Ich bejahe von Herzen den Wahlspruch: „Die beste Regierung ist die, die am wenigsten regiert.“ Gerne würde ich sehen, daß schneller und gründlicher nach ihm gehandelt wird, denn dies würde schließlich zu etwas führen, das ich ebenfalls glaube: ”Die beste Regierung ist die, die überhaupt nicht regiert“. Sobald die Menschheit dafür bereit ist, wird dies die Regierung sein, die sie hat. Regierungen sind auch im besten Fall nicht mehr als ein Notbehelf, und dabei sind die meisten Regierungen für gewöhnlich unnötig, und alle Regierungen sind es gelegentlich. Die zahlreichen, schwerwiegenden und auch berechtigten Einwände, die gegen eine stehende Armee vorgebracht werden, können ebenso gegen eine ständige Regierung vorgebracht werden. Die stehende Armee ist nur ein Arm der ständigen Regierung. Eine Regierung ist nur die Form, die das Volk gewählt hat, um seinen Willen auszuführen. Aber genau wie die Armee ist sie anfällig dafür, missbraucht und zweckentfremdet zu werden, bevor das Volk durch sie handeln kann. Ein Zeugnis dafür gibt der gegenwärtige Krieg gegen Mexiko, in dem einige Wenige die ständige Regierung als ihr Werkzeugbenutzen, denn zu Beginn des Krieges hat das Volk diesem nicht zugestimmt. Diese amerikanische Regierung – ist sie nicht nur eine Tradition, die versucht, sich unbeeinträchtigt an die kommenden Generationen weiterzugeben, dabei aber jedes Mal ein Stück ihrer Redlichkeit verliert? Sie hat nicht die Dynamik und Kraft eines einzigen Mannes, denn ein einziger Mann kann sie seinem Willen unterwerfen. Sie ist dem Volk ein defektes und unzuverlässiges Werkzeug. Aber sie ist dennoch notwendig, denn das Volk braucht irgendeine komplizierte Maschine und muss ihr Getöse hören, um seine Vorstellung von Regierung zu befriedigen. Regierungen zeigen, wie erfolgreich Menschen eingeschränkt werden können und sich sogar freiwillig Beschränkungen auflegen, wenn es ihrem Vorteil dient. Das ist in der Tat bemerkenswert. Und doch hat diese Regierung aus sich heraus noch nie ein Unternehmen auf eine andere Weise vorangebracht als durch ihre Bereitwilligkeit, ihm aus dem Wege zu treten. Nichtsiewahrt die Freiheit des Landes. Nichtsiebesiedelt den Westen. Nichtsieschafft Bildung. Das amerikanische Volk hat alles getan was erreicht wurde, und es hätte mehr getan, wenn die Regierung ihm nicht hin und wieder im Wege gestanden hätte. Denn Regierungen sind Einrichtungen, in deren Gegenwart Menschen dazu neigen, sich voneinander abzuwenden. Und wie gesagt wird: Wenn die Regierung am notwendigsten wäre, sind die Regierten am meisten allein gelassen. Wären Gewerbe und Handel nicht gleichsam aus Gummi, würden sie es nie schaffen über die Hindernisse zu springen, die die Gesetzesgeberständig in ihren Weg legen. Wenn die Regierenden nur nach den Folgen ihres Tuns gerichtet werden sollten und nicht auch nach ihren guten Absichten, müssten sie zusammen mit den Übel gesonnenen Menschen eingereiht und bestraft werden, die Blockaden auf den Schienen errichten.
Aber um praktisch und als ein guter Bürger zu sprechen: Anders als jene, die sich Anarchisten nennen, wünsche ich nicht eine sofortige Abschaffung, sondern eine sofortige Besserung der Regierung. Jeder Mann sollte bekannt geben, welche Art von Regierung seinen Respekt gewinnen würde, und dies wäre der erste Schritt hin zu dieser Regierung.
