Monolog im Leserstrahl 2

 

Kurz darauf das Rasseln vieler Schlüssel. Hartborstige Straßenbesen kehren Berge von Unrat zusammen. Der Scheinwerfer erlischt, rote Notbeleuchtung schmückt die Ausgänge. Erst jetzt hört man abgehackte Befehle. Viele starke Taschenlampen werden eingeschaltet und tasten mit ihrem Strahl die Decke ab. „Man müsste auch noch fliegen können“, flüstert jemand, „Auch ist gut, nur ist besser“, hört man die selbstbewußt gewordene Stimme des Simulanten. „Getroffen?“, flüstert eine andere Stimme. Welche?  „Im gewissen Sinne ja,“ antwortet der Simulant gedehnt, „vorbereitendermaßen. Jedenfalls wird das Treffen vor dem Südausgang einseitig ausfallen.“

„Ausfallen, das ist guut,“ – die andere Stimme zieht das „guut“ genüßlich in die Länge. „Du Faxe„, knurrt der Simulant, „du hältst dich da besser raus, bis wir den Koffer deponiert haben.“

„Wie war’s“, fragt der Mann den Simulanten vor dem Südausgang. Welcher Mann? Das Original von einem Mann. Die beiden Männer können sich kaum erkennen, so dicht ist das Schneetreiben im September. Um den Schnee für Augenblicke, die einander kreuzen sollen, zu vertreiben, wedeln sie mit ihren Händen vor ihren Gesichtern. Im Gleichschritt und einmütig wie jahrelang aufeinander eingespielte Kollegen gehen sie auf ein wartendes Taxi zu. „Übrigens“, bemerkt der Simulant grinsend, „niemand hat gewußt, was gespielt wird. Sie haben alle ihre Beobachterposition und somit Unberührbarkeit genossen.“

Das Original umklammert seinen Arm und zwingt ihn, auf dem weitläufigen Platz, zehn Meter vor dem Taxi, stehenzubleiben. „Du meinst, keiner hat einen Schimmer von dem, was läuft?“ Der Simulant reißt sich los, um cirka drei Meter Abstand zu gewinnen:“Wer läuft, meinst du sicher, und wer demnächst nicht mehr läuft, das meinst du doch, okay, Boy?“

Der Simulant schießt dem Original mit zwei gezielten Schüssen aus nächster Nähe die Beine vom Boden weg. „Du mit deinem Gesichtsfimmel“, stößt er hasserfüllt hervor und läßt ihn zurück. Das Taxi fährt jetzt nur mit ihm unwiderruflich davon. Neben dem Getroffenen liegt ein metallener Musterkoffer, geöffnet. Er ist angefüllt mit einer Aktentasche, die ein Fotoalbum enthält, eine Sofortbildcamera, mit Aktenmappen voller sicher wertvollen Hinweisen für die künftigen Ermittler.

 

 

 

Weiterführend →

Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd