Schreiben ist Sinnstiftung

Wir stellen auf KUNO hin und wieder Literaturzeitschriften vor, zuletzt die Matrix. Auf diesem Weg gilt es einen weiteren Irrtum auszuräumen, es herrscht die Annahme, das Netzwerk sei erst mit dem Internet erfunden worden, es gab jedoch eine Zusammenarbeit von Individuen bereits auf analoger Ebene. KUNO konsultiert den Wert des Analogen und dokumentierte den Grenzverkehr im Dreiländereck. Gern präsentieren wir in diesem Beitrag daher die WORTSCHAU, weil sie überzeugend zwischen off und online operiert. Seit 2007 schauen die Redakteure dem Wort auf’s Maul und sondieren Tendenzen und Sentenzen, und es steht bereits die 35. Ausgabe an. Wir erkennen unter der Lektüre, Lyrik als eine Gattung, die zwischen den Zeilen Zeit und Raum gibt, weil diese Leerstellen dann ihrerseits vom Leser Raum und Zeit einfordern. Gedichte dehnen sich aus, wenn man sie liest. Das Abtragen der Schichten, Auffächern der Bedeutungsstränge, der Rhythmen und Klänge, der Brüche und Widersprüche, die es, diese Königsdisziplin, in sich trägt. Bei dem multimedialen Ansatz der Wortschau entstehen neue Textformen, mit denen die Gesellschaft sich von sich selbst erzählt: Soziale Poetik, Sound–Poetik und Social Reading.

Besonders angetan ist KUNO von der Sondernummer mit dem verrätselten Titel „Schreiben ist eine Art von Luftwiderstand“. Es ist ein Deutsch-Amerikanischer Briefwechsel zwischen Johanna Hansen und David Gates. Im Frühjahr 2014 lernten sich der amerikanische Autor David Oates aus Portland/Oregon und Johanna Hansen (Malerin, Autorin und Herausgeberin der Literaturzeitschrift WORTSCHAU) während eines Aufenthaltes in der Cité des Arts, Paris, kennen. Sie beschlossen, sich Briefe zu schreiben, die in der WORTSCHAU veröffentlicht wurden. Vier Jahre dauerte der Briefwechsel, der 2019 als Sonderausgabe erschienen ist. In diesem Briefwechsel findet sich eine ausgeprägte Ungezwungenheit des Nachdenkens die KUNO an das Projekt  Kollegengespräche erinnert.

Bei den Kollegengesprächen geht es nicht um die ausgelutschte Frage: „Warum Schreiben Sie?“, sondern um die Frage: „Wie Schreiben Sie?“ Sie wird in fast jedem Gespräch, das in dieser Reihe geführt wird, beantwortet.

Zwischen 1995 und 1999 hat A.J. Weigoni im Rahmen seiner Arbeit für den VS Kollegengespräche mit Schriftstellers aus Belgien, Deutschland, Rumänien, Österreich und der Schweiz. Sie arbeiteten am gleichen „Produkt“, an der deutschen Sprache. Die Publikation ist zum 30. Jahrestag des VS erschienen. Eines der wichtigsten Medien, die Aufschluss über Intentionen, Erfahrungen und Einstellungen von Autorinnen und Autoren gibt, ist heute beinahe völlig verschwunden. An die Stelle der Briefpost ist weitgehend die elektronische Mail getreten. Der Briefwechsel aus der Reihe Kollegengespräche demonstriert die kommunikative Bedeutung einer untergegangenen Kulturtechnik. Analog dazu ist die Sondernummer „Schreiben ist eine Art von Luftwiderstand“ eine lesenswerte Parallelerzählung zu Biografie und literarischem Œuvre.

 

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Lesen Sie auch hier die aktuelle Ausschreibung der WORTSCHAU. – Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.