Wenn zum Zeitpunkt der Wahl die Macht in den Händen des Volkes liegt, wird einer Mehrheit erlaubt, für eine Zeit lang zu regieren. Der wahre Grund dafür ist aber nicht, daß sich diese Mehrheit mit großer Wahrscheinlichkeit im Recht befindet oder daß dies der Minderheit gegenüber am gerechtesten erscheint, sondern daß die Mehrheit physisch am stärksten ist. Aber eine Regierung, in der in allen Fällen die Mehrheit entscheidet, kann nicht auf Gerechtigkeit basieren, nicht einmal insofern wir Menschen diese verstehen. Warum kann es nicht eine Regierung geben, in der nicht die Mehrheiten entscheiden was Recht und Unrecht ist, sondern das Gewissen? In der die Mehrheit nur in solchen Fragen entscheidet, in denen die Regel der Zweckmäßigkeit anwendbar ist? Darf ein Bürger auch nur für einen Moment oder auch nur um ein Jota sein Gewissen dem Gesetzesgeberübereignen? Warum hat jeder Mensch dann überhaupt ein Gewissen?
Ich glaube, wir sollten zuerst Menschen sein, und dann erst Untertanen. Es ist nicht erstrebenswert, vor dem Gesetz einen Respekt hervorzurufen, wie er vor der Gerechtigkeit besteht. Die einzige Verpflichtung, die zu befolgen ich auch ein Recht habe, ist jederzeit das zu tun, was ich für recht halte. Es ist wahr genug gesagt, daß eine Gemeinschaft kein Gewissen hat, aber eine Gemeinschaft gewissenhafter Menschen ist eine Gemeinschaft mit Gewissen. Das Gesetz hat die Menschen nie auch nur eine Spur redlicher gemacht, und durch ihren Respekt ihm gegenüber werden auch die Gutveranlagten täglich zu Dienerndes Unrechts. Als ein naturgemäßes und verbreitetes Ergebnis des ungemäßen Respektes gegenüber dem Gesetz mag eine Einheit Soldaten gelten: Oberst, Leutnant, Unteroffiziere, Gefreite, Rekruten und alle, wie sie in bewundernswerter Ordnung über Stock und Stein in den Krieg marschieren, gegen ihren Willen, jawohl, gegen ihren Gemeinsinn und ihr Gewissen, was ihren Pfad in der Tat zu einem steilen Pfad macht und ihnen Herzrasen verursacht. Sie haben keinen Zweifel, daß sie in ein scheußliches Geschäft verwickelt sind, sie sind alle dem Frieden zugeneigt. Nun: Was sind sie? Menschen? Oder kleine, bewegliche Festungen und Waffenlager im Dienste eines skrupellosen und mächtigen Mannes?
Gehe zu einem Militärstützpunkt und schaue dir einen Soldaten an; einen Mann, wie ihn die amerikanische Regierung machen kann, oder was sie aus ihm machen kann mit ihren schwarzen Künsten, – ein bloßer Schatten, nur noch eine Erinnerung an einen Menschen. Ein Mann, lebendig hingebettet und doch noch stehend. Man mag sagen: Bereits beerdigt mitmilitärischen Ehren – obgleich selbst dies anders sein kann:
Keine Trommel, kein Lied war zu hören,
Als wir eilig seinen Körper zur Grube trugen.
Kein Soldat gab Salut
über dem Grab, in das wir unseren Helden legten.
Der Großteil der Menschen dient dem Staat auf diese Weise: Nicht vorwiegend als Menschen sondern als Maschinen, mit ihren Körpern. Sie sind die Armee, die Polizisten, Gefängniswärter, Ordnungshüter und so weiter. In den meisten Fällen bleibt ihnen kein Raum für persönliche Beurteilung oder moralisches Gefühl. Sie stellen sich auf eine Stufe mit Holz und Erde und Stein. Vielleichtkönnen eines Tages Maschinen gebaut werden, die ihren Zweck ebenso gut erfüllten. Sie verdienen nicht mehr Respekt als Vogelscheuchen oder ein Stück Erde. Ihr Wert ist der eines Pferdes oder Hundes. Und doch sind es diese, die gemeinhin als geschätzte und gute Bürger gelten. Andere, etwa die meisten Gesetzesgeber, Politiker, Rechtsanwälte, Minister und Beamte, dienen dem Staathauptsächlich mit ihren Köpfen. Weil sie kaum einmal moralische Überlegungen wagen, mögen sie ebenso gut dem Teufel dienen als Gott, ohne es zu wollen. Wenige nur, wie Helden, Patrioten, Märtyrer, Reformatoren und Männer, dienen dem Staat außerdem mit ihrem Gewissen – und widerstehen ihm deshalb in den meisten Fällen. Deshalb werden sie vom Staat im Allgemeinen als Feinde behandelt. Ein weiser Mann wird nur als Mann nützlich sein, und sich nicht dafür hergeben, „Lehm“ zu sein und ein Loch zu stopfen „wohl vor dem rauen Norden“. Diese Aufgabe wird er seinem Staub überlassen:
Ich bin zu hochgeboren, um mit mir
Zu lassen schalten, mich zu untergeben
Als ein bequemer Dienstmann, als ein Werkzeug,
An irgendeine Herrschaft in der Welt.
