlägt’s mir, ver­schlägt’s mir die Sprache ( Weiter­leben mit auf den Kopf gestelltem Geist, empfiehlt Mikael Vogel in Morphine ) … what a book, what a book, what a book usw. … und – ich – denke : Wegen all dieser Bü­cher aus der Sphäre, die Mrs Co­lumbo gern mit der Bauch­binde ›Welt­lite­ratur‹ ver­sieht, lasse ich nun – es geht mir da wie Elke Erb : Das eintre­tende Alter erhei­tert mich / mit einer neuen Neu­gier und der Lust, / die Nase in Dinge zu stecken – die von mir in die­serje­ner Zeit gelese­nen ›druck­frischen‹ Lyrik­prosabü­cher, An­tholo­gien, Kalen­der, Ma­ga­zine nicht ›ein­fach so‹ unter den Bü­cher­tisch fallen, so vieles / das mir im ge­dächt­nis blieb … gurrende tauben im oster­kahlen / apfel­geäst euro­pas, finde ich in Lothar Quin­ken­steins gege­nort, nein, nein, habe da ja, naturge­mäß, auch wieder eine ganze Reihe prächti­ger poeti­scher ›Per­len‹ auf­ge­lesen, seh, bei Elke Erb ( vermutlich im märz notiert ), kein Reh, nein : Wenn der Hirsch aus dem Wald tritt – denk nicht, das ist nichts. / Oh, weißt du, das ist das Le­ben ( halte dagegen mit : warte nur – bald // wenn / wie eben / der wald / aus dem hirsch tritt / denkt kraus nicht / das sei nichts – / o nein / er weiß : / das / ist / leben ), an die ich an die­sem, kei­nes­wegs ›schö­nen blauen‹, Abend, als sich ein toter Mann, am Strand?, nein : im Tat­ort, Gregor Samsa nennt, wort­saufend denke, und nun natür­lich ( ! ) : neue neugier nicht ›nacht‹ nicht ›name‹ nicht ›natur‹ nicht : ›nichts‹, nein, as near a thing as we have to a king / Marianne Moore : magische ∙ mehr­hun­dert­seitige ∙ mo­numentale ∙ manu­skripte – durch eine Spalte in der Stallwand erblickte ich alles / Os­wald Eg­ger – : umu­mumwer­fend : Ich bin ihnen nur knapp ent­ronnen / Maruša Krese : eines der Wör­ter auf feurig­ster Wiese ausgepu­stet wie Kerze / FM : da­von näch­stens mehr / Marion Poschmann, und darum be­nenne ich, I’m now brilliantly hydrated / Kim Do­wer, unge­ach­tet ungeheu­rer ur­zeit, Ann Cotten ›gibt‹ mir die Wörter : Es ∙ ist ∙ das ∙ Zeitalter ∙ der ∙ Dissoziie­rung ∙ der ∙ Z/e/r/s/p/litter/u/n/g ∙ wo ∙ man ∙ zwar ∙ unter ∙ ihr ∙ leidet ∙ aber ∙ sein ∙ Heil ∙ nir­gends ∙ sucht ∙ als ∙ in ∙ ihr ∙ Ja? : un­scharfe un­ruh um un­weite ufer un­ter­würfige un­ken, ex­em­pla­risch, ›streng‹, würde, klar, gern ein paar mehr be­namsen aus die­sem oder aus je­nem tiefen Grunde, summ summ se­geln sil­ber­fisch­chen summ süß­salzberg summ substan­ziellen som­mer­spros­sen­garten … summ­klänge, beispiels­weise Ro­bert Mu­sils von Mahler ge­zeich­nete Graphic Novel Der Mann ohne Ei­gen­schaften oder Chri­stine Kap­pes so schönes Ge­dichtbuch Wie kann das sein : auch lag eine große Schlaflosig­keit im Flat­tern der Tauben ( von Manfred En­zenspergers einge­schneiten hun­den ganz zu schweigen … ), aber das kann und darf ja jetzt nicht sein, nein, flü­stert’s mali­ziös-süffi­sant aus Kraus’ Munde, Zähmung muß sein, willst doch auf einen Satz bloß dich be­schränken, je drei Ly­rik- und Pro­satitel, die ich in die­sen ver­suchs­weise for­mu­lierten Satz mon­tiere ( kein kummersieb könnte knar­zen | kat­zenkopf­kal­kül | kro­kus ∙ kranker ∙ kuc­kuck kuc­kuck / kind­konzeptge­danke ) : hier Odile Kennels wie heißt diese inter­planetare luft : man sollte öfters Ge­dichte / ohne Ende schreiben, hei­de­witzka, in die­sen Ge­dichten geht aber so was von der Rost ab, apro­pos Rost : Rost (Hendrik) blitzt Licht für an­dere Au­gen, Friede­rike Mayröckers Proëm­buch étu­des : einge­sponnen in Forste Fitti­che Fin­ger- / chen, Lud­wig Stein­herrs Flü­stergale­rie : schon schim­mert sie vor Ih­nen, dort Heinz Radema­chers Gastlwelt ∙ Hom­mage an eine ›alte‹ Buch­handlung ( Bensch könnte beim Lesen fort­wäh­rend wei­nen, ich denke an May­röc­kers das Flieszen der Trä­nen / Kaskade der Trä­nen ), Ro­bert Schindels Der Kalte : da beißt keine Maus einen Faden ab, Josef Wink­lers Mut­ter und der Bleistift : da flog das Wort aufDer Kalte, denk ich, und mich frö­stelt im­mer noch ( in der kü­che ist es kalt / ist jetzt strenger winter halt / mütter­chen steht nicht am herd / und mich fröstelt wie ein pferd, klingt Ernst Jandls Gedicht herüber ), als wär ich weiterhin mitten­drin in dieser ›ungeheu­erlichen‹ Gschicht, wär – bei aller Be­gei­strung für Das Unge­heuer und Die Sonnenpo­sition – mein Favo­rit fürs Buch­preis­ge­döns ( Ge­dichtbuch wird da ja rausgeschos­sen ) ge­we­sen : Aber – Der Kalte steht ja nicht mal auf der Lon­glist ( let alone the short­list ), Lon­glist … Wronglist … das Lied verliert sein Lied, singt Yoko Tawada … Shortlist … Mist­wort … Lite­rrra­turrr­be­trrrieb, die große Kunst von Licht und Schatten ( Eberhard Häfner ), die kartographierten gebiete der schatten ( David Frühauf ), wie lange leben wir schon in diesem zustand, fragt Peggy Neidel, man ›weiß‹ es nicht, man weiß es nicht … replay (raum­rest richten) : rie­sen robinien rau­schen ruck­weise rollen räder ∙ ret­tung : rachmani­now … Tag für Tag werden die Pflau­men blauer / Biene steh uns bei und Hum­mel, summelt Ruth Jo­hanna Benrath, und wespe wespe … alles jeck … meck meck … Mack geht um die Eck … und … Meister Check, der meint, man dürfe Lite­raturpreise nicht allzu ernst nehmen, während Peer Quer meint, und ich, jajaja, denke ich, i∙c∙h m∙e∙i∙n∙e d∙a∙s a∙u∙c∙h, daß ›man‹ das durch­aus ›darf‹, ich darf nicht bei Rot über die Am­pel fah­ren, ich darf nicht ge­gen das Co­pyright versto­ßen, das Co­pyright ist über­haupt eins der gro­ßen Pro­bleme dieser Zeit, hilflos stehe ich / vor der Ordnung der Welt ( Elisabeth Plessen ) : Nicht der ADAC, nicht der Ban­ker, nicht der Dollar, nicht der Euro, nicht der ›Fanatis­mus‹, nicht die Geldmeister­schaft, nicht der Hun­ger, nicht das Inter­net, nicht der Ja­sager, nicht die ka­pitale Kriegs­kakopho­nie, nicht die Lyrik­, nicht der Macho, nicht Mr Presi­dent, nicht die NSA, nicht der Oligarch, nicht der Politi­ker, nicht die Quarre, nicht der ›Radi­kalismus‹, nicht die