Bonn, 15.6., Gelateria

 

Lieber Herr Jo,

der tägliche Dialog mit Pirandello erschöpft mich, seine philosophischen Gedanken, die er mir von seinem Balkon über der Gelateria zuruft, haben mich inzwischen vollkommen ins Gefängnis der Vernunft eingesperrt. Ich leide. Was soll ich tun? Befreien darf ich mich nicht, das muss ich mir verbieten. Aber mich häuslich einrichten, das kann ich auch nicht. Und so lebe ich unbehaust in einer kalten, ja eisigen Welt, mitten im Sommer. Vorher ging es mir besser … „Aber Signore“, rief mir Pirandello heute Morgen wieder zu, „Sie wollen doch nicht zurück in Ihr altes Schweineleben!“

Ach, Pirandello ist ein grausamer Erzengel – heute weiß ich, dass ich mein Paradies verloren habe.

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

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Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.