Bonn, La Fontana 23.8. a. m.

 

Lieber Wolfgang,

ich unterhalte mich täglich mit Pirandello, er unterhält sich täglich mit mir. Er weiß noch nicht, dass er die Sechs Personen suchen einen Autor schreiben wird. Ich weiß es schon jetzt. Wenn ich mich auf dem Kaiserplatz an einen Tisch mit Blick auf Pirandellos Balkon setze, während Frau Hegner ihren Bücherkarren öffnet, und wenn dann der albanische Kellner das Espressotässchen auf den Tisch stellt, dann tritt Er über mir auf seinen kleinen Balkon, von dem er links zum Münster schaut und rechts zur Kreuzkirche, und schließlich zu mir herab und ruft: „Bongiorno, Signor Damonte, come va?“ Und ich antworte: Bene, bene, multo bene, sono qui in paradiso!“ – „Glauben Sie das wirklich?“ – „Was soll ich machen“, sage ich, „hier sitze ich und kann nicht anders.“ – „Sie Unglücklicher!“, so er. Und ich dachte noch lange nach über seine Sentenz.

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

Weiterführend →

Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.