Vorbemerkung: Im Rahmen der Publikation des lyrischen Gesamtwerks des Sprechstellers A.J. Weigoni blickt Karl Feldkamp auf den Mittelteil der Trilogie Letternmusik, Schmauchspuren – eine Todeslitanei, Dichterloh – Kompositum in vier Akten zurück:
Der Ton macht bekanntlich die Musik, auch wenn es in Weigonis Gedichtband Letternmusik eher die Buchstaben und Gedanken sind, die allerdings laut verlesen schon im Präludium mit dem Zweifel spielen. „als er“ (der Gedanke) „sich aus/gesprochen hatte/stellte er fest/das er revidiert werden musste“. Und so hebt er die lyrische Sichtweise des jeweils ersten Verses oft schon im nachfolgenden wieder auf.
Im I. Akt des lyrischen Polydrams in fünf Akten startet der wortgewaltige Autor „Stuermisch bewegt“ und lüstern in die Erotik der Worte und Wortspiele, immer wieder auf der Suche nach Grenzen, um diese übergehen und hinter sich lassen zu können.
In seinen Gedichten sucht er dem lyrischen Selbst offenbar einen Weg, der ihn dennoch stets der Entfremdung näher bringt.
Im II. Akt versucht er es vor allem verhaltener und findet zu eher schwebend meditativ wirkenden Versen. Dabei geht ihm folgerichtig auf, dass „sich nicht rechnen“ lässt, „was wirklich zählt“. Aber auch „die Reste des: Sinns“ werden unter Einsatz eines „Phrasendreschpflegels“ lautmalend „schmachhaft schmatzend“ verzehrt.
Dem entgegen geht es im III. Akt „flatterthaft“ zu. Wild galoppierd geht es an „Stahlgetuerm“ vorbei und über „Wurzelgewirr“ zu Ozeanen, Meeren, zu deren Überresten und zu einem Ort „über dem Abgrund der marginalisierten Coolness“. In „nächtlicher Zwiesprache“, „wenn das Du kein Gegen über mehr für das Ich sein kann…“„& immer wieder das marmorne Mondgesicht betrachen“ muss, wird es mühsam und gar schmerzhaft mit der Selbstbegegnung.
„Presto, ein ResisDansé“ in Akt IV lässt Wohlstandsmüll zum Himmel stinken, greift u.a. Probleme Obdachloser, von Asylanten und Vogelfreien auf und stellt fest, „die Automobilmachung der Maschinengesellschaft“ habe begonnen.
Schließlich endet der V. Akt „Rondo, Allegretto“ im „Postludium“ mit „einer endlosen Vorläufigkeit…“
A.J. Weigoni gelingt es einmal mehr ein sprachgewaltiges „Bühnenwerk“, versehen mit stimmigen musikalischen Metaphern und mit kraftvollen Rhythmen zum Klinge zu bringen.
Als genauer Beobachter, den offensichtlich keine Fassade aufzuhalten vermag, sieht er durch Oberflächen hindurch und inszeniert die Welt dahinter und darunter.
Ein Werk, das, wenn es denn für die Bühne geschrieben wäre, sich sowohl als Straßentheater als auch für große bildungsbürgerliche Opernhäuser eignen würde. Für diese allerdings eher, um das Publikum gehörig zu verunsichern.
Ein gut neunzig Seiten umfassendes „Textbuch“ über zehn nachhallende Jahre (1985 – 95) für lyrikbegeisterte Leserinnen und Leser, die nicht nur ihr sprachliches Vokabular erweitern möchten sondern sich auch gern auf die Suche nach dem Sinn hinter dem Sinn begeben.
Leider ist Letternmusik als Einzelausgabe schon vergriffen, wird aber 2017 mit der Gesamtausgabe der Gedichte Weigonis erneut erscheinen.
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Letternmusik, Gedichte von A.J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim 2016 – Limitierte und handsignierte Ausgabe des Buches als Hardcover
Gedichte, Hörbuch von A.J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim 2015
Probehören kann man in der Reihe Metaphon die Schmauchspuren und das Monodram Señora Nada. Ebenda der Remix der Letternmusik. Das Original kann zum Vergleich hier gegenhören. Und außerdem die Live-Aufnahme der Prægnarien.
Eine limitierte Auflage des Hörbuchs Prægnarien von 50 Exemplaren ist versehen mit einer Originalgraphik von Haimo Hieronymus. Edition Das Labor, Mühleim an der Ruhr 2013
Bilder der Prægnarien-Performanmce von Philipp Bracht und A.J. Weigoni sind hier zu sehen. Ein Video von Frank Michaelis und A.J. Weigoni aus der Schwebebahn findet sich neben dem Schland aus Herdringen.
Die Aufnahmen sind in HiFi-Stereo-Qualität erhältlich über:info@tonstudio-an-der-ruhr.de
Weiterführend →
Würdigungen von Holger Benkel, rettungsversuche der literatur im digitalen raum, Christine Kappe, Ein Substilat, Jens Pacholsky, Hörbücher sind die herausgestreckte Zunge des Medienzeitalters, Sebastian Schmidts Der lyrische Mitwoch. Ein Essay über das akutische Gesamtwerk bei buecher-wiki. Und lesen Sie auch VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, einen Essay von A.J. Weigoni über das Schreiben von Gedichten.