Das Reden

 

Nachdichtung einer nigerianischen Volkssage

Ein Wanderer kommt tief in
einen dunklen Wald
bleibt im Gestruep
hængen
stolpert ueber
einen Totenschædel

Der Schædel klappert
& beginnt zu
sprechen

»Wie ist das nur mœglich?«
schaudert der Wanderer

»Das Reden brachte mich hierher«
gibt der Schædel als Auskunft

Zurueck in der
Stadt erzæhlt der
Wanderer sein Abenteuer
einem Journalisten der
sogleich mit seinen Kollegen und
einem Kamerateam an
den Ort des Geschehens
eilt

Erneut spricht
der Wanderer den
Schædel an
wartet im gleissenden Schein-
werferlicht auf Antwort

Doch der Schædel bleibt
stumm
Von der aufgebrachten Menge wird
der Wanderer unter den
Augen der wachsamen Kamera ent-
hauptet
& bleibt neben dem
ersten Schædel
liegen

Als es am Schauplatz
waldesruhig & grabesstill
geworden ist sagt der
erste Schædel:
»Das Reden brachte mich hierher …«

 

 

***

Parlandos, Langgedichte und Zyklen von A. J. Weigoni, Edition Das Labor, Bad Mülheim 2013.

Holzschnitt von Haimo Hieronymus

Weiterführend

Jeder Band aus dem Schuber von A.J. Weigoni ist ein Sammlerobjekt. Und jedes Titelbild ein Kunstwerk. KUNO faßt die Stimmen zu dieser verlegerischen Großtat zusammen. Christine Kappe sucht ein Substilat in „Parlandos“, Langgedichte und Zyklen von A.J. Weigoni. Last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni in dem er dichtungstheoretisch die poetologischen Grundsätze seines Schaffens beschreibt. Zuletzt bei KUNO, eine Polemik von A.J. Weigoni über den Sinn einer Lesung.