Der Baron Bagge

Inmitten der vielfachen Ärgernisse, mit denen die Zeit mich beschenkt, muss ich einer seltenen Freude besonders gedenken. Ihr „Baron Bagge“ ist ein Meisterwerk! Wie hier Traum und Wirklichkeit randlos ineinandergleiten und eine Sphäre visionärer Helligkeit geschaffen ist, eine aus Fieber und erregtem Blut bildnerisch gefärbte Fülle, das ist gerade zu magisch. […] wirklich, Sie haben diese Novelle, diese unvergessbare, im Zustand der Gnade geschrieben.

Stefan Zweig

Das unmerkliche Hineingleiten in den Traumzustand, obwohl vorher ausdrücklich angekündigt, sowie die überraschende Umkehr durch die Enthüllung des Traumzustandes, welche vom Leser am Schluss eine Neuinterpretation des eben Gelesenen erfordert, erheben Baron Bagge zu einem erzählerischen Konstrukt von klassischer dramatischer Handlung. John Cheever hat in seiner 1964 erschienenen Kurzgeschichte Der Schwimmer, 1968 als The Swimmer mit Burt Lancaster verfilmt, eine ähnliche Grundstimmung aufgegriffen. Vom Aufbau her ist der Baron Bagge auch mit der Kurzgeschichte An Occurrence at Owl Creek Bridge von Ambrose Bierce vergleichbar, die im amerikanischen Bürgerkrieg spielt. Marcel Reich-Ranicki lobte Lernets Buch ebenfalls und meinte, es sei eine literarische Leistung, „der in deutscher Literatur dieser Zeit wenig zur Seite zu stellen ist“. Roman Rocek schrieb über den Baron Bagge: „Von den meisten Kritikern als ein Gipfel der Erzählkunst der Jahre zwischen den beiden Weltkriegen gepriesen, ist im „Baron Bagge“ unverkennbar die nüchterne Erzählhaltung Kleists mit einem emotionell stark aufgeladenen Traumgeschehen zu übersinnlicher Realität verschmolzen.“

 

 

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Der Baron Bagge ist eine Novelle von Alexander Lernet-Holenia, die im Jahr 1936 im S. Fischer Verlag erstmals veröffentlicht wurde. Sie gilt als eines der wichtigsten Werke des Autors und als Hauptwerk der phantastischen Literatur in Österreich.

Photo: Ph. Oelwein

Weiterführend

In 2022 widmet sich KUNO der Kunstform Novelle. Diese Gattung lebt von der Schilderung der Realität im Bruchstück. Dieser Ausschnitt verzichtet bewußt auf die Breite des Epischen, es genügten dem Novellisten ein Modell, eine Miniatur oder eine Vignette. Wir gehen davon aus, daß es sich bei dieser literarischen Kunstform um eine kürzere Erzählung in Prosaform handelt, sie hat eine mittlere Länge, was sich darin zeigt, daß sie in einem Zug zu lesen sei. Und schon kommen wir ins Schwimmen. Als Gattung läßt sie sich nur schwer definieren und oft nur ex negativo von anderen Textsorten abgrenzen. KUNO postuliert, daß viele dieser Nebenarbeiten bedeutende Hauptwerke der deutschsprachigen Literatur sind, wir belegen diese mit dem Rückgriff auf die Klassiker dieses Genres und stellen in diesem Jahr alte und neue Texte vor um die Entwicklung der Gattung aufzuhellen.