Steuer, nicht der Tsu­nami, nicht der Urwald, nicht die Ver­klappung, nicht die Weltmeisterwirt­schaft, nicht die Xenopho­bie, nicht der Yankee, nicht der Zei­len­sprung : Neinnein, das Co­py­right ist die eine, die große Knacknuß dieser Zeit, heut Nacht platzt ganz bestimmt die Sonne, hofft Flo­rian Voß, unterwegs »n Flip-Flops nach Armageddon, und Ur­he­ber saufen Amok : Nie­mals ließ sich ermes­sen, wann sie das Spiel ernst nah­men oder als Spiel, krakauert Sieg­fried Kra­cauer, aber Lite­ratur­preise darf ich sehr, sehr ernst neh­men, wenn ich das will, yolo, und, wenn auch mei­stens nicht, will ich das eben doch dann und wann ( brüllt der Panther ), bei­spielsweise wäh­rend ich den Essay Poesie und Preise schreibe, in dem ich Ulf Stolterfoht sagen lasse : Ich freue mich sehr, wenn mich ein Preis ereilt, und ge­rade wirft mir ir­gend­wer George Bernard Shaws The gol­den rule is that there are no golden rules vor die Füße, und ich haue, knalle, pfef­fre, semmle, aus dem Hinter­grund müßte Rahn schießen, Rahn schießt, das Bon­mot, auch Fuß­ball ist Kopfsa­che, ge­danken­bloß ins Netz – ein Tref­fer wie aus dem Nichts, würde Fuß­ballre­porter jetzt mit Jandl brül­lül­lüllen, wo wa­ren wir, ach ja, bei Tennis Check, der sich so fröstköstlich, schmi­bissig, schwungtoll über eine un­glaubli­che Fehl­ent­schei­dung echauf­fie­ren kann, there is nothing either good or bad but thin­king makes it so, weint Ham­let … o tempora o mora … fru­stig fru­stig frala­lalala, Rin­der, Rin­der, seid ihr alle da … und ich mache, denk ich, wäh­rend der Mör­der ( töte!, töte! ), aberaber, nicht mehr lang : warte nur, balde / ruhest du auch ( wie Goethe : dieses dämonische, diabolische, dunkle Denken ), immer noch frei herum­läuft, und morgen früh, wenn Gott will ( will er denn wollen??? ), mach ich, ohne Mist, meine kleine Lese­list, keine Short-, keine Long-, ein­fach eine mit Ro­sen be­dachte, na­turge­mäß kopfge­bürtige, Lese­list, und jetzt schwei­gen dür­fen, schreibe ich, nachtücklich, ganz ( g∙a∙n∙z ) am Ende im B∙U∙C∙H∙S∙T∙A∙B∙E∙E∙T ∙ Gedichte im deutschen Sprach­raum ∙ Ein listenrei­cher Glückblick, und, in der Tat ( raunt Günter Netzer aus der Tiefe des Traumes ), ver­gehen nahezu neun volle Mo­nate ohne auch bloß ein einziges ge­schriebenes Wort, wenn ich ein, zwei Tage nicht schreiben kann, bin ich ver­zweifelt und fürchte, es ist aus ( FM ), I thought, driving through Rich­mond last night, some­thing very profound about the syn­thesis of my being : how only writing composes it : how nothing makes a whole unless I am writing; now I have for­gotten what seemed to be so profound, schreibt Virginia Woolf, be­rausch­endbe­see­lende Lese­lust­zeit, licht weht in den schilf­fellköpfen, les ich in An­dreas Alt­manns Gedicht, und in den Ohren klingen, wei­ter, Reiter, weiter, heiter, Jan Wag­ners Wörter, Verse, gefüllt / mit tiefs­ter bläue, Jan Fi­schers Zeilen, am schlimm­sten waren die Pflan­zen im Herbst, die andere oder die, von Rolf Dieter Brink­mann ge­schriebene, Eine Geschichte // Der Himmel ist ganz blau / auf der Schall­platten­hülle / und / wer immer das hier liest, / er liest, / der Him­mel ist ganz blau. / Aber das ist / noch nicht alles. / Eine kleine weiße Wolke / fliegt am Rand des Blaus / dahin – klarhaftig, kusagauma, kein gob­bledy­gook, nein, könnte eine Er­findung sein : mit Sylvia Geist im Gor­dischen Paradies …, und itzt ir­gend­ein impe­rativinter­mezzo → ich im­mer ihr imma­nuel ich instal­liert in irrer pri­vatpara­phrase ( prälu­dium? … platzpro­gramm? ) : plas­tik­py­ja­mahö­schen ∙ plitsch­platschnächte ↔ plötzlich po­ren pa­pier­patro­nen, himm­lischherrli­che Gar­ten­stein­zeit : bäume haben sich ihre schat­ten he­rausgerissen, / bren­nen im wurzelfeuer, steht, schwarz auf weiß, in Andreas Alt­manns Die lichten Lie­der der Bäume liegen im Gras und scheinen nur so, aber : Kann man die Zeit erzäh­len, diese selbst, als solche, an und für sich? Wahrhaf­tig, nein, das wäre ein närrisches Unterfan­gen!, steht im Zau­ber­berg geschrieben und dann ( und … wann – ? ), denk ich weiter, wende ich mich, wieder ­mal, die Mauer­segler / verwirren schon den Him­mel ( Bianca Dö­ring ), ver­stärkt den herbst­zeitlo­sen Ge­dich­ten von Walter Helmut Fritz zu, de­nen ich diesmal auf den animali­schen Tief­grund ( Tiergrund ) gehe, volle Fauna­dröh­nung höre (apropos ›hören‹ : Bruckners fünfte Sinfonie ruft aus der Tiefe zu mir, und ich erhöre ihr Flehn, wie jeden Tag für Tag, am Morgen, am Mittag, am Abend, bin jedesjedes Mal aufs Neue : e∙r∙g∙r∙i∙f∙f∙e∙n ) und sehe : Aal ∙ Affe ∙ Amsel ∙ Anti­lope ∙ Biene ∙ Bitter­ling ∙ Bor­ken­käfer ∙ Büffel ∙ Cha­mäleon ∙ Chimä­re ∙ Dachs ∙ Dis­telfalter ∙ Dohle ∙ Eichhorn ∙ Eid­echse ∙ Eis­bär ∙ Ele­fant ∙ Els­ter ∙ Ente ∙ Esel ∙ Fasan ∙ Fliege ∙ Floh ∙ Frosch ∙ Geier ∙ Girr­vogel ∙ Glücksvo­gel ∙ Grille ∙ Hase ∙ Hau­ben­tau­cher ∙ Hengst ∙ Huhn ∙ Hummel«∙ Hund ∙ Igel ∙ In­sekt ∙ Kä­fer ∙ Kamel ∙ Katze ∙ Krähe ∙ Krebs ∙ Kro­kodil ∙ Ler­che ∙ Li­belle ∙ Lun­gen­fisch ∙ Maul­tier ∙ Möwe ∙ Mur­mel­tier ∙ Muschel ∙ Nachtfalter ∙ Natter ∙ Ochse ∙ Papagei ∙ Pa­vian ∙ Pechvo­gel ∙ Pferd ∙ Phönix ∙ Pleite­geier ∙ Pur­pur­schne­cke ∙ Qualle ∙ Räder­tier ∙ Ratte ∙ Raub­tier ∙ Raubvogel ∙ Regen­pfeifer ∙ Sala­man­der ∙ Schaf ∙ Schild­kröte ∙ Schlange ∙ Schmetter­ling ∙ Schnecke ∙ Schwalbe ( Heute noch denken wir : Schwalbe, / und schon be­ginnt sie zu flie­gen ) ∙ Schwan ∙ See­schwalbe ∙ See­stern ∙ Skara­bäus ∙ Skor­pion ∙ Spaßvo­gel ∙ Spatz /Sperling ∙ Spinne ∙ Star ∙ Ste­ckenpferd ∙ Stein­krebs ∙ Storch ∙ Taube ∙ Traumtier ( beo­bachtet das lang­same Ver­gehen der Steine ) ∙ Un­glücks­rabe ∙ Vogel­schwarm ∙ Wal ∙ Was­seramsel ∙ Wasservogel ∙ Wespe ∙ Zeitvo­gel ∙ Ziege, be­vor ich, ganz hinab, in Friede­rike Mayröckers Pro­ëm­buch études ver­sinke : hat sich das Bäum­chen wieder belebt, auf dem Früh­stücks­tisch / in der Küche hat das Mimosen­bäumchen sich neu belebt zaghaft 1 / neuer Trieb wie Händ­chen mir