Es fordert die pflichtgemäße Annullierung der vorausgegangenen Aktivitäten. Es ist mit der Aufschrift Selbstentioerter versehen.
Sie hatte es seit Jahren vermieden, sich länger als eine Minute im Spiegel zu betrachten, über die Einzelheiten des Gesichts hinaus etwas Zusammenhängendes oder gar Unverwechselbares in Augenschein zu nehmen. Sie hatte es nicht mehr versucht, seit sie sich beobachtet fühlte.
Daher hatte sie diese Intimität zwischen sich ausgeschaltet, später einfach vergessen, welche Möglichkeiten sie veranlassen könnten, sich wahrzunehmen. Sie hatte eigentlich stets so gehandelt, als sei sie unsichtbar, oder so, als sei ihre Unsichtbarkeit nichts weiter Beachtenswertes.
Sie hatte wohl registriert, dass Andere jede Gelegenheit wahrnehmen, sich zu spiegeln, bei manchen steigerte sich sogar das Interesse am Spiegelbild, wenn sie sich beobachtet wussten.
Durch Zufall fiel ihr einmal auf, dass sie den Spiegel in ihrem Raum viel zu niedrig montiert hatte -sie hatte sich stets geduckt, um sich in aller Kürze zu erfassen.
Schließlich nahm sie sich vor, sich zu spiegeln. Zuerst glaubte sie, jeden zu imitieren, der sich jemals gespiegelt hatte. Dann verwendete sie einen Rückspiegel, .drehte sich mit ihm im Blickkreis des Wandspiegels, durchmaß, was die erinnerte Flächigkeit ihr suggeriert hatte, fand sich zum ersten Mal umgreifbar, empfand auch dann noch Sympathie, nachdem sie sich längst anderen Tätigkeiten gewidmet hatte.
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Delta … als sei ihre Unsichtbarkeit nichts weiter, von Angelika Janz 2022
Angelika Janz erzählt im Delta ganz aus der Innenperspektive und schafft eine leicht verfremdete Atmosphäre. Mit sezierendem Blick und literarisch sehr eigenwillig zeigt sie eine soziale Gemeinschaft und eine Gesellschaft, die sich selbst zersetzen. Über eine zusammenhängende Folge hinweg wird die Geschichte durch die vielen kleinen redundanten Bewußtseinsströme in Offene geführt.
Weiterführend →
Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd