Give me new noise

Grand avait même assisté à une scène curieuse chez la marchande de tabac. Au milieu d’une conversation animée, celle-ci parlait d’une arrestation récente qui avait fait du bruit à Alger. Il s’agissait d’un jeune employé de commerce qui avait tué un Arabe sur une plage. – Si l’on mettait toute cette racaille en prison, avait dit la marchande, les honnêtes gens pourraient respirer. Mais elle avait dû s’interrompre devant l’agitation subite de Cottard qui s’était jeté hors de la boutique, sans un mot d’excuse.

Albert Camus

Studentenverbindung einmal anders. In San Francisco trafen sich zwei Studenten für elektronische Musik des San Francisco City College, Blaine L. Reininger und Steven Brown, sie gründeten die Combo Tuxedomoon. Kurz nach der Gründung stieß Winston Tong als Sänger hinzu. Erstmalig kam ich mit Ihnen durch eine 7‘ in Berührung. Ihre Interpretation von Albert Camus L’Étranger  weist erheblich mehr künstlerische Substanz auf als das im gleichen Jahre erschienene Killing an Arab von The Cure. Für die Produktion ihrer ersten EP No Tears kamen Michael Belfer als Gitarrist und Paul Zahl am Schlagwerk hinzu. Mit dem Song No tears (for the creatures oft the night), gelang ihnen auf Anhieb ein Meisterwerk des düsteren Elektro-Punks.

Hatten Tuxedomoon mit der ersten EP bereits ihre Visitenkarte abgegeben, so legten sie mit der EP Scream with a View nach; dies + die Single sind mehr substantielle Stücke, andere Bands mit einem ganzen Lebenswerk nicht hinbekommen, was wahrscheinlich auch an den Musikern lag, welche diese künstlerische Arbeit mit neuen Ideen bereicherten. Nachdem Tong und Belfer die Band kurzzeitig wieder verlassen hatten, wurde Bassist Peter Principle Mitglied. 1979 unterzeichnete Tuxedomoon einen Plattenvertrag mit Ralph Records, dem Label der Residents. Mit Abstand besehen fragt man sich, welche Combo wohl der größere Geheimtipp geblieben ist.

 

Half-Mute ist der Titel des Debüt-Studioalbum der US-amerikanischen Post-Punk-Band Tuxedomoon, das bei Ralph Records veröffentlicht wurde. Dieses Album ist verführerisch, repetitiv und völlig originell. Es ist eine brillante Fusion aus Punk-Empfinden und künstlerischer Selbstgefälligkeit. Launisch, deprimierend und selbstmörderisch beschreiben gleichermaßen die düstere Atmosphäre, die dieses Trio aus San Francisco mit einer Vielzahl von Instrumenten schafft, von Synthesizern und Klavieren bis hin zu Saxophonen und Geigen. What Use? ist eine bemerkenswerte Destillation der künstlerischen Ästhetik der Langeweile und Isolation der Gruppe – eine Klanganatomie der apokalyptischen Folgen der amerikanischen Landschaft im Jahr 1980. Volo Vivace verwendet Geigen auf dieselbe Weise wie der blinde Mann im Originalfilm von Frankenstein. 7 Years hat in seinem Geigen- (und Gesangs-)Sound das trügliche Gefühl einen Hawkwind-Space-Sounds. Half-Mutes epischer Song KM/Seeding The Clouds überschreitet die letzten Grenzen. Er erinnert den Ritt der Walküren, dem Orchestervorspiel zum dritten Akt der Oper von Wagner, als Begleitung der Hubschrauber in Apocalypse Now, anstatt in The End der Doors zu überzuleiten, tanzen die Rotorblätter hier einen Walzer mit einem Bass und einer Klarinette, bevor der Text einsetzt, um die Düsternis auszudrücken.

