In statu narrandi. Ich gehe träumerisch durch mein Leben, das steht schon in meinem ersten Schulzeugnis. Ich sehe mich in den Dingen gespiegelt. Kein Gott ist so stark wie ich, nicht einmal der Allmächtige. Ich bin der größte anzunehmende Zufall. Ich komponiere im Mund kleine Sinfonien im Schritt meines Gangs. Lieder stoben in die Luft, verhallten ungehört und ungeschrieben in der Ewigkeit des Augenblicks. Ich lebe nach der Art der Dichter. Meine Einbildungen sind gemacht, um in der Welt zu wohnen, die ich mir baue. So wohne ich auf dieser Erde. Es gibt kein anderes Maß als mich. Ich bin meine eigene Maßnahme, ich messe die Welt. Ich ziehe von einer Wohnung in die andere. Ich nehme nicht alle Bilder mit, wenn ich umziehe, ich hänge sie immer wieder anders auf, und ich verschaffe mir neue Bilder. Ich nagle mich an die Wände, ich hänge mich in meinen Zimmern auf und schaue mir beim Betrachten meiner Bilder zu.
Vielleicht habe ich ein Auge zuviel.
Kein Tod ist stärker als meine Stadt, die ich baue. Wenn er durch die Ritzen meiner Tore dringt, werfe ich ihn raus mitsamt dem Müll meiner Angst.
Die Handlung läuft eigentlich schon, aber mancher Leser fragt sich vielleicht: Begann sie denn schon richtig? Ich weiß es auch nicht, ich erzähle ja nur, was ich singen will.
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Gionos Lächeln, ein Fortsetzungsroman von Ulrich Bergmann, KUNO 2022
Vieles bleibt in Gionos Lächeln offen und in der Schwebe, Lücken tun sich auf und Leerstellen, man mag darin einen lyrischen Gestus erkennen. Das Alltägliche wird bei Ulrich Bergmann zum poetischen Ereignis, immer wieder gibt es Passagen, die das Wiederlesen und Nochmallesen lohnen. Poesie ist gerade dann, wenn man sie als Sprache der Wirklichkeit ernst nimmt, kein animistisches, vitalistisches Medium, sondern eine Verlebendigungsmaschine.
Weiterführend →
Eine liebevoll spöttische Einführung zu Gionos Lächeln von Holger Benkel. Er schreib auch zu den Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann einen Rezensionsessay. – Eine Einführung in Schlangegeschichten finden Sie hier.