Der, der sich selbst ganz seinen Mitmenschen hingibt, erscheint ihnen unnütz und egoistisch. Der aber, der sich ihnen nur teilweise hingibt, wird Wohltäter und Menschenfreund genannt. Wie soll sich ein Mann gegenüber der amerikanischen Regierung verhalten? Ich antworte, daß er nicht ohne Schande mit ihr verbunden sein kann. Ich kann nicht eine politische Organisation als meine Regierung anerkennen, die zugleich die Regierung eines Sklaven ist.
Alle Menschen erkennen das Recht der Völker auf Selbstbestimmung an. Gemeint ist das Recht, einer Regierung die Treue zu verweigern und ihr Widerstand zu leisten, wenn ihre Unterdrückung oder Unfähigkeit groß und unerträglich werden. Aber nahezu alle Menschen sagen, daß dies heute nicht der Fall ist. Dagegen war es der Fall, denken sie, in der Revolution von 1775. Wenn mir dies jemand damit begründen würde, daß die damalige Regierung schlecht war weil sie bestimmte ausländische Güter besteuerte, die in ihre Häfen kamen, dann würde ich für diese Begründungkeinen Pfennig geben, denn ich kann ohne diese Güter leben. Alle Maschinen haben ihre Reibung, aber möglicherweise tun sie genug Gutes, um das Böse aufzuwiegen. Jedenfalls wäre es unrecht, deshalb eine Aufruhr zu erregen. Aber wenn die Reibung überwiegt, wenn Unterdrückung und Räuberei überhand nehmen, dann sage ich: Lasst uns eine solche Maschine nicht länger dulden. Mit anderen Worten: Wenn ein Sechstel der Bevölkerung einer Nation, die sich als Zufluchtsort der Freiheit versteht, Sklaven sind, und wenn ein ganzes Land ungerechterweise von einer ausländischen Armee überrannt, erobert und unter Kriegsrecht gestellt wird, dann denke ich, daß es für einen ehrlichen Mann nicht zu früh ist, aufzustehen und zu rebellieren. Was diese Pflicht noch dringlicher macht ist der Fakt, daß nicht das überrannte Land unser ist, sondern daß unser die einfallende Armee ist.
Paley, eine anerkannte Autorität in moralischen Fragen, führt in seinem Kapitelüber die ”Pflicht zur Unterwerfung unter die Regierung“ alle bürgerliche Pflichten auf Notwendigkeiten zurück. Er schreibt: ”Solange es das Wohlergehen der Gesellschaft erfordert, solange der etablierten Regierung nicht ohne allgemeine Ungelegenheit Widerstand geleistet werden kann ist es der Wille Gottes, daß der bestehenden Regierung gehorcht wird – aber auch nicht länger. Die Frage der Rechtmäßigkeit eines Widerstandes kann damit zurückgeführt werden auf ein Abwägen der Größe der Gefahren und Missstände auf der einen, und den Erfolgschancen und Kosten diese zu beheben auf der anderen Seite.“ Diese Abwägung, schreibt er, soll jeder Mann für sich selbst vornehmen. Aber Paley scheint nie diejenigen Fälle in Betracht gezogen haben, in denen nicht nach Zweckmäßigkeiten entschieden werden kann; in denen ein Volk, wie auch jeder Einzelne, Gerechtigkeit tun muss, koste es was es wolle. Wenn ich einem Ertrinkenden ungerechterweise eine Planke entwinde, muss ich sie ihm zurückgeben, auch wenn ich dadurch selbst ertrinke. Dies wäre, nach Paley, eine Ungelegenheit. Aber wer in einem solchem Fall sein Leben behält, wird es verlieren. Dieses Volk muss aufhören Sklaven zu halten und Krieg gegen Mexiko zu führen, selbst wenn es seine Existenz als Volk kostet.
