Intermezzo

 

Der Fuß wird schwarz, es trifft dich überall, und wenn du denkst, der Gevatter kommt zur Hintertür herein, täuschst du dich. Wenn du die Fenster schließt, schlägt der kalte Wind gegen das Glas. Aber deinen ärgsten Feind kannst du nicht abwehren. Der Gevatter wohnt überall in deinem Haus. Schnell färbt sich das Bein. Graublau, blaubraun steigt das Grundwasser nach oben. Bald ersäuft das Bein, der Bauch, die Lunge. Dein Herz pumpt matt, die Nieren verdorren …

Der Vorhang. Stella: „Und wie willst du sterben?“ „Ich will keine Reifung zum Tode hin“, sagte ich, „ich will nicht über die Zeit spekulieren, wo ich müde werde aus Überdruss und Schmerzgründen. Ich suche keine Sätze mit einem Punkt am Ende, kein festes Bild der Welt.“ „Chandos, Chandos über alles“, rief Stella, die in meiner Kladde las, „ich erkläre das Leben zu meinem Stück, das ich aufführe.“ „Schall und Rauch“, sagte ich, „das Theater zeigt uns allenfalls die Vergeblichkeit des Sisyphos als Künstler.“ „Nein“, sagte Stella, „es gibt nur eine Möglichkeit, die Welt zu ertragen: Der Idee, wie die Welt sein könnte, eine fragile Gestalt zu geben im Raum der Kunst. Das Theater ist der Versuch, die Idee sichtbar zu machen.“ „Dieser Versuch muss scheitern“, sagte ich, „weil er die Welt braucht, wie sie ist. Die Apotheose aller Vergeblichkeiten ist das Scheitern der Ideen in der Welt – oder das Scheitern der Welt im Theater der Ideen.“ „Alles nur Deutung …“, erwiderte Stella lächelnd.

Kladde: „Ich verrenne mich. Stella hat Recht. Meine Träume widerlegen mich.“

 

 

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Gionos Lächeln, ein Fortsetzungsroman von Ulrich Bergmann, KUNO 2022

Vieles bleibt in Gionos Lächeln offen und in der Schwebe, Lücken tun sich auf und Leerstellen, man mag darin einen lyrischen Gestus erkennen. Das Alltägliche wird bei Ulrich Bergmann zum poetischen Ereignis, immer wieder gibt es Passagen, die das Wiederlesen und Nochmallesen lohnen. Poesie ist gerade dann, wenn man sie als Sprache der Wirklichkeit ernst nimmt, kein animistisches, vitalistisches Medium, sondern eine Verlebendigungsmaschine.

Weiterführend →

Eine liebevoll spöttische Einführung zu Gionos Lächeln von Holger Benkel. Er schreib auch zu den Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann einen Rezensionsessay. – Eine Einführung in Schlangegeschichten finden Sie hier.