entge­gen haben meine Tränen seine / Blätter neu belebt grüne Zierde in meinen Au­gen haben seine / Wur­zeln sich neu er­frischt usw., wäh­rend drauszen der Sturm / wäh­rend mein Herz sich bäumt wie die Büsche am Hang, »étude« / die Übung, der Na­tur wäh­rend die Locken des Lieb­sten mein Ge­sicht / ver­hüllen dasz ich nicht sehen soll seine Lieb­lich­keit wäh­rend / die Kuc­kucke in meiner Brust : während ich lebe in Kontrasten / 20.7.11, dem ich den Essay Fetz­chen ∙ It’s May­röcker Time ∙ Wör­ter, die Lektüre von Frie­derike May­röckers Proëm­buch »études« um­krei­selnd verdanke, der mich, denk ich, über Wo­chenwo­chenwo­chen, so herrlich ›in Atem hält‹ : Who can ever say the perfect thing to the poet about his poe­try? And not too much or not too little, just enough, frag ich mich, die ganze Zeit, mit Alice Munro, und die Tage schau­kelten und bil­deten Wo­chen, trö­stet Ro­bert Mu­sil im Mann ohne Eigen­schaften, um mich, ›eines Tages‹ in diesem schon so befrag­ten benagten betagten ›neuen‹ Jahr­hun­dert, auch ein­gedenk Ho­raz’ Ut pictura poesis, Hugo von Hofmannsthals Sprache ist überhaupt nur Bild und Tho­mas Klings Ma­lerei und Schrift fallen partiell zu­sammen, mehr und mehr dem ›Gemäl­de­gedicht‹, dem Paral­leltext zur bil­den­den Kunst, wie May­röcker es bezeichnet, zuzu­wenden : Du kannst sie weiterer­zählen, / diese Topogra­phie, nur weißt du nicht, was / die we­nigen Leute am Ufer jetzt sagen, schreibt Jür­gen Becker zur An­sicht von Delft, nach­dem ich Ga­briele Frings’ vor­treff­liche Mo­nographie Gior­giones Länd­liches Kon­zert ∙ Dar­stel­lung der Musik als künstleri­sches Pro­gramm in der vene­zia­nischen Male­rei der Re­naissance gelesen habe und sich aus der Lek­türe ein um Kunst und Lyrik ran­ken­des Zwiege­spräch mit der in Bonn am Rhein lebenden Auto­rin entspinnt, alles spült Die große Woge hoch als wär’s ein bild / das jeder so gut kennt, wähnt Judith Zan­der, während ich den tadel­los trüben ter­ras­sen­/t/r/e/p/­p/e/n/­traum denke : tränend text – täub­chen­turm ∙ tin­gel­tangel ∙ talg­licht ∙ trü­geri­sche to­des­trauer tip­pen, wan­dering into language is always a trespass / J. M. Coetzee, das, unverhofft, zu neuen Ge­dichten führt, und während einer be­dächtli­chen Zeit wird zeit­genössi­sche k∙u∙n∙s∙t­∙v∙o∙l∙l∙e Lyrik­ gesich­tet, gesucht, gesam­melt, chro­nisch auf ZuFall lau­ernd, ab­sichtslos, die Tage schau­keln, Albrecht Fabri malt Verse : Stern­bil­der der Spra­che, die Tage gau­keln, so ver­meide ich sichtbarkeiten … das ist die lage, be­kennt Lara Rüter, wir lesen, und fräsens mit Nor­bert Lange aus den Au­gen­höh­len, be­trachten mit Hans Bender Frago­nards Badende lang und lüstern, stellen ein­an­der, mit Marcus Roloff versunken am wangen­tisch / im toten win­kel des gol­denen schnitts, wort­dau­ernd, kunst­um­krei­selnde Ge­dichte vor ( von denen es auch in Scher­ben saufen ein gutes Dutzend gibt … ), und, sieh da, sieh da, Ti­mo­theus, auch in Kasino­straße 3 wird man fün­dig ( wie in so vielen, vielen, vielen Ge­dichtbüchern von … ›heute‹ ), Ann-Ka­thrin Ast, bei­spielsweise, schreibt zu Ed­vard Munchs Sommer­nacht am Oslofjord : der mund ist eine insel … und ›neulich‹, wie erfreulich, bläst Westwind aus vollen Backen ( FM ), bin ich, wieder einmal, tagelang mit Ge­dichten von Axel Kutsch, die Türen auf, die Fens­ter / und Fahnen rausge- / hängt, daß sie / klirren im Wind, und Hans Bender be­faßt, und Bender be­schreibt, was er in den Incidents von Roland Barthes vorgefunden : Ruhig sitzen, nichts tun / Der Frühling kommt, / und das Gras wächst / wie von selbst ( wonach ich seit Jahren so sehr mich sehne ), und ich stürz mich, Blinder Übergang denkend, auf Gisela Hemaus Gedichte, die mir, auf einer geheim­nisvoll melancholi­schen Straße, In München, die Be­gegnung mit de Chi­rico besche­ren ( siehe auch hier in Scherben saufen auf Seite 37 : ein ungeschehner augenblick ) : end­lich ein­fa­che episode ( effizienzex­kurs ) : erd­endlager er­öff­net – elende e-mis­sion ∙ ermüdet – – – er­lebnis­scheuer … ente­rich, Ge­dichte, die ich, klar, hin­ter ge­schlosse­nen Lidern lesen möchte, statt­des­sen reiße ich Au­gen weltweit auf und finde gleich zu Beginn das Gedicht, das, ›wie ge­malt‹ ( womit man zum guten Schluß kommt, sich, gleich­sam, auf den palm­strömli­nienfö­mig – folg­lich westöst­lich – ausgerich­teten Diwan im gabinetto lirico zurück­zieht … jetzt noch ein wenig,wie es bei Uwe Hübner heißt, in seinem Lieb­lings­buch liest ), ›irgend­wie‹ und ›gut‹ zum mäan­d­risch gezeichneten Themen­kreis paßt : Am siebten Tag würde er ruhen // Er malt Fenster / endlose Reihen von Fenstern / Hinter die einzelnen Fens­ter / stellt er Männer / Kinder Frauen / Sie schauen hinaus / Draußen ist nichts sagt er / Und malt

 

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Scherben saufen. Gedichte von Theo Breuer. Lyrikreihe Bd. 129. Pop-Verlag

Rund 70 Gedichte aus den Jahren 2013 bis 2019 werden in Theo Breuers neuem Gedichtbuch Scherben saufen versammelt. Schon der Titel verrät die paragrammatisch-parodistische Ausrichtung des Lyrikbands mit den vielen »kleinen Verschiebungen«, in dem der Himmel voller Schweigen hängt und sich im Witzkrieg am Ende alle kaputtlachen. In (un-)gereimten, heiter bis molkig wetternden Rollengedichten werfen Bensch, Kraus, Peer Quer und Mrs Columbo derart ungestüm die Buchstaben um, als wären sie beim Kegeln in der Kneipe. Ob schnurzgepieptes Ein- oder Zweiwortgedicht, salopper Vierzeiler, sprachspielerisch montiertes Sonett oder sturzbächliches, bisweilen über mehrere Seiten dahinrauschendes Poem: Stets geht es dem Autor s∙u∙c∙h∙s∙t∙ä∙b∙l∙i∙c∙h um Silbe und Wort, Stimme und Sprache, um Klang, um Schwingung, um Sound. In Scherben saufen findet der Leser Gedichte von wildschöner, quirliger Lebendigkeit – mit atmenden, brausenden, brodelnden, hechelnden, perlenden, sprudelnden, schäumenden Versen.

 

 

Weiterführend Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.