Muttersprache, das Wort stammt wahrscheinlich, so sagen uns die Herkunftswörterbücher, aus dem Latein des Hochmittelalters, Lingua materna. Aber wie nahe uns die Sprache geht, wie nah sie bei unserem Gefühl ist, als Ausdrucksmittel und als Gegen-Stand, demgegenüber man Empfindungen lebt, zeigt auch Folgendes. Im mitteleuropäischen, männlich geprägten Familienverständnis des 19. Jahrhunderts achtet und respektiert man den Vater zunächst, erst dann kommt das Gefühl als nachgeordnetes Moment, die Mutter aber liebt man unmittelbar. Zudem ist in fast allen Sprachen der Welt zwar vom Vaterland, aber von der Muttersprache die Rede, als Ausdruck der kleinkindlichen ersten Nähe zur Mutter.
Für uns Deutsche – und solche die es vielleicht werden wollen – spielt der Begriff eine besondere Rolle, ist er doch Gegenstand und Mittel eines jahrhundertelangen Ringens um Einheit in der Mitte Europas. Dies drückt sich unmittelbar im Sprachbezeichner, im Glottonym „Deutsch“ aus, ein Wort, das als Adjektiv aus dem altgermanischen Wort „thioda“ für „Volk“ stammt. „thiodisk“ und „diutschiu“ bedeuten soviel wie „zum Volk gehörig“ und entwickelten sich zu einer Bezeichnung für die Sprache der germanischen Stämme Mitteleuropas, im Gegensatz zur Sprache der angrenzenden romanischen Bevölkerung und zum Latein. Das Wort „Deutsch“ als Bezeichner einer Identität ist also unmittelbarer Ausdruck einer kulturellen Grenzziehung, einer Differenz!
„qui Theutonica sive Teutisca lingua loquimur“ [[i]], „die wir Teutonisch oder Deutsch reden“ heißt es bei Notker im 883 entstandenen Gesta Karoli Magni, das als eines der schönsten Erzählbücher des deutschen Mittelalters gilt.
Historisch belegt ist, dass eine deutsche Hochsprache auf schriftlicher Ebene – mit festen Normen in Lexikon und Satzbau – sich erst um 1800 etabliert hat [[ii]], weit später als beispielsweise bei unserer Schwestersprache, dem Englischen.
Weltsprache Deutsch
Deutsch gilt als Weltsprache. Sie wird zu den zehn wichtigsten Sprachen der Welt gerechnet.[[iii]] Vordergründig betrachtet hat dies seinen Grund in der Anzahl der Sprecher. Jüngste Schätzungen belaufen sich weltweit auf etwa 105 Mio Muttersprachler und weitere 80 Mio, die Deutsch als Zweitsprache erlernt haben. Allein 55 Mio der Zweitsprachler leben in der EU. Rechnet man die Minderheiten hinzu, dann wird Deutsch in 43 Ländern gesprochen, in acht Ländern Europas, Belgien, Deutschland, Südtirol (Italien), Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, der Schweiz und Vatikanstadt und in der EU ist Deutsch Amtssprache.
Darüber hinaus ist das Deutsche sogar die Basis für eine Kreolsprache[[iv]] und eine Pidgin-Sprache[[v]], die echte Mischsprache Unserdeutsch in Papua-Neuguinea und die reduzierte Sprachform Küchendeutsch – die heißt wirklich so! – im heutigen Namibia.
Der tiefere Grund für die Weltsprache Deutsch liegt aber in einem anderen Umstand. Das Deutsche besitzt den mit Abstand größten Übersetzungs-Textkorpus aller Sprachen überhaupt, und zwar in beide Richtungen. In keine andere Sprache wurden so viele Werke aus Literatur und Wissenschaft aus anderen Sprachen übersetzt, wie ins Deutsche. Und aus keiner anderen Sprache wurden so viele Werke in andere Sprachen übersetzt, wie aus dem Deutschen. Insofern spielt unsere Muttersprache eine gewichtige Rolle für das kulturelle Gedächtnis der Menschheit als Ganzes. Daher hat Deutsch international den Nimbus einer Bildungssprache. Es ist hier vielleicht sinnvoll, uns in Erinnerung zu rufen, dass z.B. ein US-Amerikaner oder ein Brasilianer, der des Deutscen mächtig ist, unter den eigenen Landsleuten fast automatisch als gebildet gilt.
Buchmärkte und Rechte
Weltsprache Deutsch? Dabei gilt Deutsch allgemein als schwer zu erlernen. Es geht sogar die Mär um, dass sie für Nicht-Muttersprachler eine der zwei am schwersten zu erlernenden Fremdsprachen überhaupt sei, die andere ist übrigens Mandarin-Chinesisch.
