Im L@b®atorium

 

An der Schnittstelle der Stile ist Wissbegierde der Motor des Fortschritts. Die globalisierte Wirtschaft lockt mit ewiger Jugend, Wachstum ohne Grenzen und Geld ohne Ende. Wer sie in Frage stellt, hat die Zukunft verpasst. Nach dem Ausscheiden seines Vor–Gesetzten ist Heiner Zelmer klar geworden, dass es nur eine Möglichkeit gibt, sich vor der Maschine zu retten: sie zu benutzen. Er hat den Betrieb völlig umstrukturiert, die Gebissträger in den Frühruhestand geschickt und eine hungrige Gene®ation eingestellt. Dienstleistungskörper, gute Mitarbeiter: leistungsbereit, teamfähig, fachkundig. Sein Team hat Spirit, Commitment, Motivation. Das unterscheidet sie von anderen, die Stimmung in ihrer kleinen Aktiengesellschaft auch. Management by emotions. Was das Unternehmen will, wollen die Mitarbeiter ebenfalls. Negatives Denken ist nicht angesagt, positive Vibrations schwingen durch Das Labor, in dem 23 Menschen leben, dabei arbeiten und alles dafür geben, um die Software des Lebens zu entschlüsseln.

Heiner Zelmer sieht auf den grossformatigen Monitor, der auf seinem Schreibtisch steht. Auf dem Bildschirm vereinen Tabellen und Schaubilder die Arbeit der unterschiedlichen Teams, die in Vancouver, Bangalore und Tôkyô für ihn arbeiten. Als er die grafische Nachbildung seiner über den Globus verstreuten Aktiengesellschaft auf dem Bildschirm betrachtet, schmunzelt er:

»Das ist die Loslösung des Geistes vom Körper.«

Work hard, party hard. Der Spassfaktor ist extrem wichtig. Diese Welt hat den Tod ausgeblendet und das Nichts tabuisiert. Für die Young–Power–Gene®ation ist das Geschäftliche das Geschlechtliche. Sie sind flexibel und leistungsbereit. Beschleunigte Globalisierung, Revolution in der Informationstechnik und der expandierende Kapitalmarkt schreiben die Spielregeln neu. Täglich geht das Team auf die Suche nach der nächsten Goldader. Diese Unternehmergeneration hat den Anspruch, alles zu verändern. Im Gegensatz zu den revolutionären Ansprüchen ihrer Vorgängergeneration, bleibt der Wirkungsgrad nicht auf ihre Region beschränkt. Sie wollen technische, finanzielle und geografische Grenzen überwinden. Ihre Werkzeuge, die Körper auf neue Weise herzustellen, sind die Kommunikations– und Biotechnologien. Diese Werkzeuge verkörpern neue gesellschaftliche Verhältnisse. Die Grundlagen des Lebens sind zum unmittelbaren Gegenstand industrieller Bearbeitung und Bewirtschaftung geworden. Mastermind Zelmer hat die treibende Kraft zielführend ausgemacht: Die Entschlüsselung des Human Genoms wird zum privatwirtschaftlichen Beutezug, die menschliche DNA zur hochspekulativen Aktie.

»Wir sind dabei, die wichtigste Entdeckung seit Kolumbus zu machen. Deshalb fahre ich jeden Morgen gerne zur Arbeit«, bestätigt Rajiv Singh, der 26–jährige Personalchef des Labors, auch wenn er nicht danach befragt wird. Auf der Welle der Biotec–Firmen schwimmen sie ganz oben, das gibt ihnen ein Hochgefühl. Keine Stempeluhr, kein griesgrämiger Chef schreibt ihnen vor, was sie zu tun und zu lassen haben. Sie sind von Mühsal und Entfremdung befreit, die Arbeit wird ihnen im Turbokapitalismus zum ersten Lebensbedürfnis. Neben einem niedrigen Grundgehalt erhält jeder aus dem Team Aktienoptionen. Wechsel auf die Zukunft, den Wert erarbeiten sich die Mitarbeiter selbst und wichtig ist ihnen: Die Arbeit soll Spass machen und nicht spiessig sein.

»Macht, was ihr wollt, aber macht es profitabel!«, ist der Leitgedanke von Heiner Zelmer. Kolleginnen und Kollegen gehören in die Welt der Old Economy. Regeln sind spiessig wie das Arbeitszeitgesetz oder die europäische Bildschirmrichtlinie. Exponiert im Rampenlicht massenmedialer Öffentlichkeit verschwimmen die Grenzen zwischen verantwortungsvoller Forschung und dem Rennen um das Geschäft des Lebens. Aus abhängig Beschäftigten werden unternehmerische Mikrosklaven. Rendite zu erwirtschaften wird zu ihrem ureigensten Interesse. Verantwortung empfinden sie als Befreiung. Es ist weniger eine Arbeit als ein Arbeitserlebnis. Zwischen 9·30 – 20·30 Uhr muss jeder von ihnen im Labor anwesend sein. Manche kommen früher, viele bleiben länger, am Wochenende machen sie nach Bedarf einen oder eineinhalb Tage frei. Das Labor versteht sich als Community, hier arbeiten Freundinnen und Freunde. Freunde brauchen keine Interessenvertreter, sie reden direkt miteinander. Es gibt keine Probleme mehr, nur noch Chancen.

Optische Umsetzung eines Managementkonzepts: flache Hierarchien. Heiner Zelmer und Rajiv Singh sitzen zwischen allen anderen. In der Mittagspause diskutieren die Mitarbeiter gemeinsam die anstehenden Fragen.

»Also dann brauchen wir nur noch intelligente Rechner?«, merkt Sharon Hoog, die Daktylographin. Sie ist wie alle in der Firma: overworked and underfucked.

»Rechenkapazität ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung, um menschlichen Verstand zu besetzen. Sobald Computer die Finesse, den Scharfsinn, die Tiefgründigkeit, den Wissensumfang und die Fähigkeit haben, komplexe Zusammenhänge und Emotionen zu verstehen, werden sie sehr schnell noch sehr viel intelligenter werden als jedes menschliche Wesen. Sie können ihr Wissen problemlos untereinander austauschen, arbeiten wesentlich schneller als das menschliche Hirn und ihr Gedächtnis ist präziser als bei uns«, erläutert Rajiv Singh seinen Standpunkt.

»Die Maschinen übernehmen die Macht?«

»Es geht hier um keine Invasion. All dies entsteht aus der Mitte unserer Zivilisation heraus. Mensch und Maschine werden verschmelzen. Sie werden eins«, schaltet sich Zelmer ein. In der Annäherung an Phänomene der Gentechnologie fühlt er sich in das Mittelalter versetzt, mit seiner alchemistischen Suche nach den Grundsubstanzen der Natur und des Lebens.

»Keine Unterschiede mehr?«, bezweifelt Sharon, dass biomedizinisch möglich ist, was in irgendeiner Form auch erlaubt ist. Sie möchte die Frage aufwerfen, warum ein Staat, der gegen eine starke gesellschaftliche Opposition durchsetzt, dass eine wissenschaftliche oder ökonomische Elite etwas machen darf, obwohl es möglicherweise für das Gemeinwesen höchst schädlich ist, als liberaler, antiautoritärer Staat gilt?

»Wir werden eine ganze Reihe von Kombinationen zwischen Mensch und Maschine haben. Computer werden so klein sein, dass sie innerhalb unseres Körpers und unseres Gehirns existieren können«, ist sich Rajiv Singh sicher. Seine Arbeit verbleibt in einer distanziert kommentierenden Aneignung der Problemstellungen. Er betrachtet kulturelle und soziale Perspektiven zukünftiger Reproduktionstechnologien hinsichtlich sozialer und biologischer Festschreibung von Geschlechtsunterschieden mit besonderem Augenmerk auf ihre biologischen, geschlechtsspezifischen und letztlich rassistischen Argumente hin.

»Wir werden unsere Organe und unseren Geist mit nicht–biologischer Intelligenz aufrüsten und vervollkommnen?«, lässt Sharon, die Karrierekriegerin, nicht locker. Das blondgelockte Wollweib hat Biss, das gefällt dem Boss.

