Monat: Juni 2021

Mett

  Vielleicht wollte sich Urte mit Mett interessant machen. Aber immerzu Mett? Mett hier und Mett da und kein Ende. Weiß der Teufel, was Urte sich dabei dachte mit dem Mett. Was konnte Urte mit Mett schon Geistreiches anrichten? Was…

Bonn, Kaiserplatz 29.7.

  Lieber Stefan, vom Balkon über mir winkt Pirandello. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen. War er verreist? Hatte er Sehnsucht nach dem sizilianischen Dialekt? Und nach seiner Verlobten in Agrigent, obwohl er hier in Bonn eine Verlobte…

ein friedlicher tag auf dem land an der grenze

wir lauschten wir schwiegen wir fluteten mit den Wolken Friederike Mayröcker   heute denk ich an dich bensch will dich bald schon wieder sehn   gestern die kart aus mali ∙ ohne neger der tisch : notizen ∙ fetzen ∙…

Redegegenstände formulieren

Wir sind von Haus aus eine geschwätzig plappernde Spezies – kommunikativ vergesellschaftete Subjekte, die ihr Leben nur in Netzwerken erhalten, die von Sprachgeräuschen vibrieren. Jürgen Habermas Eine Rückblende in die Mediengeschichte: Wenn das Hörspiel in den 1920ger Jahren den Transfer…

Unterwegs trifft man viel Fremdes

  Hätte sie in der Mitte der Straße begonnen, hätte sie das Kommende rückwärtig anschreiben können. Sie hätte sich in der Zusicherung bewegt, schreibend das Ende der Straße zu erreichen. Der rückwärts getriebene Anfang hätte von der Mitte her sein…

Vom Pixel aufs Papier

  Das Netz hat unser Denken verändert, und damit auch die Literatur. Dichtung ist für mich immer ein Suchen, Versuchen, Verzweifeln, Irren und Überformen. Mit der Arbeit am Computer ist der Text jedoch weich geworden, man mag nicht mehr aufhören…

Romantik

  Die zwei möglichen Seiten sind einerseits Hausfrauenromantisierung von großen Künstlern und jenen, die dazu  aufgebauscht werden und andererseits kritische Auseinandersetzung. Das Ignorieren sei hier beiseite gestellt.     *** Unerhörte Möglichkeiten,  Edition Das Labor 2012 Von Herrn Nipp waren…

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  der Fluss der Fluss fällt so so zerschwärzt von der Härte der Felsen über mich hingeschüttet Durchsichtigkeit: Wasser, benag mich, komm benag mich nochmal     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2021 Ein Porträt von Sophie Reyer…

Protokoll

  Er fiel mir auf, so gab der Landwirt später auf der Polizeiwache im nahen Rietfeld zu Protokoll, weil er auf einem Damenrad den abschüssigen Feldweg hinabfuhr, der die beiden Maisfelder durchschnitt. Am Ende einer leichten Kehre bog er dann…

Herr Wiese

***   Seit der Textsammlung: Twitterature. The World’s Greatest Books Retold Through Twitter von Alexander Aciman und Emmet Rensin fragt sich KUNO, wer zu den Vorläufern dieser neuen Literaturgattung gehört. Der Limerick gehört in der parodistischen Version von Eva Kurowski…

Bilanzwehmut

Der Vollbesitz der Wahrheit entgeht uns. Jean-Henri Fabre Dieser Vorlass präsentiert eine formale Vielseitigkeit. Er versammelt Kürzestgeschichten, Feuilletons und Essays. Das was diese unterschiedlichen Gattungen und Sujets zusammenhält, ist der Weigonische-Ton, eine Lakonie in einer gewissen Manier, deren beiläufige Komik…

Global denken, Lokal handeln

Die Schrift ist meine Heimat. Heimat, aber gefährlich. Peter Handke Auch die Geschichte legt, so scheint es, legt gelegentlich eine Atempause ein. Was die Geschichtsbücher verschweigen findet sich im Roman Lokalhelden, das Politische ist bei Weigoni nur eine Fliehkraft unter…

Impulsverstærker

  Echolot in den Innenraum reflektierende Schallsignale zeugen Unbehauste in heilloser Lebensungewissheit eine Wesenseinheit ohne Seinssicherheit im Nirgendwo der Sinnsuche   Identitætslosigkeit unter Egomanen Charaktere ohne Eigenschaften jeder Ton eine unterdrueckte Klage verpestete Ewigkeit des zerfallenden Kœrpers Existenz = ein…

Bonn, 17.6. La Fontana

  Pirandello geht mir auf den Geist. Er faselt so schlau daher. Er denkt, er sei Kant & Nietzsche in einer Person … Warum sprach er mich überhaupt an? Er kennt mich doch gar nicht. Braucht er ein Objekt seiner…

Deutschland, Deutschland, liberales

  Deutschland, Deutschland, liberales, von der Etsch bis an den Belt! Seht ihr nicht am preuß’schen Pfahl es, wie es auseinanderfällt? Deutscher Reichstag – Preußenbündler – deutscher Schnaps und bayrisch Bier – Deutschland, Deutschland, liberales – Deutschland, Deutschland – hüte…

Bonn, 16.6. La Fontana

  Lieber Herr Jo, heute Nacht erschien mir Pirandello im Traum. Das Sonnenlicht schimmerte durch die Kastanienblätter, ich nippte an meinem Espresso und hörte über mir die so vertraute Stimme: „Buon giorno, Signore, come stai?“ – „Ahimè, mir geht es…

Bonn, 15.6., Gelateria

  Lieber Herr Jo, der tägliche Dialog mit Pirandello erschöpft mich, seine philosophischen Gedanken, die er mir von seinem Balkon über der Gelateria zuruft, haben mich inzwischen vollkommen ins Gefängnis der Vernunft eingesperrt. Ich leide. Was soll ich tun? Befreien…

Bonn, 14.6., La Fontana

  Lieber Herr Jo, es fehle noch so einiges, schreiben Sie, Denken allein mache noch keine Auferstehung. Handeln soll ich, konsequent handeln. Mein Gott, so ein richtiges Leben macht aber verdammt viel Arbeit. Amortisiert sich das am Ende? Sie wollen…

Bonn, Kaiserplatz, 13.6.