It comes out the same,
He wondered what was to blame,
He travels light,
No excess baggage

Dies passt als Brücke zum zweiten Album Desire, das man auch als eine Komposition zu Maurice Béjarts gleichnamigem Ballett hören kann. Die Instrumentierung ist nicht das einzig Einzigartige an diesem Album. Bei der schlichten Melodie, Incubus (Blue Suit), verwenden Tuxedomoon scheppernde Synthesizer und einen motorischen Beat, sie schaffen es dennoch eine vollkommen organische Atmosphäre dank des wohlkalkulierten Geschmacks ihrer Arrangements, die musikalisch einfach, jedoch harmonisch besonders sind und selbst die langen Noten über die stumpfen Rhythmen darunter laufen lassen. Es ist erstaunlich, wie gut sie aus zweiakkordigen Klageliedern wie In the Name of Talent neue, genrelose Musik machen, indem sie immer mehr Ebenen des Songs entfalten und damit die meisten ihrer Syntihpop- und Punk-Zeitgenossen als unfertige Musik entlarven.

Es ist ein hypnotischer, Synth-Punk über böse elektronische Musik bis hin zu tanzbaren Upbeat-Tracks.

Jeder Song auf dem Album ist intelligent orchestriert und voller Abwechslung, wodurch die bescheidenen Anfänge jedes einfachen Songs in Wände emotionaler Kraft verwandelt werden. Die Sänger Tong und Reininger singen und halten Geschichten von Erschöpfung und Misstrauen vortragend, und stehen mit einem Fuß auf der Bühne. Die Texte sind stellenweise repetitiv und eindringlich, während sie auf dem Titeltrack zu einem wahren Ausbruch werden, einem Bewusstseinsstrom, der von einem Mann ohne konkreten Platz in der Welt geliefert wird. Was ihre Begleitung betrifft, so ist die Rhythmusarbeit das Fundament. Jede Basslinie zappelt und schlurft, sehnt sich danach, woanders zu sein, jedes straff gewundene Klappern des Instruments rumpelt wie ein unsicherer Schritt. Schlagzeuglinien fühlen sich an, als wären sie fallengelassen und dann in die falsche Position gezogen worden; wann immer Sie auf diesem Album den seltenen Klang der Snaredrum hören, es ist wahrscheinlich, dass sie auf einem unwillkommenen Beat ruht. Jedes Bandmitglied ist mit mehr als nur einem Instrument geschickt, eine hochfliegende Streicher- und Bläser-Chiffre für die Sänger, die selbst vor den schönsten Melodien zurückschrecken. Vielleicht ist es diese Eigenart des Arrangements, die klar macht, dass es bei Desire nicht nur um grundlegende, materielle Notwendigkeiten geht, sondern dass es sich um ein zeitloses Album handelt.

Atemberaubend, jedoch selbstbewusst fragt Tuxedomoon in Desire die Welt, ob darin überhaupt Platz für sie sei.

Bei Incubus ist der Hintergrund komplex und jazzig. Die Combo hat Einflüsse von allen Seiten aufgesogen, ohne zu mechanischen Nachahmern zu werden. Das Titelstück ein Midtempo-Song, der ein bisschen klingt, als wäre man betrunken auf ein Karussell geraten und wäre zu desorientiert, um abzuspringen. Dieser Song ist eine instabile Erfahrung. Darunter läuft ein täuschend schneller Synthesizer-Percussion-Track, der zu einem Gefühl von schnell/nicht schnell führt, das einem den Magen zweimal hinschauen lässt. Je mehr sie es mit Saxophonen, Keyboards usw. verzieren, desto mehr steigern sie das Schwindelgefühl, auf einer außer Kontrolle geratenen Maschine auf und ab und herumgefegt zu werden. Jedes Instrument hier ist wie ein anderer Teil dieser Maschine, der sich mit einer anderen Geschwindigkeit und auf eine andere Weise bewegt. Einschließlich des Gesangs. Es gibt auch viele interessante Gesangsüberlagerungen, die perfekt zu diesem Song passen, denn alles scheint auf allem anderen zu reiten. Wenn dieser Song Desire ist, dann ist es die Art von Verlangen, die einem den Kopf verdreht und den Magen umdreht. Es ist ziemlich erstaunlich, dass sie dieses liebeskranke Gefühl effektiv in Musik umsetzen konnten. 

Desire ist ein wildes experimentelles Album, das von Drum Machines, Dark Jazz und etwas Krautrock und Punk inspiriert ist.

Again ist ein spaciger Astral-Jazz, der am Ende zusammenbricht, anstatt eine melodische Auflösung zu erreichen. Kein schlechtes Lied, aber dieses zusammengebrochene Ende ist wahrscheinlich der interessanteste Teil. In the Name of Talent ist interessant. Das Intro ist langsam und jazzig und stimmungsvoll, dann kommt eine Gitarre dazu und das Lied geht in diesen seltsamen 3/4-Takt über und beschleunigt bis zum Galopp. Der Gesang bleibt langsam und entspannt und wird geradezu in die Länge gezogen. Während der mittleren Instrumentalpause gibt es all diese interessanten kleinen melodischen Pings & Pongs, die auf einer Alien-Harfe gespielt wird, und dessen Vorstellung einem das Gehirn rosten. Hollywood for Plywood ist basslastiger / blechlastiger Jazz mit schwungvollen Streichern. Beide Themen haben ein glattes und glänzendes und leicht kitschiges Feeling, besonders mit all den hübschen Streichern. Die irritierende Mischung aus Jazz-Fusion oder Electronica sind an Zuhörer mit einem Ohr für Details gerichtet.  

Tuxedomoon entwickelten einen experimentellen Sound, der seltsamer war als der ihrer Zeitgenossen aus den 80ern, indem er Jazz und hypnotisierende Elektronik auf eine Art und Weise einbezog.

Nach der Veröffentlichung der beiden Alben Half Mute und Desire siedelte die Band von Amerika nach Europa über und fand sich, nach einigen Zwischenstationen, schließlich in Brüssel wieder, dem Heimatort ihres europäischen Plattenlabels Crammed Discs. Die Gruppe war der Meinung, dass ihr an New Wave und an Jazz, elektronischer und klassischer Musik angelehnter Sound eher zu einer europäischen als einer amerikanischen Umgebung passen würde.

 

 

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Half Mute, Tuxedomoon 1979

Desire, Tuxedomoon 1981

Piet Mondrian lässt grüssen;-)

Weiterführend  Wir verorten auf KUNO die erste Punk-LP mit dem Bananenalbum. Oder war es doch eher der Garagenrock? – Lässt sich davon der verschwitzte Proto-Punk der New Yorker Proll-Combo ableiten? Oder hatte der testosterongesteuerte Punk gar eine Ur-Mutter? – Der Titeltrack des Albums ist der mit Abstand spektakulärste und zeitloseste Titel des Albums. Bis heute ist Blank Generation der Song, der wohl größer ist, als die Band, die ihn produziert hat. Dies ist das beste Album, das die Buzzcocks nie gemacht haben. Kaum ein Song beschreibt den beginnenden britischen Punk besser als „Oh Bondage Up Yours!“. Es ist ein Zeichen von Chuzpe, wenn sich eine von Männern dominierte Szene, eine Combo von Frauen The Slits nennt. Waren die Pistols die erste Boy-Group? Johnny Rotten predigte Anarchie, The Pop Group praktizierte sie. PiL has his future in a British Steel. Klingt die Trostlosigkeit des Rust Belt nach Punk oder Industrial Folk? Gegen Fresh Fruit for Rotting Vegetables hört sich alles andere wie Pop an. Retten kann uns die Schönheit der Tenorstimme des Punk. Zu Monarchie und Alltag gibt es einen Bericht zur Lage der Detonation. – Weitere ungelöste Fragen: Stellen die The Ruts mit einem Album das Lebenswerk von The Clash in den Schatten? Wann hört der Substance von Punk auf? Wann beginnt der Post-Punk? Ist das bereits New Wave? Oder stellt Polyrythmik den Höhepunkt dar? Eine Würdigung der südafrikanischen Tekkno-Punks Die Antwoord. Eine Seitenbermerkung über den Industrial-Punk der Nine Inch Nails aus Cleveland, Ohio. Thrash Metal ist das Resulthat der Verschmelzung der Energie und Geschwindigkeit des Hardcore Punk mit den Techniken der New Wave of British Heavy Metal. Die Alben von Wire stellen in beeindruckender Weise dar, was aus Punk hätte werden können.