In ihren Handlungen orientieren sich die Nationen an Paley; aber glaubt irgend jemand, daß Massachusetts in der gegenwärtigen Krise uneingeschränkt richtig handelt?
Ein tristes Land, eine Hure in silbernem Kleid
Lässt sich die Schleppe tragen, während die Seele im Schmutze schleift.
Tatsächlich sind die Gegner einer Reform in Massachusetts nicht hunderttausend Politiker im Süden,sondern hunderttausend Händler und Farmer hier, die mehr an Handel und Landwirtschaft als an Menschlichkeit interessiert sind und die nicht bereit sind, den Sklaven und Mexikanern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, koste es, was es wolle. Ich streite nicht mit weit entfernten Feinden, sondern mit denen, die nah der Heimat mit denen in der Ferne kooperieren und nachihren Wünschen handeln, und ohne diese wären jene harmlos. Wir sagen oft, daß die meisten Menschen nicht für Veränderungen bereit sind, aber die Verbesserungen geschehen so langsam, weil die Wenigen ebenfalls nicht weiser oder besser sind als die Vielen. Es ist nicht so wichtig, daß viele so gut tun wie du, als daß es einige uneingeschränkt gut handelnde Menschen gibt, denn dies wird den ganzen Teig durchsäuern. Es sind tausende, die im Prinzip gegen die Sklaverei und den Krieg sind, die aber unter dem Strich nichts unternehmen, um sie zu beenden. Diejenigen, die sich selbst Kinder Washingtons und Franklins nennen setzen sich nieder mit den Händen in ihren Taschen. Sie sagen, daß sie nicht wissen was zu tun ist, und sie tun nichts. Sie stellen sogar die Frage nach der Freiheit hinter die nach freiem Handel. Sie lesen still die aktuellen Preislistenzusammen mit den letzten Nachrichten aus Mexiko und schlafen, vielleicht, über beiden ein. Was ist in diesen Tagen der Preis eines ehrlichen und patriotischen Mannes? Sie zögern, sie bedauern, und manchmal schreiben sie eine Eingabe, aber sie tun nichts mit Dringlichkeit und Wirkung. Siewarten gut arrangiert, bis andere das Übel beenden, auf daß sie es nicht länger bedauern müssen. Höchstens, daß sie bei einer Wahl eine billige Stimme abgeben, eine schwache Befürwortung des Rechten, ein Segenswusch, das reicht ihnen. Es sind neunhundertneunundneunzig Befürworter der Tugend auf einen tugendhaften Mann. Aber es ist einfacher, mit dem wahren Besitzer einer Sache zu reden als mit ihrem Verwalter.
Alle demokratische Wahlen sind eine Art Spiel, wie Dame oder Backgammon, mit einem Hauch von Moral in sich, ein Spiel mit Recht und Unrecht. Ihr natürlicher Begleiter ist das Wetten. Der Charakter des Wählers ist nicht gefordert. Ich gebe meine Stimme ab, zufällig und wie ich denke, daß es richtig ist, aber ich sorge mich nicht im Innersten darum, ob sich das Rechte durchsetzt. Ich bin bereit, dies der Mehrheit zu überlassen. Das Wahlergebnis ist deshalb nie mehr als eine Zweckmäßigkeit. Selbst für das Rechte zu stimmen bedeutet, nichts dafür zu tun. Es zeigt anderen gegenüber nur den schwachen Wunsch, daß es vorherrschen möge. Ein weiser Mann wird das Rechte nicht der Gnade des Zufallsüberlassen, noch wird er wünschen, daß es sich durch die Kraft der Mehrheit durchsetzt. Es ist nur wenig Tugend in den Handlungen der Vielen. Würde die Mehrheit schließlich für die Abschaffung der Sklaverei stimmen, wird es sein, weil es ihnen egal ist oder weil es kaum noch Sklaverei gibt, die durch ihre Stimme abgeschafft werden könnte. Siewerden dann die Sklaven sein. Nur dessen Stimme kann die Abschaffung der Sklaverei beschleunigen, der seine eigene Freiheit dafür einsetzt.
