An der Wasserscheide zwischen Vergessen und Erinnern
Die Sonette von Walther Stonet meint man förmlich zu hören. Sie erinnern an jene kleinen Tonstücke, die man im deutschen Barok als Klinggedicht bezeichnete. Auch Stonets Gedichte bestehen aus aus 14 metrisch gegliederten Verszeilen, die in der italienischen Originalform in vier kurze Strophen eingeteilt sind: zwei Quartette und zwei sich daran anschliessende Terzette. Dies scheint altmodisch. Verdichtete Rede, die Musikalität des Textes und seine Formgebundenheit scheinen Neuerungen auf den ersten Blick zu widersprechen. Auf den zweiten Blick ist man doch erstaunt, wie frisch eine alte Form nach der Revitalisierung wirken kann, welche Funken dieser Lyriker aus dem alten Material schlägt. Es ist trotz dieser gebundenen Form, ein im besten Sinne spielerischer, freier Umgang mit Sprache bestimmt die Gedichte.
Ein Jahr hat vierzehn Monate
Sonette von Glück und von Pech, getragen von einer erhabenen Sprache, von einer lockeren Sprache, von einer trauernden Sprache. Sonette verlangen eine genaue Sprache, Walther Stonet hat sie geliefert. Er liebt Ausfallschritte und Seitwärtsbewegungen, und er schätzt die verwinkelten Räume der Sprache. Es ist gleichsam ein Betören und Verstören. Wir lesen von einer Gesellschaft, in der sich Verunsicherung, Bedrückung und menschliche Kälte breit machen. Der Autor versucht dem in aufklärerischer Absicht entgegenzuhalten. Das Hauptcharakteristikum seiner Arbeit ist eine einfache, ungeschraubte und gar alltägliche Sprache, so ist das Doppelglück des Lesens und Verstehens ist unter der Lektüre oft gegeben. Das alte Motto vom „Inwendig-Lernen und Auswendig-Sagen“ kann man sich mit diesen Gedichten zu eigen machen und sich als Leser die Sinn- und Klangstrukturen gleichermassen einspeichern. Poesie ist für Stonet ein menschliches Grundbedürfnis.
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So nett gelebt – Das Dasein geteilt durch vierzehn, Sonette von Walther Stonet. Rabenpresse 2021. Das Taschenbuch ist ab sofort im vss-bookstore mit der ISBN 9789403631158 überall im stationären und Online-Buchhandel erhältlich.
Die Redaktion verlieh Walther Stonet den KUNO-Essaypreis 2017 für den Essay Robokratie – Wie Social Bots die Demokratie manipulieren. Lesen Sie hier die Begründung.
→ Poesie ist das identitätsstiftende Element der Kultur, KUNOs poetologische Positionsbestimmung.