Größter Textkorpus? Woran liegt das? Bevor wir uns den Besonderheiten und Möglichkeiten der deutschen Sprache zuwenden, sei hier noch ein ganz pragmatischer Grund angeführt. Jüngste Untersuchungen des Wirtschaftsjuristen Eckhard Höffner legen den Schluss nahe, dass der rasante Vormarsch des Deutschen als Sprache von Wissenschaft und Technik im 19. Jahrhundert, als Innovationsmotor – also kurz nach der Ausbildung als Schrift-Hochsprache mit den bereits erwähnten Normierungen in Lexikon und Satzbau – am Nichtvorhandensein einer Urheberrechtspraxis lag! Kurz, es wurde alles und jedes auf Teufel komm’ raus gedruckt. Die Ergebnisse von Höffners lange Zeiträume umfassenden empirischen Analysen von Autorenhonoraren, Auflagen und Anzahlen der neuen Titel legen den Schluss nahe: Während der britische Buchmarkt mit Urheberrecht vor sich hindämmerte, entwickelte sich Deutschland ohne Urheberrecht zur weltweit führenden Buchnation, zum Land der „Dichter und Denker“. Seine steile These: Nur dank fehlenden Urheberrechts und eines blühenden Verlagswesens – nicht zuletzt für technisch-wissenschaftliche Fachliteratur – konnte sich das Agrarland Deutschland, das an der Schwelle zum 18. Jahrhundert noch mit einem Fuß im Mittelalter stand, zur führenden Industrie- und Wissenschaftsnation entwickeln. Großbritannien, das Mutterland der Industrialisierung, verlor den Anschluss. Erst die Einführung des deutschen Urheberrechts sollte die Blüte des Buchdrucks beenden: Anzahl und Auflage von Neuerscheinungen sanken ebenso wieder wie die Autorenhonorare.[[vi]]
Kleben und Beugen, Substantive und Verben
Innere Gründe liegen in den Möglichkeiten der deutschen Sprache. Richtig verwendet erlaubt sie – abseits ihres durch deutsche Klassik und Romantik entwickelten poetisch-literarischen Potenzials – sowohl analytische als auch synthetische Welt- und Dingbeschreibungen von gleichermaßen großer Präzision und Eleganz sowie die dialektische Verschränkung beider. Sie ist wissenschaftlich gesehen – und um Metaphern aus dem Tastsinn zu verwenden – Präzisionskleber und Seziermesser zugleich.
Die Kompositabildung, die Zusammenziehung, ist im Deutschen neben der Ableitung, der Derivation, die wichtigste Methode der Wortbildung, die hier allein durch über das Genitiv-S ausgedrückte Possessivkompositum und die Wortneuverbindung als Juxtaposition grandiose Späße erlaubt. Der bekannteste ist wohl der Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän, der sich problemlos zur Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsführerhäuschentürklinkeninbusschraubenlegierungsmischung ausbauen lässt. Macht immer noch „einen gewissen“ Sinn, oder? Welchen Wortwert hat das eigentlich bei Scrabble? Achso, Brett und Steine reichen nicht aus … Worte neu schaffen nach dem Motto „Deutsch ist wie Legobausteine“ kann übrigens ein Kreativität, Intelligenz und Sprachkompetenz förderndes, Spaß machendes Spiel nicht nur bei Kindern sein …
Die bahnbrechende Arbeit zum Berechenbarkeitsproblem des englischen Mathematikers Alan Turing aus dem Jahr 1937 trägt den Titel „On computable numbers, with an application to the Entscheidungsproblem“. Hier hat ein deutsches Kompositum Eingang in die internationale wissenschaftliche Terminologie gefunden, eines von vielen übrigens. Noch bunter wird’s in Physik und Mathematik, wenn man die Kompositabildung mittels Präfix mit betrachtet. Dort ist im Englischen von „eigenvalue“, „eigenvector“ und „eigenspace“ die Rede. „it’s own value“ wäre ja auch ein bisschen sperrig, außerdem müssten Sie korrekterweise auch dasjenige immer mit nennen, auf das sich das „it“ bezieht.
Bei manchen Fachbegriffen aus den Geisteswissenschaften ist die Aufladung des deutschen Wortes so gewaltig, die Summe all seiner Konnotationen so groß, dass eine wortgetreue Übersetzung entweder keinen Sinn macht oder gar nicht möglich ist.
Especially in philosophical writing, if one treats the concept of „Dasein”, it is more fruitful to use the German term directly. „Being there” implies something completely different and is far away from precision. Dieser englische Absatz ist selbstverständlich Martin Heidegger geschuldet, der den Begriff „Dasein” in seinem 1927 erschienenen Hauptwerk „Sein und Zeit” zu einem ganzen Denksystem ausbaute. Es verhält sich oft ähnlich wie der Umgang mit dem Altgriechischen. Philosophische Aufsätze, die etwas auf sich halten, verwenden auch hier den originalsprachlichen Begriff, oft noch in originaler Schreibweise und nicht phonetisch transkribiert, so z.B. αλήθεια, Aletheia für Wahrheit.
Nebenbei bemerkt, es ist eine Leistung einer jeden Sprache, solche Einwanderungen auch zuzulassen! Und bei Kompositabildungen über Sprachgrenzen hinweg tut sich das Englische beispielhaft und besonders hervor, Unternehmerschaft heißt dort entrepreneurship! Ein Gebot zur Reinerhaltung des deutschen Biers ist sicher sinnvoll und begrüßenswert, jedoch eins zur Reinerhaltung der deutschen Sprache gelinde gesagt Mist!
Ein weiteres Moment ist durch die Wandlungsmöglichkeiten der Wortarten gegeben. Das Deutsche ist besonders leistungsfähig bei der Wandlung von Verben in Substantive, sehr zum Ärger einiger Stilberater, die oft von einer Sprachentzündung namens Substantivitis sprechen. Aber auch das Wandeln von Substantiven in Verben ist möglich, sogar in Extremfällen, wie gleich demonstriert. In einigen afrikanischen Sprachen gilt das Prinzip der sich verdingenden Handlung. Sinngemäß heißt es dort nicht „das Pferd galoppiert“, sondern „der Galopp pferdet“. Dass wir das auf Deutsch überhaupt ausdrücken können, verdanken wir der Umwandlung des Pferdes in ein Verb. Das Englische ist hier jedoch leistungsfähiger, „to bookmark“, „to email“ sind neuere englische Verben, die aus Substantiven entstanden.
Allerdings ist das Englische unterwegs zur isolierenden Sprache. Das Deutsche hingegen ist neben dem Niederländischen die am stärksten flektierende germanische Sprache.
Der Vogel fängt die Fliege. Die Fliege fängt der Vogel. Machen Sie das mal im Englischen.
The bird catches the fly. The fly catches the bird? Die Position eines Wortes im Satz ist nicht mehr variabel wie im Deutschen. Anders gewendet haben wir im Deutschen durch die Redundanz der Geschlechtsinformation über Wort und zugehörigen Artikel zusätzliche Möglichkeiten des nuancierten Hervorhebens der Bedeutung eines Wortes durch seine Position im Satz, die uns im Englischen aus prinzipiellen Gründen verwehrt sind.
Deutsch und das Verhältnis zu anderen Sprachen
Oft trifft man auf das Vorurteil, dass Ausdrucksreichtum und –Präzision einer Sprache wesentlich von der Anzahl der verfügbaren Worte, dem Wortschatz abhängen. Im Deutschen sind dies je nach Quelle und Zählweise 300.000 bis 500.000 Worte oder so genannte Lexeme, d.h. unabhängige Einheiten im Wörterbuch. Für das Englische ergeben Schätzungen bis zu 600.000 Wörter, das Französische, in dem Begriffe wesentlich anders aus mehreren Worten – z.B. „purée de pommes de terre“ für Kartoffelbrei, bei uns ein eigenes Wort – gebildet werden, kommt lediglich auf etwa 300.000 Wörter.
So kennt das Arabische [[vii]] vom Sichelmond bis zum Neumond acht verschiedene Worte für den Mond, dem z.B. das Deutsche und auch das Englische nur mit Adjektiven bzw. Kompositabildung begegnen können. Ist das Arabische deshalb präziser? Nein. Das spezielle Aussehen des Mondes über einer kargen Wüstenlandschaft ist dort anders als in europäischen Landschaften ein herausragendes Detail.
Jede Sprache „denkt“ anders. Die verwendete Sprache in Widerspiegelung meiner Erlebniswelt trifft also eine Vorauswahl darüber, was ich überhaupt denken und ausdrücken kann. Und wenn etwas nicht recht passen will, muss ich entweder die Sprache wechseln, wenn mir eine weitere zu Gebote steht, oder sie verändern. Die Sprachen selbst sind also gleichzeitig Mittel und Gegenstand von Veränderung. Der US-amerikanische Psychologe Julian Jaynes sagt hierzu: „In Wahrheit und Wirklichkeit ist die Sprache ein Wahrnehmungsorgan und nicht einfach nur ein Kommunikationsmittel.“[[viii]] Das ist zwar radikal, hat aber durchaus etwas für sich. Wahrnehmungsorgane müssen in der Lage sein, auch Neues, bisher noch nicht Erlebtes wahrzunehmen. Folglich würde – lax gesagt – Sprache ohne Veränderung gar nicht „funktionieren“, Veränderung ist ein Wesensmerkmal von Sprache.
