Vierter Schritt. Noch vor dem Sonnenaufgang wachte ich auf. Ich flüchtete mich in den Tag. Da konnte ich besser träumen. Ich musste mich aus dem Griff der Frage befreien, die sich im Schlaf auf mich warf.
Ich traf sie wieder. Am Brunnen von Saint Sulpice. Sie heißt Stella. „Ich habe nicht auf dich gewartet“, sagte sie. „Ich weiß“, sagte ich, „das ist das falsche Wort.“ „Du hast von deinem Weltuntergang geträumt“, sagte sie. Ich hatte ihr den Traum nicht erzählt. Weltuntergang. Also mein Tod. Mein Tod ist der Untergang der Welt. Stellas Tod. „Ja“, sagte ich, „ich begreife das nicht, ich verstehe nur die Logik meiner Wahrheit, die Wahrheit verstehe ich nicht.“ „Weißt du“, sagte sie, „dein Palast ist leer, ein Rohbau, mehr nicht.“ „Ich sah zwei Frauen darin“, sagte ich. „Keine berührte dich“, sagte sie, „die zwei Jungen liefen dir davon“, sagte Stella. „Ich bin allein, ich weiß“, sagte ich, „ich bin allein.“ „Dein Haus hat kein Dach“, sagte sie. „Das einzige Dach, das wir haben, ist der Himmel“, sagte ich. „Du redest dich heraus“, sagte sie, „dein Himmel bricht zusammen.“
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Gionos Lächeln, ein Fortsetzungsroman von Ulrich Bergmann, KUNO 2022
Vieles bleibt in Gionos Lächeln offen und in der Schwebe, Lücken tun sich auf und Leerstellen, man mag darin einen lyrischen Gestus erkennen. Das Alltägliche wird bei Ulrich Bergmann zum poetischen Ereignis, immer wieder gibt es Passagen, die das Wiederlesen und Nochmallesen lohnen. Poesie ist gerade dann, wenn man sie als Sprache der Wirklichkeit ernst nimmt, kein animistisches, vitalistisches Medium, sondern eine Verlebendigungsmaschine.
Weiterführend →
Eine liebevoll spöttische Einführung zu Gionos Lächeln von Holger Benkel. Er schreib auch zu den Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann einen Rezensionsessay. – Eine Einführung in Schlangegeschichten finden Sie hier.