Zu meinen Aufgaben gehörte es auch, die eintreffenden Rezensionsexemplare auszupacken – Aberhunderte von Büchern, von denen man wusste, dass nur ein kleiner Teil wahrgenommen werden kann. Da wird man zu einer Art Bartleby der Bücher.
Angela Schader
In Zeiten der Pandemie scheint Kulturkritik eine verzichtbare Größe zu sein. Angela Schader, Literaturredakteurin der NZZ tritt frühzeitig ihre Pensionierung an, berichtet Nina Fargahi kurzlich im Medienmagazin edito.ch. Sie hat mit Schader gesprochen, die auch über die Entwicklungen in der Literaturkriitk und bei den Zeitungen nachdenkt. Besondere Sorgen macht sie sich über die Lage der freien Journalisten: „Ohne Mitarbeitende mit Sachwissen in spezifischen Gebieten wäre es nicht möglich gewesen, große Zuständigkeitsgebiete angemessen abzudecken. ‚Leider wird der Boden für Freie immer karger, die Honorare schrumpfen und Corona war nochmals ein massiver Einschnitt.‘ Ohne Freie verliere die Kulturberichterstattung an Breite und Tiefe; infolge der Sparmaßnahmen auf den Redaktionen schwinde zudem der Raum, um Bücher aus kleineren Verlagen oder von weniger bekannten Autoren vorzustellen.“ Die Stelle von Angela Schader wird nicht neu besetzt.
Du hast keine Chance, dennoch nutze sie.
Herbert Achternbusch
Eine US-Studie befeuert in diesem Jahr die Debatte, ob vor allem im Internet Buchempfehlungen die „wirkliche Kritik“ weitgehend abgelöst haben. Die Literaturkritikerin Sigrid Löffler unkte unlängst im Deutschlandfunk: „Meine langjährige Wahrnehmung ist eine ganz andere.“ In der deutschsprachigen Literaturkritik habe sich jedoch in den vergangenen 30, 40 Jahren sehr viel verändert: „Der Großkritiker, der sich als Scharfrichter der Literatur gebärdet, der hat seinen Autoritätsstatus und seine Instanzhaftigkeit endgültig verloren.“ Er sei „eine Figur des vergangenen Jahrhunderts, genauso wie seine Klientel, das klassische Bildungsbürgertum“. Der professionelle Kritiker habe „unerwünschte Konkurrenz“ bekommen: „nämlich dieses elektronische Stammtischgeschnatter“. Jeder Buchkäufer dürfe sich heute quasi automatisch als Kritiker betrachten, bemängelt Löffler. Im Internet gebe es Hobbykritiker und Blogger, die meisten von ihnen seien Amateure. „Die twittern vor sich hin mit subjektiven Geschmacksurteilen.“ Es gebe „willkürliche Begeisterungsanfälle, die meistens nicht begründet sind“, so Löffler. „Da wird unter dem Deckmantel einer angeblichen Demokratisierung die Literaturkritik in Wahrheit entprofessionalisiert“, wetterte die Kritikerin. Ein Grund für KUNO ausführlich über die Figur den Bloggers und seine Vorläufer nachzudenken.
Zurück zu den Quellen
Laut Internet-Bibel Wikipedia ist ein Blogger die Bezeichnung für: den Verfasser von Beiträgen in einem Blog (Weblog). Das Blog oder auch Web-Log, eine Wortkreuzung aus dem englischen World Wide Web und Log (für ›Logbuch‹), ist ein auf einer Website geführtes und damit – meist öffentlich – einsehbares Tagebuch oder Journal, in dem mindestens eine Person, der Web-Logger, kurz Blogger, Aufzeichnungen führt, Sachverhalte protokolliert oder Gedanken niederschreibt. Einer von ihnen ist Bruder Lustig (aka Klaus Krüger), der jeden Tag Buchtipps in weltweite Netz stellt. Im Gegensatz zu vielen anderen Bloggern ist Krüger Mitglied im DJV, den weitaus meisten seiner Beiträge merkt man diesen journalistischen Huntergrund an.
Tim Berners-Lee
Am 13. November 1990 ging die Webseite des Softwareentwicklers Tim Berners-Lee online, die bis heute als offiziell erster Blog gilt. Berners-Lee nutzte diesen zum Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern vom europäischen Kernforschungszentrum bei Genf, wo er zu der Zeit arbeitete. Mitte der 1990er Jahre folgte eine Reihe anderer Blogs. Sie wurden z. B. Online-Tagebücher genannt und waren Webseiten, auf denen Internetnutzer periodisch Einträge über ihr Leben machten. Frühe deutschsprachige Weblogs waren etwa netzine.de (1. Ausgabe am 3. Januar 1996 im Netz) von Walter Laufenberg, Robert Brauns Weblog, Moving Target und das von Christiane Schulzki-Haddouti gegründete „Cybertagebuch“, das sich an Kinder und Jugendliche richtete und später von der Aktion Sorgenkind übernommen wurde. Über das CL-Netz wurde das Zagreb Diary des niederländischen Journalisten Wam Kat verbreitet.
Der Pionier
Von den deutschsprachigen Autoren hat es Peter Glaser frühzeitig zum Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs (CCC) gebracht, er war als Co-Redakteur der CCC-Zeitschrift Die Datenschleuder tätig. Bekannt wurde er durch seine Kolumne Glasers heile Welt, die von 1986 bis 1996 in der Zeitschrift Tempo erschien. Danach arbeitete er als Redakteur für die Illustrierte Konr@d sowie als Kolumnist für Die Woche. Seit März 2006 publiziert Peter Glaser regelmäßig im Blog der Online-Ausgabe der deutschen Technology Review. Auch der Stuttgarter Zeitung ist Glaser seit langem verbunden. Seit 2000 erscheint dort alle zwei Wochen Peter Glasers Netzkolumne, seit Juli 2008 führt er das Blog Glaserei. Sowohl die Kolumnen als auch das Blog beschreiben Bemerkenswertes, Phänomene und Kuriosa aus der digitalen Welt. Auch hier freute sich KUNO darüber, einen analogen Beitrag recherchierbar gemacht zu haben.
Der Wunsch, Beachtung zu finden
Häufig ist ein Blog endlos, daß heißt eine lange, abwärts chronologisch sortierte Liste von Einträgen, die in bestimmten Abständen umbrochen wird. Der Blogger steht, anders als etwa bei Netzzeitungen, als wesentlicher Autor über dem Inhalt, und häufig sind die Beiträge aus der Ich-Perspektive geschrieben. Die Schweizerin Ester Grünig nutzt ihren Blog wie die meisten für Werbung in eigener Sache.
Aus dem Hinterland
Das Blog bildet ein für Autor und Leser einfach zu handhabendes Medium zur Darstellung von Aspekten des eigenen Lebens und von Meinungen zu spezifischen Themen. Auch The Breuer hat über seine Edition YE einen Blog ins Netz gestellt, der einen lesenswerten Überblick auf Lyrik aus dem Hinterland gibt. Theo Breuer ist ein Literaturbesessener im besten Sinne des Wortes. Er ähnelt darin seinem alten Weggefährten Axel Kutsch (eine Würdigung des Herausgebers und Lyrikers im Kreise von Autoren aus Metropole und Hinterland findet sich hier.) Er ist nicht nur begeisterter Liebhaber literarischen Schaffens, sondern vor allem kenntnisreicher Vermittler und einfühlsamer Leser mit der Fähigkeit, Bücher entsprechend vorzustellen. Der zugezogene Eifeler ähnelt in seiner Zurückgezogenheit einem Franzosen, unlängst fragten wir uns auf KUNO, ob Michel de Montaigne, ein Blogger aus dem 16. Jahrhundert ist.
Rhizom
Meist sind aber auch Kommentare oder Diskussionen der Leser über einen Artikel zulässig. Auch der Kollege Thomas Stiegler arbeitet an einem Projekt zur europäischen Kultur und Bildung. Dabei baut er seinen Blog Der Leiermann zu einer Online Plattform zur europäischen Kulturgeschichte aus. Damit kann das Medium sowohl dem Ablegen von Notizen in einem Zettelkasten, dem Austausch von Informationen, Gedanken und Erfahrungen als auch der Kommunikation dienen. Insofern kann es einem Internetforum ähneln, je nach Inhalt aber auch einer Internet-Zeitung, wie sie z.b. die Kulturnotizen oder fixpoetry darstellen. Lesen Sie aus dem KUNO-Archiv den ersten Teil der für Kulturnotizen in Bild und Wort leicht erweiterten Essay-Trilogie Poesie und Preise · Und eine Reise zum FIXPOETRY. Bedauerlicherweise wird dieses Mag mangels Finanzierung zum Ende diesen Jahres eingestellt, bleibt aber als Archiv vorerst erhalten. Gerrit Wustmann schrieb auf 54books.de einen Nachruf auf das Online-Lyrikmagazin Fixpoetry, das nach 13 Jahren trotz ansehnlichem Reichweitenerfolg mangels Finanzierung die Segel streicht – zu gering waren die Erlöse aus Steady-Spenden und Verlagsanzeigen. Schuld an diesem Verlust ist nach Wustmanns Ansicht aber nicht nur die mangelnde Unterstützung der Leser, die nicht einmal den Adblocker für die Seite deaktivierten, sondern vor allem auch die notorische Netzblindheit der kulturpolitischen Förderinstitutionen: „‚Es ist eine Riesenkrux, dass die Kultur-/Literaturförderung – und ich meine hier besonders den Bund – immer wieder auf das scheinbar ganz Neue setzt, auf frische Ideen oder solche, die nur so aussehen. Auf der Strecke bleiben strukturelle Förderungen. fixpoetry ist ein wichtiges strukturelles Element der Lyrikszene gewesen. Herausragend wichtig war und ist eine Ergänzung des Feuilletons in Sachen Lyrik. Ein trauriger Novembertag, ein großer Verlust!‘ schrieb Monika Littau, Vorsitzende der Gesellschaft für Literatur NRW. Dem kann sich KUNO nur anschließen und bietet sein Online-Archiv allen Interessierten für die Recherchierbarkeit an. Autoren aus dem Bereich Glosse, Essay, Rezension sind der Redaktion willkommen.
microtexte
Die Bloggerin Mone Hartmann lehnt den Begriff Twitteratur rundweg ab und bezeichnet ihre microtexte als Lese-Quickies. Wir finden hinter diesem Link Kleinode voller Poesie, Dreizeiler mit Sprüche-Charakter, manchmal steckt eine ganze Geschichte in nuce in den auf 140 Zeichen begrenzten Quickies. Das Besondere ist in ihrem Fall die Entstehung, sie gehen aus der kreativen Zerstörung zuvor geschaffener, größerer Gedichte und Prosafolgen hervor. Aus diesen Bruchstücken wird von Hartmann etwas zeitgemäßes geschaffen, keine Reportage oder Chronik, sondern microtexte, die sich manche derjenigen Freiheiten nehmen, die der künstlerischen Gestaltung zustehen.
micropoetry
Twitteratur ist eine Poesie, die man von den japanischen Haiku kennt, sie scheint auf besondere Weise verfügbar und dienstbar zu sein. Bestand die Modernität dieser Mikrogramme bisher in ihrer Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne (vertiefend ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur). Mit seiner micropoetry gelingt es Denis Ullrich eine übernutzte Sprache zu entkernen. Seine vielgestaltigen Texte auf KUNO bewegen sich zwischen Transzendenz und Körperlichkeit. Zuweilen hat man den Eindruck, als wollte dieser Autor das berühmte Diktum Wittgensteins widerlegen: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man – nicht schweigen – sondern dichten! Dieser Autor hinterlies eine Twitteratur bei der weder ästhetische Überhöhung noch schnöder Realismus infrage kommen.
Der Leser allein, entscheidet über die Aktualität des Geschriebenen.
Die Literaturszene braucht uneitle Menschen, die sich fürsorglich sowohl für die Literatur und ihre Kollegen einsetzen. Menschen wie Walther Stonet. Er war Lyrikredakteur und Rezensent der Literaturzeitschrift Asphaltspuren von 2003 bis 2015 (23 Ausgaben). Jede Textsammlung bedeutet Auswahl – jede Anthologie, jedes Lehrbuch, letztlich jede Literaturzeitschrift. Stets kann nur ausschnitthaft präsentiert werden, was dem Leser Aufschluss geben soll, nur exemplarisch lässt sich das zu Zeigende tatsächlich transportieren. Seit 2008 ist Stonet Herausgeber der Reihe „Walthers Anthologie der Internet-Lyrik“. Er ist den Worten auf der Spur und unternimmt Streifzüge durch die Deutsche Sprache. Inzwischen sind fast 50 Gedichte besprochen worden. Seit August 2015 fungiert er als Herausgeber von zugetextet – einem Feuilleton für Poesie-Sprache-Streit-Kultur. Es geht in diesem „Magazin-Blog neueren Stils“ um die Potenziale, die Sprache hinsichtlich ihrer Möglichkeiten zur Interpretation, der Mehrfachbedeutungen und der sich aus diesen Aspekten ergebenden Irritationen, Verirrungen und Verwicklungen zu untersuchen.
Das Richtungsding mit dem Dichtungsring
Es herrscht die irrige Annahme, das Netzwerk sei erst mit dem Internet erfunden worden, es gab jedoch eine Zusammenarbeit von Individuen bereits auf analoger Ebene. Wir stellten auf KUNO sehr gern analoge Literaturzeitschriften vor, z.B. die Matrix. Der Dichtungsring entstand im Umfeld der Universitäten Bonn und Bochum und wird heute von einer im Bonner Raum angesiedelten Autorengruppe herausgegeben. Ein Schwerpunkt ist die Unterstützung interkultureller Kommunikation durch Veröffentlichung von Texten aus anderen Literaturen. Die französischen, englischen, russischen, katalanischen, schwedischen, spanischen, portugiesischen, italienischen und rumänischen Texte erscheinen dabei meist mit deutscher Übersetzung. Die Inhalte sind nicht auf bestimmte Gattungen beschränkt, ordnen sich aber den für die einzelnen Hefte gegebenen abstrakten Themen (z. B. „Empörung“, „Körper“) zu. KUNO dokumentierte den Grenzverkehr im Dreiländereck. In diesem Jahr haben sich zwei langjährige Redakteure verabschiedet, zum einen der Leader of the Pack, Ulrich Bergmann. Hier auf KUNO bleibt er uns glücklicherweise erhalten. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. Zuletzt stellte die Redaktion DR 57 vor, mit der sich die Autorin Francisca Ricinski würdevoll als Herausgeberin des Dichtungsrings verabschiedete. Inzwischen hat eine der renomiertesten Literaturzeitschriften einen eigenen Auftritt im Netz.
Über die ewig wiederbelebte Leiche des literarischen Undergrounds
Im Rahmen des Meinungsvielfalt beschäftigt sich KUNO gründlich mit unergründlichen Vor- und vermeintlichen Irrläufern. Am wurde mit dem Ulcus Molle Info das analoge Internet eingestellt, drei Tage später ging der erste Blog online. War Ní Gudix in 2011 noch optimistisch, so stimmte sie kürzlich einen Schwanengesang auf den Underground an. KUNO dachte anläßlich des 25. Todestages von Josef Biby Wintjes über nonkonformistische Literatur nach. Eine Theorie des Sozialen lautet, es gebe in der Politik keine Lücken. Immer wo sich eine auftue, werde sie sofort von anderen Akteuren besetzt. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier. Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. Hat sich der Underground im Blog zum Overground gewandelt?
Die Krash-Autoren haben Unschärfe der Welt und die Grenzen des Versteh- und Erkennbaren und den Übergang von analog zu Digital erkundet.
KUNO hat ein Faible für Trash. Die Kennung von der „Ästhetik des Hässlichen“ als charakteristischem Merkmal, stimmt als Bewertung ebensowenig, wie die Formel „edle Einfalt und stille Größe“. Die Gossenheft-Autoren wollen die Leser nicht unterhalten. Sie wollen ihnen ihr bequemes ernst-erhabenes Weltbild tückisch demolieren. Denn sie halten ihren Ernst für Lebensträgheit, Hinterwäldler-Dumpfheit. Mit der provokanten Geste wollen wir jede Äußerung dieser Hochkultur verhöhnen, die statt der Ausschöpfung des Lebens auf Erhaltung ihrer Konventionen abzielt. Die Vielschichtigkeit dessen, was mit Trash gemeint ist, gewinnt durch die in die Krise geratenen abendländischen Wahrheitscodes und dem Ende der „Großen Erzählungen“ den faden Beigeschmack der Beliebigkeit. In der Popmoderne kann alles zum Trash werden, aber nicht alles wird in der Moderne zum Trash. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Daher sei sei Enno Stahls fulminantes Zeitdokument Deutscher Trash ebenso eindrücklich empfohlen wie Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Ebenso verwiesen sei auf Trash-Lyrik.
Die akustische Version eines Blogs ist der Literaturpodcast.
Das Radio hat nach 100 Jahren als „Neues Medium“ nun auch ins Internet gefunden. Im foejetong schreiben und reden Magdalena und Sarah über (feministische) Kultur: vom aktuellen Beyoncé-Album, über die Brontë Schwestern bis hin zur neuesten Netflix-Serie. Im März 2018 ging die erste Folge des Literaturpodcasts von detektor.fm auf Sendung. Franziska Wilhelm und Claudius Nießen führen im Plauderton monatlich durch den Podcast, besprechen literaturrelevante Themen, besuchen Autoren in deren Wohnungen, initiieren Mitmach-Aktionen und erklären die Buchbranche. In ihrem Podcast Tsundoku spricht Andrea Diener seit 2015 über Bücher, Reisen zu Literaturorten und Kultur allgemein. Podcastfolgen mit Autoreninterviews gibt es ebenfalls. Lange vor dem Hype ging MetaPhon an den Start. Die Edition Das Labor lancierte zwischen 2001 und 2013 eine Reihe, in der Facetten der multimedialen Kunst zugänglich gemacht werden, die nach den herkömmlichen Marktgesetzen unerschlossen bleiben. „Der Markt“ wurde entmystifiziert. Netzkunst besteht aus Menschen, die nur drauf warten, dass sich an dem aus den USA importierten Standard etwas ändert. Das aufgeklärte Publikum erwartet Künstler, Wissenschaftler, Akteure, die den Vorhang aufreißen, um in einer anderen Form zu erzählen.
Der vordenker, seit 1996 im Netz
Wir müssen unser Denken und Handeln verändern und weiterentwickeln. Das ist eine politische Forderung, die in nahezu allen Essays von Joachim Paul implizit enthalten ist. Der digital nahezu grenzenlos zur Verfügung stehende Publikationsraum will verantwortlich genutzt werden, eine Vielzahl von bislang nur werkstattintern oder gar nur in der lexikographischen Phantasie vorhandenen Möglichkeiten kann hier realisiert werden. Für unserer Online-Archiv gilt: “Aufbewahren. Für immer!” Wir sichten das Material, bevor wir es dann hier in Ruhe bewerten und bewahren vor dem Vergessen, was durch das Raster der Gedenktagskultur fällt. In der Tradition Montaignes verstehen wir auf KUNO den Essay als Versuch, gibt diesem aber den naturwissenschaftlichen Sinn des Experiments, der experimentellen Versuchsanordnung und zugleich die existenzielle Bedeutung des Lebensexperiments und vertieft beides so ins Abgründige, daß aus dem Versuch sowohl die Versuchung wie der Versucher und das Versucherische sprechen. Die Redaktion versteht Literatur als einen Prüfstein des Nachdenkens darüber, wie Menschen in einer zukünftigen Gesellschaft miteinander zusammenleben.
SchNIPPischer Sauerländer
Ungewöhnlich ist es, wenn eine literarische Figur ihren eigenen Blog hat. In den Geschichten vom Herrn Nipp ist die Hauptperson Herr Nipp, der Fragen von Mitmenschen gestellt bekommt oder zeitgeistige Erklärungen abgibt. Er antwortet stets mit Glossen, die auch von Haimo Hieronymus stammen könnten. Somit sind diese Zeitstücke ein Instrument, um seine eigenen Meinungen und Ansichten kundzutun. Die Nipp-Geschichten behandeln Themen, die seit 1994 immer wiederkehren, ihr Motiv ist das Individuum, das durch die Moderne strauchelt, herumgeschubst wird, viele Niederlagen erleidet und die Hoffnung auf eine grundlegende Verbesserung seiner Lage aufgegeben hat. Dabei ist er weder tiefsinnig noch kompliziert, er schreibt nicht ambitioniert, und seine analytischen Einschätzungen sind von begrenzter Reichweite. Die Fähigkeit des Nipp besteht darin, dem Banalen eine in sich stimmige Form und einen ebensolchen Zusammenhang zu geben, und das ist nichts Geringes, ganz im Gegenteil! Zuletzt schwamm Herr Nipp wie ein Guppy im Gin, er ähnelt darin den Bloggern, die solange „im Internet surfen“ bis die Wellen über ihnen zusammenschlagen.
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Guppy im Gin, weitere Geschichten von Herrn Nipp. Edition Das Labor 2020
Weiterführend →
Erinnerung wird zunehmend auf neue Technologien ausgelagert. Das Grundproblem der Erinnerungskultur (siehe auch: In eigener Sache), der Zeugenschaft, der Autorschaft, ist die Frage: Wer erzählt, wer verarbeitet, wem eine Geschichte gehört? – „Kultur schafft und ist Kommunikation, Kultur lebt von der Kommunikation der Interessierten.“, schreibt Haimo Hieronymus in einem der Gründungstexte von KUNO. Die ausführliche Chronik des Projekts Das Labor lesen sie hier. Diese Ausgrabungsstätte für die Zukunft ist seit 2009 ein Label, die Edition Das Labor. Diese Edition arbeitet ohne Kapital, zuweilen mit Kapitälchen, meist mit einer großen künstlerischen Spekulationskraft. Eine Übersicht über die in diesem Labor seither realisierten Künstlerbücher, Bücher und Hörbücher finden Sie hier.
Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie einen Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.
Die Künstlerbucher sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421