Welche Auswirkungen die parallel verlaufenden Entwicklungsströme des Englischen und des Deutschen gehabt haben, schildert der Philosoph Gotthard Günther, der 32 Jahre seines Lebens in den USA verbracht hat, in wenigen prägnanten Worten: „Es wird bei dem Vergleich zwischen europäischer und amerikanischer „Philosophie“ immer wieder vergessen, dass die deutsche Sprache eine Entwicklung durchgemacht hat, an der das Englische nur wenig, de facto fast gar nicht, teilgenommen hat. Beide Sprachen sind einmal durch das Stadium der Aufklärung hindurchgegangen, und soweit hatte ihre geistige Prägung und philosophische Ausdruckskraft viel gemeinsam, und man konnte miteinander philosophieren. In der deutschen Sprache aber wurde diese Entwicklung durch Sturm und Drang, den deutschen Idealismus mit seinem Auftreten des spekulativen Begriffs und schließlich durch die Romantik aus ihrem ursprünglichen Flussbett abgelenkt. Wie ungeheuer stark dieser Einfluss gewesen ist, das kann man an der Distanz messen, die die Sprache der Hegelschen Phänomenologie und Logik gegenüber dem Aufklärungsdeutsch gewonnen hat. Was Romantik und Lyrizismus anbetrifft, ist etwas davon auch nach Amerika gedrungen ….“[[ix]]
Infolgedessen sind viele geisteswissenschaftliche Texte des 19. Jahrhunderts gar nicht ins Englische übersetzt worden. Zur Ehrenrettung des Englischen darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass diese Sprache eine ungleich viel längere literarische Tradition und Entwicklungszeit besitzt, die, beginnend mit Shakespeare, Marlowe und Pope, über James Joyce bis hin zu Lawrence Norfolk und David Foster Wallace führt. Das Englische ist speziell im Prosabereich derart komplex mit einer Fülle an Lautmalereien und Metaphern durchsetzt, dass eine Übersetzung ins Deutsche, wenn überhaupt möglich, Jahrzehnte dauert. Das gilt für einige Vertreter des klassischen englischen Bildungsromans und insbesondere für die Werke James Joyces, speziell „Ulysses“ und „Finnegans Wake“.
So trägt jede Sprache entsprechend ihrer Besonderheiten und Möglichkeiten zur Weltkultur bei. Sprachen ergänzen sich, immer. Dafür sorgt schon unsere Biologie, die uns mit einem Gehirn ausgestattet hat, dass – je mehr synaptische Verknüpfungen entwickelt sind – das Potenzial für weitere, neue oder andere Verknüpfungen bereitstellt. Das führt dazu, dass uns das Erlernen einer Fremdsprache wie z.B. des Englischen auch lehrt, den Wert der eigenen Muttersprache vom Standpunkt einer anderen Sprache aus neu zu erfahren, und darüber hinaus unser Vermögen bereichert, uns in unserer Muttersprache auszudrücken.
Wandernde Worte
Ausnahmslos alle Worte aller Sprachen haben, wenn man’s genau überlegt und wie wir Menschen übrigens auch einen Migrationshintergrund. Jedes gesprochene und gehörte Wort wandert schon vom Sprecher zum Hörer, das ist einer der Kerne von Sprache überhaupt. Wie Vilém Flusser bemerkte, ein Mensch ist ein Mensch und kein Baum. Dies war der Tatsache geschuldet, dass wir im Grunde alle Afrikaner sind.
Wussten Sie, dass das id in V’id’eo – ein Fremdwort aus dem Lateinischen – dasselbe ist wie das in ‚Id’ee – ein Fremdwort aus dem Altgriechischen? Id stammt aus dem altindischen Sanskrit und bedeutet Licht, hat also mit Sehen zu tun. Und unser „Hilfsverb“ sein in der Beugungsform ist leitet sich ebenso wie die englischen am und is von Sanskrit asmi, atmen her. (Ich) bin und das englische (to) be von bhu, wachsen. Wachsen oder nicht wachsen, das ist hier die Frage. Und das gilt für alle Sprachen. Wenn sie in öffentlichen Verkehrsmitteln türkische Jugendliche erleben, die mitten im Satz vom Türkischen ins Deutsche wechseln und zurück, lassen Sie sie einfach, sie leben.
Deutsch war über Jahrhunderte hinweg und ist noch immer eine Räubersprache, die sich bei anderen bedient hat und noch bedient. Beklagen Sie also nicht Anglizismen, sondern freuen sich über die Germanizismen in anderen Sprachen, man kann sich wirklich wundern, wie viele es neben den wenigen hier bekannten wie Blitzkrieg und Kindergarten gibt.
Der japanische Dirigent wird des Abends für den Beethoven seinem Orchester den ainzattsu (Einsatz) geben und nach gelungenem Konzert vielleicht ein kirushuwassa (Kirschwasser) trinken und mit seinem konterabasu-Spieler (Kontrabass) und seinem polnischen ersten Geiger über den tsaitogaisuto (Zeitgeist, auch polnisch!) diskutieren, der Worte hemmungslos umherwandern lässt. Und in einer anderen Ecke der Welt in Nairobi schimpft der schwedische Kongressteilnehmer gerade über den gulaschbaron (schwed. für Neureicher) vor ihm, der in seinem Mercedes verkehrt herum in den Kreisverkehr einfährt. Wabenzi falsch im keepi lefti, wird der Swahili sprechende kenianische Polizist dazu bemerken. Der ungarische Kollege auf dem Beifahrersitz wird seinen hózentróger (Hosenträger) zurechtrücken, darauf insistieren, dass der Gulasch ja aus Ungarn komme und bemerken, dass er heute noch kein früstök (Frühstück) gehabt habe. Der Finne auf dem Rücksitz ist mindestens für eine kahvipaussi (Kaffeepause), auch gegen eine bratwursti hätte er nichts einzuwenden. Was für ein wihajster (wie heißt er, pol. Für Dingsbums), wird die Polin neben ihm fragen, die den Finnen akustisch nicht ganz verstanden hat. Und das Londoner Ehepaar fliegt nach München, um das alpenglow (Alpenglühen) zu bewundern, auch klettern wolle man, wenn nicht das to abseil nachher so anstrengend wäre. Außerdem sei der German dachshund (Dackel, Dachshund) ja ein so wunderbares Tier, ob man nicht einen doppelgänger zurück mit nach England nehmen könne. Auch muesli wolle man einkaufen. Zwei junge Amerikaner würden sich da gern anschließen, nach München und dann gleich zum Oktoberfest, die Kellnerinnen in ihren feschen Dirndeln erlauben ja so gute Aussichten auf ihr glockenspiel. Und in Norwegen ärgert man sich über diesen Text, was für ein besserwisser, kein fingerspitzgefühl.
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Weiterführend →
TRANS- … Reflexionen über Menschen, Medien, Netze und Maschinen. Die Totholz-Variante ist vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.
Lesen Sie auch das Porträt von Joachim Paul → Ein Pirat entert das Denken
[i]Metatext:
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht im Medienbrief 1/2011, dem Periodikum des LVR-Zentrum für Medien und Bildung, Februar 2011, S. 40-44.
Behandelt werden hier die genussvolleren Aspekte der deutschen Sprache, der wichtige Aspekt des Verhältnisses von Sprache und Macht ist hier bewusst ausgeklammert.
Notker, Gesta Karoli 1, 10, 24-25
[ii] Göttert, Karl-Heinz; Deutsch – Biografie einer Sprache, Berlin 2010, S. 19f
[iii] Weber, George; TOP LANGUAGES, The World’s 10 most influential Languages, http://www.andaman.org/BOOK/reprints/weber/rep-weber.htm , letzter Abruf 06.01.2011
[iv] http://de.wikipedia.org/wiki/Kreolsprachen
[v] http://de.wikipedia.org/wiki/Pidgin-Sprachen
[vi] Höffner, Eckhard; Geschichte und Wesen des Urheberrechts, Band 1 u. 2, zus. 868 S. Verlag Europäische Wirtschaft, 2010
[vii] Die wirkliche Komplexität der arabischen Sprache liegt in der Vielfalt ihrer Verbformen und der daraus abgeleiteten Verbalsubstantive, Adjektive, Adverbien und Partizipien. http://de.wikipedia.org/wiki/Arabische_Sprache letzter Aufruf 07.01.2011
[viii] Jaynes, Julian; Der Ursprung des Bewusstseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche; Reinbek 1988; S. 67
[ix] Günther, Gotthard; Selbstdarstellung im Spiegel Amerikas; in L. J. Pongratz (Hrsg.), Philosophie in Selbstdarstellungen, Meiner Verlag, Hamburg, Bd. II, 1975, S. 1-76