Ich lag fast flach im Waschstuhl mit wachsender Erwartung. Die Polin griff in mein Haar und kraulte es durch. „Sie waren doch erst vor drei Wochen bei mir“, sagte sie. „Da sehen Sie“, hauchte ich durch die Corona-Maske, „was Sie mit mir angerichtet haben.“ – „Mon Dieu“, sagte sie, „war ich so schlecht?“ – „Nein nein, im Gegenteil.“ – „Sie scheinen mir ja ein Meister der Ironie zu sein, gut, ich schere Ihnen Ihr Denkerhaupt gleich mal fast kahl.“
Auf dem Frisierstuhl schaute ich ihr in die aufregend bewimperten Augen und fragte sie: „Was lesen Sie so?“ „Kommt darauf an. Und Sie?“ „Ich lese gerade die Venus im Pelz …“ „Was? Sie lesen Porno?“, unterbrach sie mich. „Haben Sie’s auch gelesen?“ „Nö“, sagte sie, „nur den Film von Polanski.“ „Und?“ „Geht so.“
„Sie müssen das Buch lesen!“, sagte ich, „die Sprache macht mit Ihnen, was sie will.“ „Umgekehrt ist es mir lieber“, sagte sie. „Dann lesen Sie doch mal was von Elfriede Jelinek“, schlug ich vor. „Nein, ich lese lieber die Geschichten von Ferdinand von Schirach. Jelineks ludistische Beliebigkeit ist mir etwas zu prätentiös. Schirachs zerebrale Magie gibt mir mehr.“
Irgendwie ging es auch heute wieder schief. Tant pis – Übung macht den Meister, sage ich mir, und damit meine ich mich.
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Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.