Leerstellen
Um etwas aufzuhalten, darfst du nicht stehen bleiben, du mußt rennen. Du bist kein Widerstand, wenn du unbewegt verwurzelt am anonymen Ort glaubst, Kräfte zu sammeln, bis dich das Böse erreicht. Lauf mit, immer schritthaltend mit dem Feind, er darf deine Geleitschaft nicht bemerken. Während du läufst, darfst du niemanden und nichts Lebendiges berühren, nicht einmal einen Grashalm am Wegrand. Du überholst, während du verfolgst, deine Ankunft, früher als der Feind blendet, damit er alles verpaßt. Es ist ja nur ein Ausschnitt deines Weges, der sichtbar wird. Es ist ja nur ein Fragment deiner Person, Fragmentchen, das da durch die erzählte und doch aufsuchbare Wirklichkeit gehetzt wird. Diese Ansicht des Fremdbleibenden, bewegt vom fremden Leseblick,- ist es nicht die bedeutendste, die ein Arbeitsleben durchdringende Schicht des Überlebens – in noch nicht zurechtgefundener Geschichte?
Du überholst, während du verfolgst, deine Ankunft, früher als der Feind blendet, blendest Du, damit er alles, alles verpaßt für diese bestimmte Ankunft in einer anderen Zeit, in der sich jetzt Diskurse über Arbeitsbedingungen verfolgen, die sich erschöpfend gejagt hatten.
Wortgebrauch in jener leisen Abscheu, die Menschen mit vordergründig nutzlosen Berufen eigen ist, wenn ihnen Zwecke unterstellt werden, die bisher niemand abgelehnt hatte.
Als etwas Leichtes, wie auf Flügeln sanft unter abendlichen Alleen Gleitendes erschien es mir, das Unterwegssein, jetzt. Es bindet den Ort meines Bleibens an den Moment meiner immer wieder neu entschiedenen Bewegung, so dachte ich. Präsenzbestimmung meines Augenblicks, dieses Augenblicks, in dem ich müde war vom Gehen und Sehen. Und als ich das Wort Frühlicht zur Probe erst einmal für mich aussprach, erschien es mir so quellfrisch und zugleich weit und wohltätig, das Gebende, das ich mir nehmen werde, bald. Wo stößt das Eigene ans Fremde, formulierte ich, und auf die Fremdberührung folgt das entschiedene Greifen, währenddessen ich Maß nehme, ohne genau zu fixieren, ja,die Abstände und die Geschwindigkeiten können sich selten in Harmonie finden.
Die Erinnerungen so dicht, daß jede Geschichte einen Film ergäbe, wo immer sie begänne zu erzählen, viele kleine, geschlossene Geschichten vom eigenen Schicksal und von Schicksalen, eine reiche Verschwörung des Gelebten gegen die Askese des Gewollten, und würde sie jetzt anfangen, zu erzählen, hätte sie Stoff reichlich, Sterbens-und nicht Lebensstoff, bis in kleinste Verfaserungen der Ausschmückung gezähmte und gestählte und fließende wie wissenschenkende Erinnerungen, köstliche Klein-und Großodien der Nähe und Abstoßung, des Hellerwerdens im gewalttätigen Dämmer ineinanderstürzender Nächte, lichtschöne Blässen vager Abtastungen zwischen zärtlichen Tonfolgen des Du-und Ichsagens, aromantisch das alles im Platten, Eindimensionalen des Aufschreibens, nichts hast du erinnert, gewollt nichts, geschichtslos du, die du immer festhalten, fixieren wolltest, was bedeutsam schien nicht allein für dich.
Dabei hast du die Leerstellen zu löschen versucht, die heute wieder da sind, genau das andere, Verkehrt, für anders, falsch und fremdbefunden, das hast du heute schrittweise mitzuschleifen, das genau, als Gegenbild, Überwinderhinterhalt, die Spiegelschrift in deiner Biografie,
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Weiterführend →
Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd