Lieber Herr Jo,
heute scheint die Sonne nicht, sie steckt in den Wolken eines trüben Himmels – als wäre sie nicht da. Und Pirandello erscheint auch nicht. Wahrscheinlich ist er im Romanischen Seminar, versteckt in der Bücherwelt, wo er seine Heimat findet. Und ich? Allein auf dem Präsentierteller der Stadt, in der Gelateria auf dem Kaiserplatz. Da bin ich mir selbst die Sonne und scheine an meinem Himmel, der meine Welt ist, in der ich lebe, in mir selbst, und indem ich schreibe. „Uno espresso, per favore“, sage ich zum Kellner, „e due palline di gelato al lampone.“ Und nun bin ich in Italien, sagen wir: Girgenti, Sizilien also, da bin ich Pirandello näher … Aber morgen, da sehe ich ihn wieder, und dann scheinen alle Sonnen zusammen, im gleichen Rhythmus, und dann wird es warm, in uns und außer uns.
***
Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021
Weiterführend →
Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.