»Kleinst–Computer von der Grösse einer Zelle werden unsere Gehirnfunktion verbessern. Und weil Maschinenintelligenz exponentiell zunimmt, menschliche aber weitgehend gleich bleibt, wird der nicht–biologische Teil unseres Verstands auf Dauer dominieren. Es wird Maschinenwesen gaben, die ganz und gar nicht biologisch sind, aber auf einer genauen Kopie des menschlichen Hirns beruhen. Sie werden absolut menschlich wirken, entsprechende Persönlichkeiten und Reaktionen haben«, führt das Mastermind aus. Megafusionen hält Heiner Zelmer in der Wissensgesellschaft für sinnlos, Veränderungen werden von kleinen Teams bewältigt. Der Wettbewerb unter den Multis kann weder Gerechtigkeit schaffen, noch kann er Verteilungsprobleme lösen. Wichtigster Regulator ist ein funktionierender Wettbewerb. Wo Wettbewerb herrscht, kann niemand Macht ausüben. Sobald Elemente der Macht hineingeraten, wird der Wettbewerb verzerrt. Und deshalb muss Machtzusammenballung verhindern werden. Wenn Märkte offen bleiben, halten sich die Menschen an normative Bindungen, ohne die eine zivilisierte Gesellschaft nicht denkbar ist. Aufgabe des Wettbewerbs ist es, die Fortentwicklung durch positive Zerstörung des Überholten voranzutreiben.

»Das klingt nach dem Ende der Evolution.«

»Die biologische Evolution ist am Ende, aber menschliche Intelligenz wird sich auf der Basis der technologischen Evolution weiterentwickeln. Wir verfügen in unserer Versuchsreihe über Nanobots, kleine Computer, die wir durch den Blutkreislauf in unser Gehirn schicken, wo sie alles abtasten, Synapse für Synapse, Neurotransmitter für Neurotransmitter. Damit sind wir in der Lage, ein menschliches Hirn genau zu kopieren.«

Die Mitarbeiter des Labors setzen zur Neukonstruktion von Leben an, um uns von den Unzulänglichkeiten des biologischen Zufalls befreien. Ein Prozess, dessen Beginn in der Ausprägung von unbekannten Fähigkeiten zur Kommunikation, Erinnerung und Selbstreflexion liegt und in weiterer Folge zur Adaption der Lebensräume, zur Ausnutzung von Rohstoffen, zur chemischen Synthese von Kunststoffen, zur künstlichen Intelligenz der Computer führt.

»Die Kopie des menschlichen Gehirns wird heruntergeladen in einen Computer; wie wird die Kommunikation mit anderen Menschencomputern ablaufen?«, lässt Sharon nicht locker. Sie will punkten, will einen Job, wenn es sein muss, sogar mit ganzem Körpereinsatz, wobei ihr Cremehaut lieber wäre als Runzelfalte.

»Wir werden Milliarden Neuronen ins Hirn schicken, die sich an jedem, von unseren Sinnesorganen herkommenden Nervenstrang festsetzen. Wenn wir Realität erleben wollen, halten die Nanobots still. Für das Erlebnis virtueller Realität unterbrechen sie die Zufuhr realer Reize und setzen künstliche Signale an ihre Stelle«, gibt Mastermind Zelmer das Firmenziel vor. Alle nicken zustimmend. Im Labor vermengen sich positive Vibrations mit der aufgekratzten Hyperaktivität des Spielers. Die Mitarbeiter sind dazu verdammt, an ihr Glück zu glauben, das ist ihre Leidenschaft, dies lässt sie nicht zur Ruhe kommen, treibt sie unaufhaltsam vor sich selbst her. Der überanstrengte Körper setzt Endorphine frei. Wer das High spürt, arbeitet leidenschaftlich bis zur Erschöpfung. Ihm wird nie langweilig. Ständig werden seine Sinne und Gefühle beansprucht.

