Vernetzt • Revisited

Werden posthumane Existenzformen organisch oder elektronisch sein?

fragte KUNO, als Vernetzt am 12. Oktober 1995 in den Kinos startete. Die Wachowski*s (damals waren sie noch Brüder) haben wahrscheinlich im Publikum gesessen. Vier Jahre später startete ein Film namens Matrix. Ulrich Bergmann belegt auf KUNO, das diese beiden Filme mehr, als den Hauptdarsteller gemeinsam haben.

Seit 25 Jahren Jahrhundert hat sich unter dem Gattungsbegriff Cyberpunk eine dystopische Richtung der Science-Fiction-Literatur und Pop-Kultur ausgebildet. KUNO sieht in diesem Szenario Einflüsse der Kapitalismuskritik: Big Date hat die Macht übernommen, Regierungen gibt es keine mehr oder sie spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Für „Ordnung“ sorgen private, paramilitärische Sicherheitsdienste. Der biologische Aufbau des Menschen wird zunehmend mit der Funktionsweise des Computers verbunden (Hirn=Speicher, Prozessor). Das Medium des Computers und des Internets wird zu einer Parallelwelt, in der sich das Individuum selbst (re-)konstruiert. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen mit einer Technologie, die von Neal Stephenson Metaverse genannt wird.

Der moderne Flaneur sitzt vor dem Bildschirm. Ihn schlägt nicht weniger als die Welt in ihren Bann. Bilder und Wörter halten ihn gefangen… Wie Goethes dichterisches Ich schlendert der Flaneur im Internet ’so für sich hin‘ und lässt die Gedanken, die an diesem oder jenem Gegenstand hängenbleiben, schweifen; vor ihm eröffnet sich eine Flut an Verknüpfungen, die in Wellen wieder über ihm zusammenschlagen.

Alain Claude Sulzer

Covermontage: Jesko Hagen

Mit den Novellen Cyberspasz, a real virtuality setzte A.J. Weigoni die im Band Zombies begonnenen Erforschungen der Trivialmythen fort. Definierte dieser Romancier mit den Vignetten die Literaturgattung Novelle neu und analysierte zugleich den Somnambulismus der Welt, so oszillieren seine Novellen zwischen dem mokanten Blick einer zuweilen herzlich boshaften Zeitgenossenschaft und der Ekstase einer ins Innere der Erscheinungen zielenden Sehnsucht, zwischen den Wonnen der Gewöhnlichkeit und ihrer argwöhnischen Begutachtung. Weigoni stellte existenzielle Fragen nach dem Wesen der Wirklichkeit. Cyberspasz spiegelt die entfesselten Welten des Digitalzeitalters. Der ´virtual reality` zieht Weigoni in diesen Novellen die reale Virtualität der Poesie vor und plädiert für die Veränderbarkeit der Welt.

Seit 2017 gibt es Vernetzt auf Blu-ray als 2-Disc Mediabook. Neben der ungekürzten Originalfassung mit Dolby Atmos-Sound (Deutsch und Englisch), ist auch die japanische Langfassung in Standard Definition auf Disc 1 enthalten, welche die Rolle Kitano Takeshi besser herausstellt.

 

 

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Vernetzt – Johnny Mnemonic, von Robert Longo, 1995

Weiterführend  

Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Daher sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten eindrücklich empfohlen. Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp.