Harald Gröhler … Flüchtig vorgestellt anhand einer Reihe von Büchern

 

Wir hatten wenig; sehr wenig. Beinah hatten wir nichts. Das mache ich keinem zum Vorwurf; es sah eben nicht anders aus. Unlängst war grade ein Krieg gewesen. Dies die steilen Auftaktzeilen des spannungsgeladnen Klartextbuchs Kleppermühle. Und weshalb denk ich jetzt, um 9 Uhr 23 am 27. Juli 2022, zurück an den Morgen des 20. März, als ich Rolladen hochzog, frischen Schnee sah? Längst nicht bloß Schnee sah ich : Die weißgesprenkelte (meisendurchschwirrte) Wiese strotzte vor gelben, lila, violetten, weißen Krokussen, leisen Osterglocken, Schneeglöckchen, ersten Veilchen, Windröschen, Sumpfdotterblumen und – vielen, vielen Herbstzeitlosen, die wiederum zu einer Fußnote in einem längst geschriebnen Essay führten –– weswegen denn nun, tja, ganz einfach : nicht um des Reimes, sondern um Harald Gröhlers willen, an dessen Büchern ich einen Narren gefressen hab. * (Es kann sein, dass die Redewendung sich von den Hofnarren früherer Zeiten herleitet. Diese standen weit oben in der Gunst der Herrscher und konnten sich – nicht in Leipzig bloß – allerlei erlauben …)

Einen Narren gefressen, seit ich, es war 1984, Gröhlers ersten Roman Rot las, der mich als Leser gleichsam im S·c·h·n·e·e·s·t·u·r·m eroberte. Und das war ––– das wurde nach 5, 50, 100, 150, 200 und mehr Seiten klar und klarer : Das war eben kein Sturm im Wasserglas. O nein. O nein. Ich las das Buch flott und flugs zweimal hintereinander : Klütsch und Tetzner – der vierzigjährige Tetzner, obwohl er graduierter Ingenieur war – erschienen mit einem Leiterwägelchen auf dem winterlich-vorweihnachtlichen, eisekalten Flohmarkt an Groß Sankt Martin. (2021 ein drittes und keineswegs letztes Mal.) Und, ja, beim ersten Mal flugs, flott, beim zweiten Mal jedoch mit Blatt und Bleistift, ich machte Notizen, Notizen, Notizen (die dummerweise verschwunden sind, einfach weg sind die …), merkte auch durchaus Kritisches an und war sehr und mehr : begeistert. Begeistert von einer pulsierend lebendigen Sprache, wie ich sie in dieser Art zuvor noch nicht gelesen hatte. Und hernach – das darf ich bald 40 Jahre später bedachtsam-stoisch in den Raum stellen – auch nicht. Was brächte es, zu versuchen, diese süchtig machende Sprache zu bekritzeln, zu beschreiben? Ich versuche das ja trotzdem immer mal wieder – wider das beßre Wissen, daß das ja nichts bringt. Rein – gar – nichts. (Lesen : Das bringt was.)

Die Novelle – WeihnachtsnovelleTetzner ist gleichsam eine Erweitrung des Romans Rot, in der Frank Tetzner zu neuem, frischem Leben erweckt wird, erneut den männlichen Hauptdarsteller mimt – Hauptdarsteller, nun denn, vielleicht, ja, aber eher kein ›Held‹ … auch wenn’s oft (meistens …) turbulent wird, wenn Tetzner auftaucht. So richtig gelingen tut ihm wenig. Vielleicht macht ja gerade das besondren Eindruck auf die Fraun, mit denen er immer wieder freiwillig-unfreiwillig Bekanntschaft macht, die sich von ihm kitzeln lassen, so auch hier nach einem Deal, der nicht zum Abschluß kommt. Typisch irgendwie, daß es sich auch noch um Frauen zweifelhaften Rufs handelt (was immer das bedeuten mag …), von denen es in Köln – auch in der Vorweihnachtszeit – immer schon gar nicht so wenige gegeben hat, angefangen mit der fetzigen Agrippina, ohne die es Köln ja möglicherweise gar nicht gäbe. Jedenfalls nicht so, wie ›man‹ es halt kennt. Und so, wie ich es zu kennen glaubte, kommt Köln auch nicht in diesen Kölnbüchern daher. Irgendwie ganz anders geht es da zu, unberechenbarer eben – so ganz ohne Kölnisch Wasser, Dom und Fußball … Und gerade das ist ja (auch) so : gut … (Wobei : Geklüngelt wird reichlich …)

 

Astreines Alibi … oder ist es eher doch ein bloß fast reines Alibi? Wer das nun herausfinden will, der wird kaum umhin können, diesen rasanten Roman zu lesen, der zwar als ›Kriminalroman‹ etikettiert ist, aber wohl doch eher dem Genre ›Roman‹ zuzurechnen ist. Sicher, sicher, es gibt eine Leiche, es gibt Verdächtige, es gibt ermittelnde Kriminalbeamte, ja, ich finde alle Zutaten vor, die einen Kriminalroman ausmachen. Aber dann ist Astreines Alibi doch auch wieder ganz Roman, der durch eine Sprache besticht, die selbst dann noch leuchtet, wenn’s rundherum längst zappenduster ist. In, wo es zwingend notwendig ist, düstren Bildern wird gleichsam ›unfaßbares‹ Halbweltmilieu (Miljöh …) mit schroffen Tönen geschildert (von wegen sprachlich abgemildert : Speziell dort geht in Köln – ›unjefildert‹ – die Post ab, insbesondre in der Halb- oder Unterwelt, da kennt Köbes, kennt Schäng, kennt Tünn kein Erbarmen …), hier wildert Anja, die wir aus Rot ja gut schon kennen (klar : um einiges jünger) ungefragt in Revieren, in denen man sie mitnichten jagen sehen will. Und Tetzner, Titelgeber für eine Weihnachtsnovelle, den kennen wir ja ebenfalls gut aus dem Roman Rot. * Dieser … Tetzner … Fetzner … Ketzner … Setzner, der sich eben über manches hinwegsetzt, über vieles hinwegfetzt, um Ziele dann doch nicht zu erreichen. Ein Moralist ist dieser Mann, dieser Mensch, dieses Unikum jedenfalls nicht. Überhaupt nicht. Man frage Anja Wild … (Um Mißverständnissen vorzubeugen : Ich schätze Moralisten gar nicht, da zieh ich neunundneunzig Mal und öfter die Tetzners und Ketzners dieser Welt vor.) Doch zurück zur Sprache – und um die geht es doch in erster Linie beim literarischen Lesen. Inhalt, Stoff, Handlung, Spannung : alles gut, schön, wichtig, sehr wichtig sogar (und : notwendig, wie man hört …), aber hier haben wir’s mit Literatur zu tun, und in der Literatur spielt nun mal die Sprache die erste Geige. * Und zwar die allererste : Ja, in Astreines Alibi wird dem Volk sehr genau aufs Maul geschaut, hier wird jesproche, wie man eben spricht im kölnischen Kölle (köstlich die dia-/idio-/soziolektalen Einschübe immer wieder), da hat der Knühles von Kommissar vill Brassel (und wenig Massel …) bei der Findung des Täters – der Täterin? (Wobei hier vom Gendern zum Glück gar nichts gehalten wird, ach, dieses Gendern, man könnt sich kaputtlachen, wenn’s nicht so nervig wär, aber das ist ja wieder eine ganz andere Geschichte, kriminell auch, sicher, aber gehört irgendwie nicht hierher.)

Eins ist, wenn ich an die Lektüre des Buchs Geschichten mit Kindern und ohne zurückdenke, klar wie, tja, Kloßbrühe : In diesen Geschichten tauchen, echt, Kinder auf – oder eben auch nicht. (Echt jetzt?) Im Gegensatz zu etlichen anderen Büchern Harald Gröhlers erinnere ich mich … an weitres … nicht. (Schneit es mal?) Wird der Autor mir das nachsehn? Die Lektüre liegt, immerhin, m-i-n-d-e-s-t-e-n-s fünfunddreißig Jahre zurück … Also, was soll ich machen? Ganz einfach : wiederlesen. Gleich zu Beginn der ersten der Geschichten mit Kindern und ohne dieses schöne Bild : Hoho; läuft da ein neunzehnjähriges Mädchen — und im Vorbeigehen kitzelt die den Säugling einfach an den Söhlchen. Nach einiger Zeit, einigen Sekunden dreht sich der Säugling herum und fängt zu strahlen an. So lang hat das also gedauert – bis es von den Söhlchen das ganze Zentralnervensystem entlanggekillert ist! Im Grunde – in der Tiefenstruktur dieser Zeilen nämlich – ist, man schenke mir Glauben, schon der ganze Gröhler – Sound, Stil, Denkungs-, Schreibart, erzählerischer Elan – da, gegenwärtig, vorhanden. (Ich mag das nicht weiter erläutern, sprechen die Zeilen, die Wörter schließlich doch : für sich …)

Das Gedichtbuch Das verdoppelte Diesseits (schreib ich 1991) liegt seit Tagen auf den verschiedensten Tischen herum. Ich habe es zweimal durchgelesen, dabei viele Lesezeichen hineingelegt. Heute morgen will ich es mir mal wieder greifen (das Wort Rauruncula klingt nach und will in den Gedichtzusammenhang gesetzt werden), jedoch – es liegt nicht an der Stelle, wo ich glaubte, es zuletzt zurückgelassen zu haben. Ich mache mich auf die Suche : Auf dem Schreibtisch im Arbeitszimmer liegt es nicht, auf dem Küchentisch auch nicht … Da macht mich das Lachen von Mrs Columbo neugierig : Sie liegt noch im Bett und … liest in dem blauen Büchlein. Und lacht erneut, murmelt etwas vor sich hin, das nach Kannitverstan klingt. Sie blättert um – und sieht mich im Türrahmen stehn. »Hör mal zu« (sie spontan), und ich höre : »Im Regen. / Ich zertrete / hauslose Schnecken. / Ich überhole / eine Greisin, / die singt. / Oder : … stand / unsicher und sinnlich da. / Du / warst noch weiter der schmale, / schüchterne Mann, / lieblich. / Du siehst aus wie eine Prinzessin / sagt sie / zu dem Mann.« Harald Gröhlers Gedichte sind gut. Kleine Blitze. (Drum habe ich mir im Lauf der Jahre, schreib ich nun wieder 2022, fast alle Gedichtbücher Harald Gröhlers angeschafft, so auch den exzeptionellen Band Die Ville. Ein Gedicht und seine Reise von 1956 bis 1996, 1996 im Weilerswister Verlag Landpresse publiziert als Künstlerbuch mit Bildern von Ekkehard Drefke. Die Ville also, ein Gedicht, von dem es 19 Fassungen gibt, neunzehn, eine eigenständiger als die andre, nicht zu fassen … : und der Dorfdepp bringt Bier, / schaumloses Bier …) Das verdoppelte Diesseits ist, das jetzt wieder 1991, voll Anmut, voll von (oft winzig unscheinbaren) → → Überraschungen, sinnlich, geheimnisvoll, akzentuiert und irgendwie wunderbar wibbelig witzig. Gröhlers Gedichte erschließen sich mir längst nicht nur über den Kopf. (Ach nein?) Diese wahnsinnig → treffend gesetzten Verse wirken federleicht, lederweich (dabei knallhart) montiert, hingeworfne Skizzen. Beim Wieder- und Wiederlesen tun sich mir Gründe, ja, Abgründe auf, Verbindungen, Verflechtungen, Verknüpfungen, ganz zart bloß angedeutet. Alles wird in diesem poetischen Tiegel verwandelt, ›Begebnisse‹ in lyrische (auch : antilyrische) Sprache geformt. Am Ende angekommen, fang ich gleich von vorn wieder an. Bedeutsam : der beiläufig aufkrauchende Reim, die immer wieder einmontierte Elision, Wörter (Wortschöpfungen) wie breitschauflig, jammrig, lärmig, maulig, scheißig, der elliptische, aufs Notwendigste eingedampfte Satz in den Erzählgedichten – und : manches, manches mehr …

1997 schreib ich : Wie bewußt, wie schöpferisch ein Autor mit ureignem Lyrikschaffen umzugehn versteht, zeigt Gröhler im (fein japa­nisch gebundenen) Ge­dichtbuch Das Mineral der Romantiker, ei­nem weitren ›echten‹ Gröhler im doppelten (verdop­pelten?) Sinne des Wor­tes … Die Lektüre dieser die Magie alltäglicher Be­gegnungen einfan­genden Gedichte erscheint mir wie eine Reise zurück in frühere Bü­cher wie Rot, Geschichten mit Kin­dern und ohne, Tetzner oder Das verdoppelte Diesseits, in denen Harald Gröhler ja längst bewiesen hat, daß er ein außer­ordentlich origi­neller, eigenwilliger Sti­list ist, ein Dichter, der zwar seine Spra­che längst gefunden hat, sie aber im vorlie­genden Band gleich­sam neu entdeckt : 15 Gedichte und ihr Ur­sprungstext heißt es im Unter­titel des Buchs, in dem die kapriziöse, fas­zi­nierend le­bendige, poin­tierte Art Gröhlers Seite für Seite auf­blitzt : Axel Kutsch (der in der von ihm bis 1997 besorgten lyrischen Reihe der Landpresse Die Ville ediert hat) meinte einmal, es sei doch jam­merschade, daß (der in den frühen 1990ern von Köln nach Berlin über­ge­siedelte) Harald Gröhler keinem breiteren Publikum be­kannt sei. Nun hat er ein Gedichtbuch bei der Cor­vinus Presse ge­landet (ich darf mich rühmen, Ver­leger und Autor zu­sammengebracht zu haben), und es werden wohl einige hundert neue Leser auf­merksam werden auf einen Autor, dessen sehr be­wußt (frei­rhyth­misch) gesetzte, dennoch montage- und skizzen­haft leicht wirkende Verse, die, je mehr es aufs Ende zugeht, geheimnisvoller, mysteriöser, numinoser, rätselhafter, schleierhafter wirken, voller unscheinbarer Überraschun­gen, sinn­licher Sugge­stio­nen stecken :

Auf der Straße

 

Die zwei Personen,

die hier näher kommen

in Fußgängerhöhe. Und was

mit ihnen? Die

verstehen

sich so gut, vierzig Jahre sind sie sicher alt;

der Mann plump,

kein Routinier und

nichts Feines,

so sind sie wohl niemals

verheiratet miteinander – warum schwitze ich nun,

und der Eilige sieht das?

Dieser

geht in der Gasse,

(auf dem Gesicht). Stumme Botschaften,

ich geh auf der Straße. Nur manchmal

vermut ich etwas

oberhalb des Pflasters.

Quadratisch, faktisch, gut ist Harald Gröhlers Novelle auf Goethe, die den hübschen Titel Ausfahrten mit der Chaise trägt, auf jeden Fall und ohne den geringsten –– Zweifel. Quadratisch : Ja, das sieht man schon mit bloßem Auge; faktisch, das erfährt man dann beim Lesen (wie jetzt???); gut, nun gut, das ist leicht gesagt und führt nicht selten zu Disputen zwischen Leuten, die glauben, es besser zu wissen als die andren. Aber, bitte, jetzt nicht wieder satirisch lästern, wie es auch gleich zu Beginn des Büchleins heißt … Überhaupt : Es wird viel zu viel palavert in der Welt der Literatur. Lesen findet im deutschen Sprachraum quasi (auch so ein Wort, das ich des öftren bei Gröhler lese) unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Aber sei’n wir nicht jammrig, gucken statt dessen, was wir (wir, wieso wir : Sind wir denn hier auf der Krankenstation?) noch nicht von Gröhler gelesen haben : Wortheimat (2010 erschienen), Mitlesebuch 122 (2015), Niemals sterben. Ewig leben (2016) … Ja, ewig leben und lesen, weiterlesen, wiederlesen, die Wörter aufjaulen lassen …

Hochspannend die einfache Frage Wer war Klaus Störtebeker?, die Harald Gröhlers 2002 er­schie­nener Spurensuche den Titel gibt. * Welcher Leser wollte da widerstehn? Der seit Jahren im Osten Berlins lebende Gröhler wäre nicht Gröh­ler, wenn er nicht mehr als eine bloß historische Erzählung abliefern würde. Nein – dramaturgisch, ironisch, linguistisch, psy­chologisch, raffiniert, wit­zig, zugespitzt fact and fiction verbindend bzw. gegeneinander ausspie­lend, steuert der Autor durch die unheilvollsten Untiefen, an Riffen vorbei und prä­sen­tiert uns schließlich den Kopf unterm Arm. (Die wunder:toll widerborstigen Wortfügungen sprühn nachgerade vor florierender Frische.) Dieses Buch ist nach Aus­fahr­ten mit der Chaise ein weitrer Beweis ist für Lust an gründlicher – minuziöser – Re­cher­che sowie literarische Originalität dieses urigen, vitalen, wuseligen Literaturmenschen mit dem sausundbrausgeprägten Stil, den ich als einer der happy few seit dem Großstadtroman Rot : liebe.

Während der mich hierhin und dorthin und wieder zurück zerrenden Lektüre von Kleppermühle erfahre ich von einem »Herrn Gehlen«, der einst (klar : vergeblich) um die Gunst von Ben Gölers Mutter warb – und Göler später für den BND, ja, anwerben wollte (was dieser, seiner musischen Natur gemäß, rundweg ab-, zurückwies). War das tatsächlich also ›der‹ Reinhard Gehlen, der 1956 (meinem Geburtsjahr, Frechheit …) den BND institutionalisierte, 12 Jahre lang leitete? Er war es, prächtig. Und so kommt ein Gröhlerbuch zum andren, denn geschwind bestell ich Inside Intelligence, auf das ich nun doch mächtig zapplig neugierig bin, ich schwitze auf mühenden Sohlen. Ja, Buch da : Ich rase, renne, rotiere (Peer Quer steht Schmiere), bin zackzack auf Seite 79 : Mit den Kaffeebohnen kauften die Mitarbeiter – oft genug auf schnurgeradem Wege und ohne den Umweg, den unnützen, über das Geld – Nylons ein, nie gekannt dünne Strümpfe, und todschicke Doppeldinger in meist zutreffender Größe, die den hausbackenen Namen Büstenhalter hatten […] und manchmal auch wieder Bohnenkaffee, und wieso sie das nun taten, wussten sie gar nicht zu sagen. 

Famos, denk ich (immer noch über diesen gewitzten, verschmitzten Inside-Intelligence-Gröhler griemelnd, grinsend, glucksend, vor allem gegen Ende mich öfters verschlucksend), ge—ni—al : ein literarisches, drum sehr ernstzunehmendes Buch über eine schwer ernstzunehmende Institution, die Unsummen verschlingt –– wofür? Für … nix. So? Manches ist möglich in Mitteleuropa. Harald Gröhler, z. B., im damals deutsch-schlesischen Hirschberg, heute polnischen Jelenia Góra geboren, könnt also auch polnischer Schriftsteller sein, wär er nicht 1945 mit Mutter, Geschwistern (Vater kam später) ins Frankenland abgehauen. Daß es mit dem Erzählband Eine Selbstmörderin / Samobójczyni nun ein deutsch-polnisches Buch von ihm gibt, das ist, also, ja, das ist total stimmig, zweistimmig sogar, um genau zu sein, das ist einfach gänzlich g-u-t. Der Titel klingt weniger gut – obwohl’s ein sehr guter Titel ist. Mal schaun. Mal sehn. Mal : lesen. Weiter geschmökert. Irre geht es zu in den Geschichten. Irre. Im besten Sinne macht mich das Lesen – kirre : Mich bringt [nicht bloß] Ferdy auf Trab. In diesen geradezu absurd komplexen Schwirrgärten kann man hoffen, sich so sehr zu verlieren, dass man s·i·c·h endlich : findet. (Und nicht ver—schwindet.)

Ich denke, träumend, den : Wurzeltraum (keine Leier ohne Meier), träum vom Seelöwen, dessen blaublauer Schnurrbart Pflanzen küßt, träum von der noch unbewegten Brandung der düstren Nacht, von blaugrauen, schwarzen L-o-k-o-:motiven (nichts als Schwarzprahlerei), von Pachakuti, letztem Großkönig der Inka, von der Vogelpackung mit Krähen angefüllt, vom kyrillischen Wandsturm, vom blaugrünen Blut und wildtätigen Baumtänzer, vom Bandwurm auf dem Balkon in Las Vegas, und ich denk, die Gegenwart ist bloß ein Blatt des Baums, an de­m, huch, Harald Gröhler – wie so oft in Eile, im Mantel – vorbeirast und mir, rückblickend, zuruft : »Eine solche Reaktion – so in dieser Weise eben ausgedrückt – wiegt tausend tote Stunden auf!« Und dabei kann er die Reaktion ja noch gar nicht kennen. Hier also ist sie : Ich habe soeben den Erzählband In Eile, im Mantel gelesen, bin … bin … bin – begeistert : ganz der alte – jungejunge – Gröhler. Das sind fabelhafte, böse »Stories« (in denen Ereignisse defheftig sich überschlagen) : Bis in die Verästelungen hinein ›erkenne‹ ich wieder den Gröhlerschen Baum (ein Baum, / der noch Blätter hat / und, grün sind die, les ich, ungelogen, nein, hier wird nichts, rein gar nichts verbogen usw., Sekunden, nachdem ich »Baum« schrieb – und den Rest des Satzes, bis auf diesen Einschub hier, Wort für Wort für Wort im Kopf hatte –, im Gedicht Was ich im November machte, das auf Seite 28 in Frischer Schnee steht – denn eins ist ja klar wohl, daß ich nämlich die Bücher Harald Gröhlers in diesen Tagen hier nun alle um mich herum versammelt hab, dieweil ich darüber schreibe …), den struppigen Gröhlerbaum also, den ich, Blatt um Blatt von ihm herunterpflückend, seit den neunzehnhundertachtzi­ger Jahren immer wieder besteig, bis ich hinter dem einzigen grünen Baum / für ihn unsichtbar werde. Und ›bestiegen‹ wird ordentlich in diesen fiesen Geschichten, diesen neuen Stories, – oder eben auch nicht. Der Auftakt mit der Erzählung Leute, was sich so ändert! ist ja doch vergleichsweise harmlos : Eine Woche, bevor der Syrer mit seiner frisch gewaschenen Bettwäsche das Trara veranlasste, musste ich schon eine Menge umlernen. Da ging es los. Als ich mit der Frau Hertel einen Haarschneidetermin vereinbarte, kapierte ich danach bald mehr. Aber dann, aber dann geht doch schnell schon die Post ab … Hach, diese flott schwingende, pfiffig klingende, frech mit Wörtern umspringende Sprache * – ob in Roman, Geschicht, ob im Essay, Gedicht (wiederhole mich gern) : Ich – liebe – sie. Ja, dieser Spracherneuerer Harald Gröhler – ich wünsch ihm leuchtfröhliche Flummitraumweiten. (Und noch mal : und so weiter …)

 

Der Sprung durch den Teich – ein feiner Titel. Der Untertitel läßt mich erst mal stutzen : Die Metaphysik der Gedichte … Läßt hier wohl Giorgio de Chirico grüßen? Dessen … Pittura Metafisica? (Auf diese spiele ich auch in einem meiner Gedichte an : ein ungeschehner augenblick. Das aber bloß am Rande.) Bereits der Oberstufenschüler Harald Gröhler war von der Malerei begeistert, die de Chirico ab Ende 1909 entwickelte (sich so vollends befreiend von Vorbildern wie Arnold Böcklin und Max Klinger). Malerei als Möglichkeit der Erinnerung, als indirekte Erzählung persönlicher Erfahrung. Nicht sichtbare Welt wollte de Chirico darstellen, sondern Ungewöhnliches, Rätselhaftes, so noch nicht Gesehnes. Ungewöhnliches, Rätselhaftes, so noch nicht Gelesnes darklarwahrstellen, Sinn, Zweck allen Seins und Scheins auf den Grund gehn (auf den Mund sehn) – tun das nicht die auch immer wieder surrealistisch angehauchten, schwungvoll geschriebnen Gedichte Harald Gröhlers? Sie tun es, sie tun es, das kann ich hier locker versichern – und es ist schwarz vor Dunkelheit. /// Ein Feuer noch brennen lassen …

Das Wort Feuer spielt auch eine Rolle in einem Gedicht, das ich in der 2022 von Axel Kutsch herausgegebnen Lyrikanthologie Versnetze_15 · Deutschsprachige Lyrik der Gegenwart lese : Sonne / Feuer, kalte Quellen, in die er doch hineinfasst; was mich nach dem Sprung durch den Teich kurz auftauchen läßt, um gleich in diese andere Art Gedichtbuch einzutauchen. Ohne die Versammlung von Gedichten zeitgenössischer Autoren in umfangreichen Büchern wie Jahrbuch der Lyrik (in dem Harald Gröhler 2022 erstmals vertreten ist) oder Versnetze wäre es dem an zumindest exemplarisch umfassendem Überblick interessierten Leser nur schwer möglich, diesen zu gewinnen. So mancher Stimme, die mich unmittelbar ansprach, bin ich zunächst in einer Lyrikanthologie begegnet, um sogleich das eine oder andere Gedichtbuch dieses Autors zu bestellen. Das sind die glücklichen Momente beim Lesen dieser Art Buch – durchaus mit der ›Liebe auf den ersten Blick‹ vergleichbar : dank eines einzigen Gedichts einen Autor für sich zu entdecken, dessen Versen man hier zum erstenmal begegnet und von dem man im Anschluß viel, viel mehr lesen will … Seit Jahrzehnten gehört die Stimme Harald Gröhlers zu denen, die regelmäßig in Versnetze (sowie deren Vorläufern in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts) zu vernehmen sind. Der aus Gröhlers Gedichten klingende Ton verhilft dem vielstimmigen Chor, den Herausgeber Kutsch akzentuiert auswählt und akribisch arrangiert, zu der Originalität, die ihm von berufner Seite nachgesagt wird : So betont etwa Crauss wiederholt, daß versnetze eine der wichtigsten sammlungen deutschsprachiger poesie ist, vor allem, weil sie einmal nicht davon ausgeht, dass berlin der dreh und nabel von allem ist.

 

Kleppermühle ––––– ein Roman? Oder, etwa, frag ich mich, ganz auf die Schnelle, eine Novelle (wie wir sie auch schon von Harald Gröhler kennen)? Da hak ich doch lieber und vorsichtshalber mal beim Autor nach, der, wie es seine gute Art ist, ausführlich antwortet : Das Buch ist, wie der Untertitel bereits sagt, ein Bericht. (Aber irgendwie auch eine Roman, gar eine Novelle – mit unerhörtem Ereignis –, denk ich, und weise mich sogleich zurecht : Häng dich doch nicht an blöde Begriffe.) Meine Mutter war mit uns Kindern 1945 nach Schönwald in Nordbayern gekommen, und ich bringe verblüffende Augenblicke aus fünf Generationen der Familie Arnim-Borch-Uslar. Diese Familie lebte seit fünf Generationen hier. Ein Arno Arnim hatte eines der großen zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands kaufen können, das schildere ich kurz. Das Waldgebiet zieht sich bei Schönwald hin. Arnim erwarb den Wald 1872 von sächsischen Spekulanten aus Plauen. Die hatten aber seit 1871 gewaltige Flächen binnen anderthalb Jahren abgeholzt, sie besaßen ein damals hochmodernes Dampfsägewerk. Der Arnim forstete nun die Kahlschläge alle wieder auf, er hing an diesem Wald, er war ein früher Öko-Mann. In den Wäldern liegt auch die Kleppermühle. Na, ich will künftigem Leser die Spannung nicht nehmen, verzichte auf weitre Ausführungen zum Plot des im Dezember 2021 publizierten Buchs, von dessen Erscheinen ich allerdings erst im Juli 2022 erfahre. Kein olles, neinnein, ein d-o-l-l-e-s Umschlagbild ist das mit diesem überwucherten uralten Bruchsteinhaus … gleichsam : p-h-a-n-t-a-s-t-i-s-c-h. Und dann der Titel : Kleppermühle. Das Wort lasse ich mir mehrfach auf der Zunge zergehen : Kleppermühle. Klep-per-müh-le. Ein Buch, das den Titel Kleppermühle trägt, ja, ein solches Buch will ich lesen, zumal von Harald Gröhler geschrieben, dessen mundgerecht durchgearbeiteter idiosynkratischer – stimmiger – Sprache (Duktus / Kollokation / Phraseologie / Prosodie / Sound / Stil / Syntax / Wortwahl / …) mit diesen fortwährend faszinierend feinen Verrückungen ich förmlich (fürwahr …) verfallen bin. Ja, ich räum’s freimütig ein, ich bin abermals : b-e-g-e-i-s-t-e-r-t; und wer das anhand des hier zitierten Absätzchens womöglich nicht nachvollziehen will, der möge tun, was ich so lang schon im literarischen Kontext empfehle : das springmauslebendige Buch – ganz einfach – in Gänze lesen. *

Ich war dann, so in den fünfziger Jahren, in einer Jungengruppe, die sich im Wandervogel-Verband locker organisiert hatte. Und da fiel mir die Rolle zu oder es war auch meine eigne Idee, die leerstehende Kleppermühle als unseren Gruppen-Treffpunkt zu erbitten, vom Freiherrn Alhard, der mittlerweile die Wälder von seinem Papa geerbt hatte. Der Alhard, der meine Familie und von dieser vor allem die Ellen flüchtig kannte, verschloss sich nicht meinen Bitten. Zum Nulltarif gemietet, so kriegte ich mit siebzehn Jahren die Verfügungsgewalt über die Mühle.

Schwer bloß kann ich loslassen vom be-be:rauschend wirkenden Kleppermühlenbuch, in dem es bisweilen ganz schön scheppert : Als der Icherzähler das vierstündige – allerallerheftigste – andorranische (!) Gewitter schildert, wird mir angst, ja, bange. Eben bittet mich Enkelin Katharina, die demnächst eingeschult wird, ins Freundebuch zu schreiben. Unter Lieblingsbuch schreib ich nach nur kurzem Überlegen : Harald Gröhler, Kleppermühle. (Kein Käu, echt wahr!)

Jetzt aber: Dichter! Dichter! Der Titel (ein Zitat) ist ironisch, gar sarkastisch zu verstehn, keine Frage. Und das wird, in der Tat, schnell schon klar, hat man einmal angefangen zu lesen. Ja, die Schriftsteller können schon ganz schöne Heinis sein, begegnet man ihnen persönlich. Harald Gröhler schildert herb, scharf, unverblümt, wie er ihnen begegnete, diesen Heinis … Wobei, Heinrich Böll war ja eher kein Heini. (Der war eher ein : Feini.) Auf Seite 26 – im Kapitel »Rolf Dieter Brinkmann« werden Augenlider so richtig heftig hoch:g-e-r-i-s-s-e-n : Auch einen Theo Breuer, der später enthusiastisch über ihn geschrieben hat, schwärmerisch (zum Beispiel in »Aus dem Hinterland«), hätte er weggebissen …

Ich mag die Vorstellung vom vierblättrigen Kleeblatt. Habe es hin und wieder als Bild benutzt, was ich jetzt auch wieder tun werde. Ich habe sogar mal eins gefunden, unter einem großen und sehr alten Baum im Kölner Stadtwald. Das war so um 2020 … Und da ich Gröhler bereits mit einem Baum verglichen hab sowie aus einem Baumgedicht in Frischer Schnee zitiert – warum also sollt ich unter diesem Gröhlerbaum nicht ein vierblättriges Kleeblatt finden, ein Blatt für Rot, ein Blatt für Kleppermühle, ein Blatt für Frischer Schnee, ein Blatt für Astreines Alibi. Und was ist mit Dichter! Dichter!? Mit Störtebeker? Mit Sprung durch den Teich? Gar mit dem verdoppelten Diesseits? Okay, okay, jetzt mal nicht so ungeduldig: Vierblättrige Kleeblätter findet man nicht so schnell als Paar. Und für die Auswahl spricht: Rot dreimal gelesen, Kleppermühle zweimal, Frischer Schnee dreimal, Astreines Alibi zweimal. Man sei also froh, daß hier nicht die Inselfrage gestellt wird: Da hätt ich mich – wahrlich und wahrhaftig – schwergetan mit der Antwort – – – Rot oder Kleppermühle? (Oder doch ein Buch mit Gedichten …) Kurzweg laß ich noch einmal alle Bücher Harald Gröhlers vor dem geistigen Auge paradieren, laß Inside Intelligence aus der Reihe tanzen, denk : ein großartig geglücktes – und sehr wichtiges – Buch, das vieltausendfach gelesen werden sollte. Hab ich schon mal erwähnt, daß ein schöner Moment für mich auch jener ist, in dem ich ein zu Ende gelesnes Buch an die entsprechende Stelle im Regal rücke? Das hat für mich sogar etwas gleichsam Sakrales, vergleich ich es doch mit dem Moment (da werden jedes Mal Erinnerungen wach an den Meßdiener, der ich als Junge war), in dem der Priester am Ende der Messe den Kelch in den Tabernakel zurückstellt. Im Gröhlerfall verharre ich vor den nunmehr sechzehn Büchern, sortierte sie zunächst um, nehme sie sodann noch einmal einzeln in die Hand, blättre, lese diese Zeile, jenen Vers, erinnre mich, als ich den Roman Rot erstmals las.

»Il faut être absolument moderne.« Hat dieses Diktum etwa an Aktualität eingebüßt – ›heute‹ : 2022? Berichte, Gedichte, Stories, Romane Harald Gröhlers – zeitgenössisch im besten Rimbaudschen Sinne – sind von einem Reiz, dem ich mich nicht entziehen kann (und will …); sie sind von einer Lebendigkeit, die mich wortwährend beflügelt; Sprache, Stimme, Sound dieses Autors sind von einer Unverwechselbarkeit, deren Grad locker so hoch ist wie der Kölner Dom oder der Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz. Das ist nicht ›einfach mal so‹ als pure Rhetorik in den Raum gestellt : Ich habe den Kölner Dom dreimal bis in die schwindelerregende Spitze bestiegen, bin zweimal hoch oben auf dem möwenumflatterten Fernsehturm am Alexanderplatz gewesen. Ich weiß also sehr genau, wovon ich spreche, wenn ich diesen Vergleich mit den Büchern Harald Gröhlers anstelle, die, das als letztes noch, auf mich wirken wie – – – frischer Schnee.

 

* * *

Harald Gröhler : Einzeltitel in zeitlicher Reihenfolge

Geschichten mit Kindern und ohne. Prosa. 191 Seiten. Hardcover mit Schutzumschlag. Schneekluth Verlag, München 1981.

Rot. Roman. 316 Seiten. Hardcover mit Schutzumschlag. Schneekluth Verlag, München 1984.

Das verdoppelte Diesseits. Gedichte und Erzählgedichte. Mit sieben Pinselzeichnungen von Peter Angermann. 100 Seiten. Hardcover mit Schutzumschlag. Radius-Verlag, Stuttgart 1991.

Tetzner. Eine Weihnachtsnovelle. 88 Seiten. Broschur. Radius-Verlag, Stuttgart 1992.

Die Ville. Ein Gedicht und seine Reise von 1956 bis 1996. 42 Seiten. Mit Bildern von Ekkehard Drefke. Landpresse, Weilerswist 1996.

Das Mineral der Romantiker. 15 Gedichte und ihr Ursprungstext. 40 einseitig bedruckte, unpaginierte Blätter. Handsatz, Handdruck, japanische Fadenheftung. 200 numerierte Exemplare. Corvinus Presse, Berlin 1997.

Ausfahrten mit der Chaise. Eine Novelle auf Goethe. 36 Seiten. Handsatz und -druck, japanische Fadenbindung. Blockbuch. 303 numerierte Exemplare. Corvinus Presse, Berlin 1999.

Wer war Klaus Störtebeker? Roman. 129 Seiten. Broschur. Verlag Barbarossa, Zülpich 2002.

Inside Intelligence. Der BND und das Netz der großen westlichen Geheimdienste. 344 Seiten. Broschur. Verlag Neuer Weg, Essen 2015.

Eine Selbstmörderin / Samobójczyni. Erzählungen. Zweisprachig: deutsch / polnisch. Vorwort von Kalina Mróz-Jabłecka. 296 Seiten. Hardcover. Neisse Verlag, Leipzig 2015.

Der Sprung durch den Teich. Die Metaphysik der Gedichte. Cover-Zeichnung von Peter Angermann. 138 Seiten. Broschur. Pop Verlag, Ludwigsburg 2015.

In Eile, im Mantel. Neue Stories. 223 Seiten. Broschur. Pop Verlag, Ludwigsburg 2018.

Dichter! Dichter! So begegneten sie mir. Mit Fotografien von Brigitte Friedrich. 307 Seiten. Broschur. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2019.

Frischer Schnee. Gedichte. 32 Seiten. Broschur. Lyrik-Edition Rheinland in der Edition Virgines, Düsseldorf 2020.

Astreines Alibi. Roman. 256 Seiten. Klappenbroschur. Pop Verlag, Ludwigsburg 2020.

Kleppermühle. Ein Bericht. 268 Seiten. Broschur. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2021.

Weiterführend →

Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier (und als Leseprobe ihren Hausaffentango). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge, produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Inzwischen hat sich Trash andere Kunstformen erobert, dazu die Aufmerksamkeit einer geneigten Kulturkritik. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen, der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Jürgen Kipp über die Aufgaben des Mainzer Minipressen-Archives. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.

   

* Herbstzeitlosen im Frühling? Ja, es gibt eine seltene (und ebenso giftige) Varietät dieser Pflanze, die, man höre und raune, im frühen März bereits blüht : Colchicum autumnale var. vernale. Harald Gröhler im eifelfernen Berlin will es partout nicht glauben, als ich ihm den Blick in den Garten (ohne Eichhörnchen …) beschreibe, von den Massen Herbstzeitlosen schwärme, die sich – naturgemäß – Jahr für Jahr vermehren und die Wiese mittlerweile für einige Wochen im März be:herrschen. Neinneinnein, das sei nicht möglich, keinesfalls sei das möglich, ereifert er sich, Herbstzeitlosen täten, wie der Name schon sage, im Herbst blühen. Kann es nicht glauben und liest mir aus Büchern vor, die das bestätigten. Ja, ja, kann es gehn mit den Büchern …

* Noch nie in der Gröhler-Forschung war die Rede von der »kölnischen Tetzner-Trilogie«. Ja, wieso dat denn nich : Der Roman Rot, die Novelle Tetzner. Eine Weihnachtsnovelle sowie der Kriminalroman Astreines Alibi wären ohne den Wahlkölner Tetzner – – – nichts. Er ist eine der zentralen Gestalten in diesen drei struppig-ruppig markanten Geschichten, in denen er immerhin zweimal bloß stirbt. In der Literatur geht (es) eben (um) alles.

* Gröhler hat den Primat der Sprache vom ersten Buch an unmißverständlich betont, um ihn mit jedem weitren Buch noch immer deutlicher – kompromißlos radikaler – herauszustellen. Womit auch geklärt wäre, weshalb die jüngsten Bücher des naturgemäß älter werdenden Autors dermaßen frech und frisch daherkommen.

* 2006 erschien die (von mir, hm, nicht gelesne) bearbeitete Neuausgabe unter dem Titel Störtebeker. Volksheld und Pirat: Die Biographie.

* bei der, by the way, der saloppe Einsatz von Correctio bzw. Metaphrase eine auffällige, oft geradezu herausragende Rolle spielt …

* Um gar nichts andres geht es hier doch …

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