Die Tage, die Nächte, die Erinnerungen, der Zorn, die Ängste und die Bemühungen sie nicht überhand nehmen zu lassen, des Lebens Wirklichkeit – alles wird zu Sprache, zu Gedichten. Peter Paul Wiplinger schreibt das Leben auf, ohne Metaphern, wie er selber sagt, ohne Abstraktionen, ohne poetisch ästhetische Verzierungen, ‚ungeschönt‘. Es ist wie es ist, lesen wir. Und so wie es ist, schreibt er es nieder. Die Wahrheit ist ein Thema für Philosophen. Ihm geht es um die Wirklichkeit.
Wiplinger ist immer ein politischer Mensch gewesen. Alle, die ihn kennen, hätten sich sehr gewundert, wenn er, der leidenschaftlich Freiheitsliebende, sich nicht zu den Kriegsereignissen in der Ukraine geäußert hätte. Er tut es im ersten Teil des Bandes Schlag auf Schlag, Seite für Seite und mit geballtem Zorn. Dieser gilt nicht nur den ‚Führern‘, nein, alle die gehorsam morden, / die skrupellos den Tod bringen, / sie sind die Kriegsverbrecher, / die Zerstörer jeder Zivilisation. Und dann nachher / wird man wieder sagen / wir haben nicht gewusst / dass das so schlimm war / dass alles zerbombt wurde / dass so viele Menschen / ihr Zuhause verloren.
Erinnerungen aus der fernen Kindheit tauchen auf. Auch damals heulten die Sirenen, und die älteren Brüder waren im Krieg, im Westen der eine, im Osten der andere. Über frühe Verluste schreibt er, und wie oft in Wiplingers Lyrik klingen Worte der Verbundenheit mit seiner Mühlviertler Heimat an. Dann kommt das ganz Eigene, Persönliche, Kreatürliche zur Sprache. Die Wirklichkeit, der Alltag, die Schlaflosigkeit eines schwerkranken Mannes, der nichts verdrängt, der nicht anders kann als hineinhören und hineinschauen in diesen sich verkürzenden Zeitraum. immer wieder tief in sich / den abschied spüren / immer wieder aber auch / der hoffnung fernes licht.
Ob es in diesen Gedichten um den Krieg und seinen Verursacher geht oder um den persönlichen Kampf der eigenen Existenz und den immer wieder möglichen Gewinn eines Glücksmoments, eines Augenblicks der reinen Freude – und sei er auch in der Erinnerung angesiedelt – Wiplingers Gedichte sind authentische, aus der unmittelbaren Gegenwart geschöpfte Verse eines Menschen, der sagt was er sieht und hört und erleidet.
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Einschnitte, Gedichte von Peter Paul Wiplinger. Löcker-Verlag 2021–202
Weiterführend → Lesen Sie auch die Essays Über den Zustand der Liebe in lyrischen Texten und Poetik des Humanen über Peter Paul Wiplinger.
→ Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.