Bonn, Kaiserplatz, 13.6.

 

Lieber Herr Jo,

heute kam keine Karte von Ihnen. Was ist passiert? Ich habe Sie doch nicht erschreckt mit meinen Überlegungen? – Halten Sie sich fest: Pirandello stand heute Morgen auf seinem Balkon und strahlte, als er mich sah! Und dann sagte er: „Signore, ob Ihr Leben richtig ist oder falsch, entscheiden Sie, nur Sie!“ – Haben Sie, werter Herr Jo, mit ihm telefoniert? Woher weiß Pirandello, was ich denke? Ich fragte Pirandello: „Wieso wissen Sie, worüber ich seit Tagen nachdenke?“ – „Ich sage nur, was sich von selbst versteht“, sagte Pirandello. „Übrigens, wer denkt, ist noch nicht tot.“ – Ich lebe, Herr Jo, ich lebe! Ist das meine tägliche Auferstehung?

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

Weiterführend →

Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.