  Lieber Herr Jo, heute kam keine Karte von Ihnen. Was ist passiert? Ich habe Sie doch nicht erschreckt mit meinen Überlegungen? – Halten Sie sich fest: Pirandello stand heute Morgen auf seinem Balkon und strahlte, als er mich sah!…

Bonn, 12.6.

  Lieber Herr Jo, Sie schreiben mir, Sie verurteilen mich zum Leben. Ja, heißt das denn, Sie leben, Pirandello lebt, alle leben – nur ich nicht? Bitte bedenken Sie jetzt auch mal mein Alter. Lohnt es sich für mich überhaupt…

RECORD STORE DAY

Spähen, Jagen, Erlegen! All das ist möglich am RECORD STORE DAY! Die Trophäen nach Hause tragen, das Besondere wertschätzen & das in der schönsten Form wie man Musik wohl konsumieren kann: Vinyl! Viele special edtions warten in den Läden auf…

Bonn, 11.6.

  Lieber Herr Jo, Sie ahnen gar nicht, wie es mich schmerzt, wenn sein Balkon leer bleibt. Seit Tagen sehe ich Pirandello nicht mehr. Er ist vielleicht verreist, vielleicht hat er aber auch den Dialog mit mir beendet. Ich weiß…

Bergauf bergab

  Weder einen Wanderstock, geschweige denn zwei Karbonstäbe, noch die nötige Schlechtwetterausrüstung hat er dabei. Einen Rucksack übrigens auch nicht. Das erschien ihm, als er losging, eigentlich ziemlich überflüssig. Immerhin hat er ordentliches Schuhwerk an. Früher wäre es ihm sicherlich…

Digital Humanities

  Diese kurzen Novellen haben es in sich, hier setzt der Autor Figuren, die sich sperren, die hinterfragen. Statt ernsthaft zu suchen, finden sie, erfinden sich in ihrer inneren Ausgesetztheit neu, um letztlich doch immer wieder an ihren eigenen Bedürfnissen…

Gute Lyrik altert nicht gut, sondern garnicht

Der Vers muß gewisse Gesetze und Möglichkeiten des Atems einholen und sich ihnen verschreiben: des Atems und Atmens dessen, der schreibt, wie auch seines Zuhörens. Charles Olson Der Gedichtband Schmauchspuren von A.J. Weigoni sind ein Exerzitium der Atemgebung. Durch Lautverschiebung…

Bonn, 7.6., am Bücherkarren

  Lieber Herr Jo, ist das Ihr Ernst? Sie attestieren mir, mein Schweigen sei vielsagender als das tiefsinnigste Geschwätz? Das hieße ja, einer faden Tautologie inhaltliche Substanz zuzugestehen. Will ich das? – Wie dem auch sei … Als hätte Pirandello…

Bonn, Café Fürst, 6.6.

  Lieber Herr Jo, ich darf Sie doch so nennen? – Je suis désolé – heute ließ mich Pirandello im Stich, er zeigte sich nicht, und so ging ich in mein geliebtes Café Fürst beim Hauptportal meiner Alma Mater. Nun…

Bonn, Gelateria La Fontana, 5.6. p. m.

  Lieber Herr Jo, Sie werden es kaum glauben, aber es ist so passiert, wie ich es mir dachte: Das Nichts verschluckte sich, und ich war wieder da! „Parbleu!“, rief Pirandello, „da sind Sie ja wieder. Wo waren Sie denn?“…

Bonn, Kaiserplatz, 5.6. a. m.

  Verehrter Herr Jo, ich hob das Espressotässchen, um den letzten Schluck zu nehmen, da sah ich über der Tasse oben auf dem Balkon des Eckhauses über dem Bücherkarren den leibhaftigen Luigi Pirandello, und unsere Augen begegneten sich. Er lächelte.…

Eine Erinnerung an Friederike Mayröcker

Der Tod ist ekelhaft. Er ist ein Eklat, ein Skandalon, eine Frivolität, eine Schmach, eine Verdammung und eine Herabsetzung des menschlichen Lebens. Und der grosse Stachel des Todes ist, dass man nicht weiss, wohin es geht. Friederike Mayröcker   Man…

Nachlass

  „Mit der technischen Auswertung des Nachlasses habe ich längst nichts mehr zu tun; davon lebt jetzt eine Reihe von Agenten, Verlagen, Übersetzern, Einrichtern etc. Kafka würde lachen – oder vielleicht auch bloss traurig lächeln. Ich frage mich oft, wie…

Zombies · Revisited · 1 · 2 · 3

Ich lese A. J. Weigonis im September 2012 erschienenes Prosabuch Cyberspasz, a real virtuality, die novellistische Fortschreibung des Erzählbands Zombies, der mich im Herbst 2010 in Atem hält. Auch wenn Zombies als Gesamtwerk die Nase vorn haben mag: In Cyberspasz,…

Das Kölner Richter-Fenster

  Ein Meister der Grisaille, der formalen Strenge, der Unerbittlichkeit der Grau- und Unschärfe-Relationen. Dagegen das große Südfenster im Querschiff des Kölner Doms – hier sind alle Farben – ohne Weiß und Schwarz und Grau. Der Schöpfungsbegriff verschwindet in der…