Café Thalia

 

Sir Peter und Ich im Café Thalia. Ich frage mich, sagt Er, was nach dem Tod kommt – wie denkst du darüber? – Die unnützen Fragen sind oft die schwersten, sage Ich. – Du scherzt, sagt Er, ich mein’s ernst. – Der Natur bist du egal, sage Ich, sei froh, dass du nicht weiterleben musst, weder als Seele noch in transpersonaler Einheit mit Gott. – Darauf sagt Er: Du glaubst an nichts, du bist also auch gläubig! – Na gut, so Ich, was hilft das dir? Du suchst Sinn und Gericht, Ich nicht. Du brauchst Verheißung, Ich nicht. – Er: Es geht ja nicht um mich. – Ich: Ach so … ach so … du weißt, dass wir hier keine Erkenntnis gewinnen können … sagte schon Kant. – Kant fand Gott nützlich, wenn nicht notwendig. – So so, sage Ich, so läuft der Hase. – Einstein meinte das auch, sagt Er. – Und Albert Schweitzer … – Ja, sagt Er, du siehst … – Ich seh nix, sage Ich, Ich habe aber nichts dagegen, wenn Gott dir irgendwie hilft. – Descartes – nein, Pascal meinte, die Wahrscheinlichkeitsrechnung zeige deutlich: du gewinnst mehr, wenn du Gott annimmst, als umgekehrt. – Schön, sage Ich, warum suchst du noch, wenn du schon weißt? – Es geht ja nicht um mich, sagt Er. – Das glaube Ich nicht, sage Ich. – Du bist eben ein klassischer Atheist, sagt Er. – Wie du mich nennst, ist mir egal, meine Weltanschauung behauptet ja keine Verheißung; die Naturgesetze erkenne Ich an, auch die Evolution. – Hast du Argumente?, fragt Er. – Du quälst mich, sage Ich, Ich bin doch kein Scholastiker. – Er: Es geht nicht um dich oder um mich. Ich will mehr wissen. – Also geht es doch um dich, sage Ich. – Nein nein, weißt du, Kant … – Ich lebe gut so, sage Ich, mich beschwert nicht meine Aussicht auf das Nichts, im Gegenteil. – Willst du es nicht genauer wissen? – Nein, sage Ich, Ich fühle mich ohne Gott unbeschwerter. – Bedeutet dir der Tod und die Sinnfrage so wenig? – Ich lebe verdammt gern, sage Ich, den Tod aber fürchte Ich nicht, Ich fürchte nur ein schmerzvolles Leiden und Sterben. – Darum geht es nicht, sagt Er. – Doch, sage Ich, darum geht es auch. – Es geht um die Wahrheit …, sagt Er. – Die Wahrheit!, sage Ich, die Wahrheit! Es geht um uns, um dich und mich, Gefühl ist alles, Namen sind Schall und Rauch. – So einfach ist die Frage aber nicht zu lösen, sagt Er. – Doch, sage Ich, Ich fürchte, so einfach ist am Ende alles. – Das kannst du nicht beweisen. – Wozu auch, sage Ich, muss Ich mir irgendetwas beweisen?

 

 

***

Kleine Gipfeltreffen, von Ulrich Bergmann. KUNO 2021

Bonn ist nicht Weimar

Weiterführend →

In diesem Jahr präsentiert KUNO von Ulrich Bergmann deutsche Seelenlandschaften im Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.