Die Betriebsruhe der Corona-Zeit hat dem Photographen Peter Truschner etwas ermöglicht, das sonst für einen freischaffenden Künstler so gut wie unmöglich ist: sich eine Auszeit vom Tagesgeschäft zu nehmen und sich ohne Druck einer Sache zu widmen, die untergründig bereits seit einiger Zeit im künstlerische Handeln und Denken wuchert und auf ein Momentum wartet, das ihr ermöglicht, konkrete Gestalt anzunehmen.
Dieses Momentum war für Truschner der Tod von Michel Piccoli, in dessen Folge er sich eingehend mit Jacques Rivettes Film „Die schöne Querulantin“ beschäftigt hat, in der Piccoli den Maler Frenhofer spielt, der mit Hilfe seines von Emmanuelle Béart gespielten Modells sein persönliches Meisterwerk schafft, das er dann jedoch einmauert und vor den Augen der Öffentlichkeit verbirgt. Die Handlung und die dabei verhandelten Fragen zu Problemen der Kunst und des heiklen Verhältnisses von Künstler und Modell stellten für Truschner das Grundgerüst für seinen Buch dar, das bei Klostermann erschienen ist und denselben Titel trägt wie der Essay: „Die Maske abgenommen“. Der Text spannt einen Bogen von der Antike zur gegenwärtigen Augenhöhe zwischen den Geschlechtern, von Virginia Woolf und Virginie Despentes zu Ludwig Wittgenstein und Gerhard Richter.
In einzelnen Kapiteln werden dabei kulturgeschichtliche Aspekte wie: „Schönheit“, „Mann/Frau“, „Zeit und Raum“; geschlechterpolitische wie: „Nacktheit und Scham“, „Die reine und die unreine Frau“ sowie Aspekte des künstlerische Handelns wie: „Das Atelier“, „Das Bild“, „Fotos schießen – Der Aberglaube vom entscheidenden Moment“ abgehandelt. Besonders freut mich, dass sieben Fotos aus meinem neuen Fotobuch „She stood there a Loaded Gun“ darin enthalten sind, die eine Art visuelles Gegenüber des Textes darstellen.
Wir begreifen die Gattung des Essays auf KUNO als eine Versuchsanordnung, undogmatisch, subjektiv, experimentell, ergebnisoffen, daher wünschen wir diesem Buch viele Leser.
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Die Maske abgenommen. Künstler und Modell im 21. Jahrhundert, Essay von Peter Truschner. Klostermann Verlag , Frankfurt am Main 2021
Weiterführend → Lesen Sie auch den Nachruf über Peter Meilchens Lebenswerk und den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im Kunstverein Linz und den Essay zum Buch / Katalog-Projekt 630.