In den Weiden sammeln sich die Krähen, wo der
Fluß forteilt und schweigt. Der südliche Bogen der Stadt
Zieht an den Kernbergen vorbei, ein gleißendes Grau
Im sich mehrenden Novemberdunst. Verlassen, verwaist
Liegt der Garten, wo mein Fensterspecht wohnt.
Die Drosselschmiede geschleift, die Drosseln jedoch
In der Nähe, ich sehe die Knöpfe der Augen in den
Zweigen noch hängen, wie Winterbeeren, in braune
Und schwarze Kleider genäht. Die Bahnen im Abgrund
Huschen vorüber, ein rumpelndes Kommen und
Schwinden die Sinuskurve der Stadt. Noch hängt der
Mond in der Dunstglocke fest. Die Plejaden lugen
Hinter den eingeschlagenen Illusionen hervor. Herb äugt
Das Holzland zurück. Die Flößer in den Plattenbauten
Brühn sich einen frühabendlichen Kaffee. Unten, in den
Phyletischen Abteilungen, macht einer das Licht aus.
Die Hausherrin spaziert, im weißen Gewand, zwischen
Den immer noch ankommenden Schwärmen dunkler
Wie nördlicher Vögel einher. Ich zieh’ mich, einer der
Letzten gefleckten Raben Europas, in die beheizte Be-
Hausung zurück. Das Rufen der Krähen bricht sich grell
In den Weiden, schallt von den Kernbergen auf uns.
In der Kastanie hockt mein Specht, jetzt sehe ich ihn.
Die Augen der Drosseln sind nähergekommen. Unten,
Am Ende des Hangs rauscht, ein unendlicher Sinus,
Der Verkehr dieser Stadt. Gen Süden … Gen Norden …
Wer weiß das schon noch genau. Ich schließe, still, den
Einflügel des Fensters. Die Welt bleibt draußen, ein
Lichtes Dunen in Grau, zurück. Ich putz’ mir den Schnabel,
Poliere die Knöpfe des Nichts. Der Dachboden knackt,
An den Scheiben verlöschen die Blicke. Es wird Abend.
Von den Bergen schlagen die Nachtvorhänge herein.
***
Bodenkunde, Gedichte von André Schinkel, Mitteldeutscher Verlag Halle 2017
Weiterführend →
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