Risse. Mörtel. Eine Wand. Ein Bild. Wimpern. Augen. Davor, ein Blick. Ein weiterer… Einblick: ganz genau dort weiter oder besser doch noch einmal zurückspulen und unter die Zeitlupe nehmen, jene Einzelbildschaltung, präzise das, dann allerdings längst, Vergangene zum wiederholten Male um Schamhaaresbreite abtasten, in der verzögerten Vergrösserung, den schweisstriefenden Porenkratern, jener kollektief bewussten Atemlosigkeit, dem kleinen Tod!?
Jedoch an genau dieser besagten Stelle: der eingefrorene Blick, zentriert im Fadenkreuz der, selbstverständlich subjektiven und teuflisch tosenden, Wahrnehmung. Zuerst, messerscharfe Kanten, welche die allzu neugierigen Fingerkuppen zurückhalten. Die Hände zum Verweilen in die Hosentaschen nötigen, demzufolge die Brennschärfe der Betrachtung erhöhen, sie in das Material eindringen lassen, jene pulsierenden Farbporen-Schichten-Schächte, Kanäle und Nebenwege. Auch interessierte Blicke lügen manchmal, heucheln Sachverstand und lassen den gespeicherten Moder von Theorie-Staub-Schichten vor die Linse rieseln…
Ausschliesslich grundierte Begründungen greifen taumelnd tiefer, verhaspeln sich im Ton, schlingern schlierend ab und finden sich auf dem dunkelsten Fleck des blubbernden Blutrot, auf diesem linken Seitenflügel des durch Stahlverstrebungen zusammenmontierten Tryptichons. Im packenden Widerspruch zur unvermindert starken Neigung sich auf die ausfransenden Ränder zuzubewegen, ins Orangerost hinüberzuwedeln oder sich im Extremfall auf das angedeutete Mausgrau zu retten. Allzu trügerisch glüht der blassrosa Himmel und jene im rostbraun verschwindende Gestalt. Auch sie scheint nur noch der, mit Hammer und Sichel, eingemeisselte Umriss einer geschichtlichen Figur zu sein, welche bereits in eine verklärte Ferne des bewussten Horizonts gerückt und dort den allgemeinen Stillstand dokumentiert, eingereiht in ein illusteres Wachsfigurenkabinett der Homunculi und Doppelgänger.
Es scheint nur so, als tarne sich hier ein Möbel als Bild, als bilde dieser Paravent etwas ab, stelle sich vor oder gar dar, nicht nur Farben verliefen sich auf dieser Fläche, Licht bricht sich unweigerlich auf den Pigmenten und gibt damit dem Ganzen eine Aura von unwiderstehlich saugender Suggestivität in diesem stimmungsschwankenden Übergang zwischen Ahnen und Wissen, nachweisen und aufspüren, der stämmigen Statik der Wörter, abseits einer rational dominierenden Intelligenz.
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Cyberspasz, a real virtuality, Novellen von A. J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim an der Ruhr 2012.
KUNO übernimmt Artikel von Kultura-extra, aus Neue Rheinische Zeitung und aus fixpoetry. Betty Davis sieht darin eine präzise Geschichtsprosa. Margaretha Schnarhelt erkennt hybride Prosa. Enrik Lauer deutet Schopenhauer im Internet. In einem Essay betreibt KUNO dystopische Zukunftsforschung.