»Ob wir in der Lage sein werden, tatsächlich einen Erkenntnisgewinn über unsere Natur, über die Frage nach unserer Bestimmung umzumünzen, scheint fraglich…«, zweifelt Rajiv Singh den Wert dieser Arbeit als quasireligiöse Selbsterfüllung an. Nach dem Crash der grossen Ideologien haben Utopien ausgedient. An die Stelle des lesenden Voraussehens ist das Berechnen der Zukunft getreten, und hinter diesem Wechsel der Methode verbirgt sich mehr als eine Kompetenzverlagerung von der einen zur anderen Expertenkaste. Bisher kreiste die Diskussion um die Frage: Bist du gegen die Zukunft oder dafür? Die industrielle Revolution hat sich zwischen den Fronten Links und Rechts abgespielt. Im Jahrhundert der Biotechnologie verändert sich das Spektrum: Auf der einen Seite steht der inhärente Wert des Lebens, auf der anderen der instrumentelle. Es geht nicht um die Wissenschaft selbst, sondern darum, was die Mitarbeiter des Labors mit ihren Ergebnissen anstellen.

Sharon hat ein starkes Empfinden für die Nähe potenzieller Katastrophen. Sie hinterfragt, ob Ökonomie und Ethik überhaupt voneinander zu trennen sind. Sie erinnert sich an ihre Familie in den Südstaaten. Es gab ökonomische Interessen, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Abschaffung der Sklaverei entgegenstanden. Diese Interessen trugen mit dazu bei, dass sich die Vereinigten Staaten in einen fünf Jahre währenden Bürgerkrieg gestürzt haben. Die meisten ihrer Verwandten glaubten, dass die Sklaverei nicht nur für die Sklaven, sondern auch für sie ökonomische Nachteile hatte. Diese Nachteile waren nicht so gross, der Lebensstandard ihrer Sklaven lag höher als der eines freien Arbeiters in einem englischen Bergwerk. Hier lag kein ökonomisches Argument für die Sklaverei. Wenn alle Menschen frei geboren und mit dem Recht ausgestattet sind auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück, dann kann es keine ökonomischen Gründe dafür geben, die Menschenrechte einzuschränken.

»Eine künstliche Natur schaffen?«, regt Sharon an. Gegen die Leitbilder des Genom–Zeitalters lässt sich, ihrer Ansicht nach, nur opponieren, wenn man die transparenten Körperwelten der Wissenschaftler zurückverwandelt in eine rätselhafte Schönheit, der man bereits auf den ersten Blick ansieht, dass sie konstruiert ist, und auch überhaupt keine Umstände macht, diesen Umstand zu kaschieren. Identitäten sind höchst fragile Wesen, die meist auf Zuschreibungen beruhen. Bildgewitter zwischen Technoscience, Körperkult und Rollenklischees. Jeder hat Talent, das Problem besteht darin, herauszufinden, wozu. Sharon lebt selbst in einer Zwischenwelt, im Status der Unsicherheit und des Zweifels und besetzt damit Räume, in welche die Wissenschaft bisher nicht vordringen durfte.

Heiner Zelmer dagegen sieht zwei Wege zum genetischen Zeitalter, den harten, rein reduktionistischen und den weichen, systematischen. Zurzeit verfolgt seine kleine Aktiengesellschaft den harten Weg, etwa indem sie Gentherapie oder gentechnisch manipulierte Lebensmittel forciert. Die Idee ist: Die Natur ist der Gegner, und wir brauchen Gensoldaten, um sie zu bekämpfen. Das High ist tückisch. Es verlässt einen, wenn man allein ist. Und das High ist wählerisch, es grenzt aus. Wer keine positive Stimmung verbreitet, gehört nicht dazu. »…frei entfaltete Identität hat mit dem Selbstverhältnis zur eigenen Biologie zu tun. Das blosse Eigentumsrecht an einer Maschine, die meine Biologie ergänzt, kann nicht ausreichen, um sie als Träger meines Selbstverhältnisses akzeptabel zu machen. An welchem Punkt würde das Ergebnis aufhören, menschlich zu sein?«

»Wir müssen die Evolution verbessern, sofern wir damit gesündere und klügere menschliche Wesen schaffen. Menschliches Leben ist nicht durch Gott geschaffen, sondern entsteht durch einen evolutionären Prozess. Jede technische Kombination, die absichtsvolle Formveränderung erreichen kann, muss als menschlich betrachtet werden. Logische Konsequenz ist ein Terminator–Gen in unserer Keimbahn, das uns dazu zwingt, jede Fortpflanzung neu lizenzieren zu lassen«, weist das Mastermind den Weg. Mit der modernen Biologie sind sie an einem Punkt, wo die Möglichkeiten der Erkenntnis und des Eingriffs tief in den Zellkern hineinreichen, der vorher verpackt war und den man früher nur von aussen betrachten konnte. Früher haben die Menschen die Bibel gelesen und den Lauf der Sterne gedeutet, nun sehen sie in den Zellkern. Es ist eine neue Stufe, wenn man jetzt in den intimen Informationsbestand des biologischen und speziell des menschlichen Lebens hineingreift. Die Menschwerdung ist mit der Befreiung aus dem Naturzusammenhang und mit der technischen Manipulation des Körpers verbunden. Dieses Wissen muss kommuniziert werden. Die Kollegen befinden sich in einem massiven Wettbewerb um die bessere Kommunikation.

Raum und Zeit sind entgrenzt. Es geht Zelmer um die Aktivierung vorhandener Potentiale. Werbung für die absichtsvolle Formveränderung muss nicht in Formaten oder Medien denken, sondern in Aufgaben, die zu lösen sind. Dafür braucht sie intelligente Ideen, die die Menschen wirklich berühren. Konsumstile haben sich fragmentiert. Einst gab es wenige Konsumstile, sauber in Klassen geordnet. Wer reich war, fuhr Benz und rauchte Zigarre. Nun ist das Konsumverhalten total individualisiert. Werbung muss neue Wege finden. Breitband–TV bietet ganz neue Möglichkeiten, den Kunden direkt anzusprechen. Wenn man eine neue Limonade platzieren will, nimmt man einen guten Regisseur und bekannte Schauspieler, investiert 100 Millionen Euro in einen Spielfilm, der läuft kostenlos in sämtlichen Kinos der Welt. Er hat bereits ein Treatment entworfen und lässt es in Handlung übertragen.

„Was passiert, wenn Gemachtheit an die Stelle des Gewordenseins tritt? Wo bleibt Kapitalbesteuerung, ein wirksames Klimaschutzabkommen, die Entschuldung der Drittweltländer? Was wird gegen die Armut getan, für Afrika und gegen Aids, die Kinderprostitution, die Versklavung von Arbeitskräften…“, hinterfragt Sharon, warum sie weiter dem Herrn über Atome, Gene und Künstliche Intelligenzen dienen soll. Morgen geht Gestern nicht weiter. Differenzierungen in Zeiten der globalisierten Wissens– und Netzwerkgesellschaft in regionale Eigenheiten und lokale Tollpatschigkeiten wirken zurück auf das grosse Ganze. Orte und Räume werden als Identität stiftende Alltagserscheinungen theoretisch erfasst, und es erweist sich, dass Raum, Region und Stadt aus dem gesellschaftlichen Alltag verschwinden. Identität ist in Auflösung begriffen. Diese Gene®ation will die Natur nicht so haben, wie sie ist, sondern so gut, wie sie sein könnte. Wenn die Mitarbeiter des Labors Biologie wirklich verstehen wollen, müssen sie sich von der dreidimensionalen Sprache der DNS verabschieden und sich in die eindimensionale Sprache der Proteine bewegen. Wissen verpflichtet. Jede Moderne wirkt am Ende moralisch. Die Qualitäten seiner Mitarbeiter geben Heiner Zelmer bislang Recht:

Die Geistesgeschichte beginnt mit dem ersten Satz der Genesis: „Im Anfang war das Wort.“ – am Ende steht die völlig entschlüsselte DNS–Struktur.

 

 

***

Zombies, Erzählungen von A. J. Weigoni, Edi­tion Das Labor, Mülheim an der Ruhr 2010.

Coverphoto: Anja Roth

Weiterfühend → KUNO übernimmt einen Artikel von Karl Feldkamp aus Neue Rheinische Zeitung und von Jo Weiß von fixpoetry. Enrik Lauer stellt den Band unter Kanonverdacht. Betty Davis sieht darin die Gegenwartslage der Literatur, Margaretha Schnarhelt kennt den Ausgangspunkt und Constanze Schmidt erkennt literarische Polaroids. Holger Benkel beobachtet Kleine Dämonen auf Tour. Ein Essay über Unlust am Leben, Angst vor’m Tod. Für Jesko Hagen bleiben die Untoten lebendig.