Ich höre von einem Kongress, der in Baltimore zur Wahl eines Präsidentschaftskandidaten abgehalten werden soll, und an dem überwiegend einflussreiche Männer und Berufspolitiker teilnehmen. Dabei denke ich mir: Was bedeutet einem unabhängigen, klugen und anständigem Mann die Entscheidung, die sie treffen mögen? Sollen wir nicht gleichwohl auch von seiner Weisheit und Redlichkeit profitieren? Können wir uns nicht auf unabhängige Stimmen verlassen? Gibt es nichtviele Menschen in diesem Land, die nicht an Kongressen teilnehmen? Am Ende sehe ich aber, daß der erwähnte anständige Mann auf der Stelle von seiner politische Haltung abrückt und an seinem Land verzweifelt, wo doch sein Land mehr Grund hätte, an ihm zu verzweifeln. Auf der Stellenimmt er einen der dort gewählten Kandidaten als den einzig verfügbaren hin. Damit stellt er unter Beweis, daß er selbst verfügbar ist für jeden Zweck der Demagogen. Seine Stimme ist nichtmehr wert als die irgendeines gleichgültigen Ausländers oder eines gekauften Einheimischen. Ein Königreich für einen Mann, der ein Mann ist und, wie mein Nachbar sagt, ein Rückgrat hat, durch das man nicht seine Hand schieben kann. Unsere Statistiken irren sich, die Bevölkerung wird zu groß angegeben. Wieviele Männer gibt es in diesem Land auf 1000 Quadratmeilen? Kaum einen. Gibt Amerika Anreize für Männer, sich hier anzusiedeln?
Der Amerikaner ist zu einem alten Kauz geworden, der für seinen Sinn für Geselligkeit bekannt ist, dem es aber an Intellekt und frohgemuter Selbstbehauptung fehlt. Wenn er auf die Welt kommt, ist seine erste und einzige Sorge, daß die Armenhäuser in gutem Zustand sind. Noch bevor er Männerkleidung angelegt hat, sammelt er bereits für die Witwen und Waisen, die einmal sein werden. Kurz, er wagt es nur mit Hilfe einer Versicherungsgesellschaft zu leben, die versprochen hat, ihn würdig zu begrabenes ist selbstverständlich nicht die Pflicht eines Mannes, sich der Ausrottung eines Übels zu widmen. Es mag andere Dinge geben, die ihn beschäftigen. Aber es ist seine Pflicht, seine Hände von diesem Übel rein zu waschen. Auch wenn er nicht länger über das Übel nachdenkt, darf er es nicht mit seinen Handlungen unterstützen. Wenn ich mich anderen Bestrebungen und Betrachtungen widme, muss ich zumindest sehen, ob ich sie nicht auf den Schultern eines anderen Mannes sitzendverfolge. Zuerst muss ich von ihm heruntersteigen, damit auch er sich seinen Bestrebungen widmen kann. Was für große Unstimmigkeiten geduldet werden! Ich habe einige meiner Nachbarn sagenhören: ”Sollen sie versuchen, mich zum Niederschlagen eines Sklavenaufstandes heranzuziehen, oder zum Krieg gegen Mexiko! Ich würde gewiss nicht gehen.“ Und doch haben genau diese Männer, jeder, direkt durch ihre Untertanentreue und so zumindest indirekt durch ihr Steuergeld, einen Stellvertreter gesandt. Der Soldat, der in einem ungerechten Krieg zu dienen verweigert, wird von denen bejubelt, die es nicht verweigern, die ungerechte Regierung zu erhalten, die den Krieg betreibt. Er wird bejubelt von denen, deren eigene Handlungen und Autorität er missachtet und negiert – als wäre der Staat so reumütig, einen Mann zu mieten, der ihn schlägt während er sündigt, aber nicht so reumütig, auch nur einen Moment mit dem Sündigen aufzuhören. Auf diese Weisewerden wir durch Ordnung und Gesetz dazu gebracht unserer eigenen Niedrigkeit zu huldigen und sie zu unterstützen. Nach dem ersten Scham vor der Sünde kommt die Gleichgültigkeit, war es zunächst unmoralisch, so wird es nun morallos, und dies ist sogar ganz nötig bei dem Leben, das wir führen.
Ein großer und schwerwiegender moralischer Fehler kann sich nur aufgrund eines gleichgültigen Wertesystems erhalten, und der kleinen Irrung, der die Tugend des Patriotismus weithin anfällig ist, erliegen die Edlen am häufigsten. Menschen, die den Charakter und die Maßnahmen einer Regierung missbilligen, ihr aber dennoch Gefolgschaft leisten, sind unzweifelhaft ihre gewissenhaftesten Unterstützer und somit oft die größten Hindernisse einer Reform. Einige schreiben Eingaben, in denen sie den Staat ersuchen, die Union aufzulösen und die Forderungen des Präsidenten zu ignorieren. Warum lösen sie sie nicht selbst auf – die Union zwischen sich selbst und dem Staat– und weigern sich, ihren Anteil in die Staatskasse einzuzahlen? Stehen sie nicht in derselben Beziehung zum Staat wie der Staat zur Union? Und haben nicht dieselben Gründe den Staatgehindert, der Union zu widerstehen, die sie gehindert haben, dem Staat zu widerstehen?
Wie kann ein Mann damit zufrieden sein, eine Meinung nur zu haben, und dies genießen? Ist es Genuß für ihn, wenn er meint, daß er ungerecht behandelt wird? Wenn du von deinem Nachbar um einen Dollar betrogen wirst, ruhst du nicht zufrieden mit dem Wissen, daß du betrogen wurdest, oder damit zu sagen, daß du betrogen wurdest, oder damit ihm einen Brief zu schreiben, dir dein Geld wiederzugeben. Statt dessen unternimmst du wirksame Maßnahmen, um sofort den vollen Betrag zurück zu erhalten und wirst zusehen, nie wieder betrogen zu werden. Handlung aus Grundsätzen, die Erkenntnis und Ausübung des Rechtenändert Dinge und Verhältnisse, ist im Tiefsten revolutionär und achtet nicht auf Bestehendes. Sie teilt nicht nur Staaten und Kirchen, sie teilt Familien. Ja, sie teilt den Menschen selbst, sie trennt das Göttliche in ihm vom Teuflischen.
Ungerechte Gesetze existieren. Sollen wir uns damit begnügen, sie zu befolgen? Oder sollen wir danach streben, sie zu ändern und ihnen gehorchen, bis wir damit erfolgreich sind? Oder sollen wir sie sogleich überschreiten? Unter einer Regierung wie dieser denken die Menschen im Allgemeinen sie sollten warten, bis sie die Mehrheit überzeugt haben, die Gesetze zu ändern. Sie denken daß, wenn sie Widerstand leisten würden, die Vergeltung dafür schlimmer wäre als das Übel selbst. Aber es ist die Schuld der Regierung, daß die Vergeltung schlimmer ist als das Übel. Sie macht sie schlimmer. Warum ist sie nicht geneigt, Veränderungen zu erwarten und bereitet sich auf sie vor? Warum bemüht sie sich nicht um ihre weise Minderheit? Warum schreit und schlägt sie schon, bevor es weh tut? Warum ermutigt sie ihre Bürger nicht, wachsam zu sein und ihr ihre Fehler zu zeigen, und ihr besser zu tun, als sie ihnen tat? Warum kreuzigt sie Christus erneut, warum exkommuniziert sie Kopernikus und Luther, warum nennt sie Washington und Franklin Rebellen?
Man sollte meinen, daß eine bewusste und aktive Ablehnung ihrer Autorität das einzige Delikt ist, das von der Regierung nie in Betracht gezogen wurde, denn sie hat keine eindeutige, passende und angemessene Strafe dafür vorgesehen. Wenn ein Mann kein Eigentum hat und sich nur einmalweigert, neun Shilling für den Staat zu verdienen, wird er für eine vom Gesetz nicht beschränkte Zeit ins Gefängnis gesteckt, entsprechend dem Gutdünken derer, die ihn dorthin gebracht haben. Wenn er aber neunzig mal neun Shilling vom Staat stiehlt, wird er bald wieder frei gelassen.
Wenn die Ungerechtigkeit ein Teil der unvermeidlichen Reibung in der Maschine der Regierung ist, nun gut, nun gut, vielleicht wird sie sich glatt reiben, – sicherlich wird die Maschine verschleißen. Wenn die Ungerechtigkeit eine bestimmte Quelle hat, etwa eine Rolle, ein Seil oder eine Kurbel, mag man abwägen, ob die Abhilfe nicht schlimmer ist als das Übel selbst. Aber wenn das Übel solcher Natur ist, daß es dich zum Arm der Ungerechtigkeit deinem Nächsten gegenüber macht, dann sage ich: Brich das Gesetz! Lass dein Leben ein Gegengewicht sein, um die Maschine zu stoppen. Ich muss sicherstellen, daß ich mich selbst nicht zu dem Unrecht hingebe, das ich verdamme.
Was die Wege angeht, die der Staat anbietet, um einemübel abzuhelfen: Ich kenne sie nicht. Siebenötigen viel Zeit, und das Leben eines Mannes ist kurz. Es gibt noch andere Dinge, derer ich mich widmen muss. Ich bin nicht deswegen in diese Welt gekommen, um sie zu einem lebenswerten Ort zu machen, sondern um in ihr zu leben, sei sie gut oder schlecht. Ein Mann kann nicht alles tun, sondern nur weniges, und weil er ohnehin nicht alles tun kann, ist es nicht notwendig, daß er etwas Falsches tut. Es ist so wenig meine Aufgabe, dem Gouverneur oder den Gesetzesgebern Eingaben zu schreiben, als es deren Aufgabe ist, mir welche zu schreiben. Wenn sie meine Eingaben nicht hören, was sollte ich dann tun? In diesem Fall bietet der Staat keinen Weg an: Seine eigene Verfassung ist das Übel. Das mag hart und störrisch und unversöhnlich klingen, aber es bedeutet, den Geist, der es würdigen kann und es verdient, mit der äußersten Freundlichkeit und Überlegung zu behandeln. Alle Veränderungen zum Besseren sind so, wie Geburt oder Tod, die den Körpererschüttern.
Ich zögere nicht zu sagen, daß diejenigen, die sich Abolitionisten nennen, sofort aktiv ihre Unterstützung in Person und Eigentum von der Regierung von Massachusetts abziehen sollten und nicht warten sollten, bis sie eine Stimme Mehrheit haben, die das Gute demokratisch bewirkt. Ichglaube, es ist genug, wenn sie Gott auf ihrer Seite haben, sie müssen nicht auf das Andere warten. Denn jeder Mann, der mehr im Recht ist als sein Nachbar, stellt bereits die eine Stimme Mehrheit dar.
Ich treffe die amerikanische Regierung oder ihren Vertreter, die Regierung dieses Staates, direkt und von Angesicht zu Angesicht nur einmal im Jahr und nicht öfter, nämlich in der Person des Steuereinnehmers. Dies ist die einzige Art und Weise, auf die ein Mann wie ich sie notwendigerweise trifft, und sogleich sagt sie mit Nachdruck: Erkenne mich an! Die einfachste und wirksamste und in der gegenwärtigen Lage der Dinge notwendige Art mit ihr umzugehen, die fehlende Zufriedenheit mit und Liebe zu ihr auszudrücken ist, diese Anerkennung zu verweigern. Mein Nachbar, der Steuereinnehmer, ist der Mann, mit dem ich fertig werden muss – denn es sind Menschen, nicht Aktenpapier, mit dem ich streite, – und er hat aus freien Stücken entschieden, Vertreter der Regierung zu werden. Wie soll er je wissen, was er ist und was er als Beamter der Regierung und als ein Mann tut, bis er gezwungen wird abzuwägen, ob er mich, seinen Nachbarn, den er respektiert, als einen Nachbarn und wohlgesinnten Mann oder als einen Verrückten und Störer der öffentlichen Ordnung behandeln soll, und ohne zu sehen, ob er über diese Störung der guten Nachbarschaft ohne heftigere und ungestümere Gedanken und Reden hinwegkommt, die seiner Handlung entsprechen. Ich weiß wohl, daß, wenn tausend, wenn hundert, wenn zehn Männer, die ich benenne, – wenn nur zehn rechtschaffende Männer, – ja, selbst wenn nur ein rechtschaffender Mann in diesem Staat von Massachusetts aufhört, Sklaven zu halten, dem Staat seine Unterstützung verweigert und dafür ins Gefängnis geschlossen wird, es das Ende der Sklaverei in Amerika bedeuten würde. Denn es ist nicht wichtig, wie klein der Anfang zu sein scheint: Was einmal gut getan wurde, ist für die Ewigkeit getan. Aber wir diskutieren lieber nur darüber, wir sagen, daß dies unsere Aufgabe sei. Reformen haben dutzende Zeitungen zudienste, aber nicht einen einzigen Mann. Wenn mein geschätzter Nachbar, der Botschafter des Staates,15der seine Tage einer Einigung in der Frage der Menschenrechte in der Gesetzeskammer widmet, nicht mit den Gefängnissen von Carolina bedroht wäre, sondern in Massachusetts einsitzen müsste, würde dieser Staat, der so bestrebt ist, die Sünde der Sklaverei auf seinen Bruderstaat abzuschieben (welcher gegenwärtig nur einen Akt der Unfreundlichkeit als den Grund für den Streit mit ihm entdecken kann) die Frage in diesem Winterwohl nicht außer Acht lassen.
Unter einer Regierung, die Menschen zu Unrecht einsperrt, ist der wahre Platz für einen gerechten Mann ebenso das Gefängnis. Der rechte Platz in dieser Zeit, der einzige Platz, den Massachusetts für seine freieren und unverzagteren Geister vorsieht, ist in ihren Gefängnissen, ausgeschlossen vom Staat durch ihn selbst, wie sie sich bereits durch ihre eigenen Prinzipien ausgeschlossen haben. Es ist dort, wo sie der entflohene Sklave, der mexikanische Kriegsgefangene und der Indianer, der das seinem Volk geschehene Unrecht anklagt, trifft, auf diesem abgesonderten, aber freierem und ehrbareren Grund, an den der Staat diejenigen bringt, die nicht für ihn, sondern gegen ihn sind. Das einzige Haus in einem Sklavenstaat, in dem ein freier Mann mit Ehre weilen kann. Wer meint, daß der Einfluss der Männer dort verloren wäre und ihre Stimme nicht länger das Ohr des Staates plagen könnte, daß sie in seinen Mauern nicht länger seine Feinde wären, der weiß nicht, um wieviel die Wahrheit stärker ist als das Unrecht und wieviel gewandter und effektiver der die Ungerechtigkeit bekämpfen kann, der ein wenig davon am eigenen Leib erfahren hat. Gib deine ganze Stimme, nicht nur ein Stück Papier, sondern deinen ganzen Einfluss! Eine Minderheit ist kraftlos, wenn sie sich der Mehrheit anpasst; sie ist dann nicht einmal eine Minderheit. Aber sie ist unwiderstehlich, wenn sie sich mit ihrem ganzen Gewicht einbringt. Wenn der Staat vor die Wahl gestellt wird, alle gerechten Männer im Gefängnis zu behalten oder Krieg und Sklaverei aufzugeben, wird er nichtüberlegen, was zu tun ist. Wenn tausend Männer ihre Steuern dieses Jahr nicht bezahlten, wäre das keine so gewalttätige und blutige Maßnahme wie es ist, sie zu bezahlen und es dem Staat zu ermöglichen, Gewalt zu üben und unschuldiges Blut zu vergießen. Genau dies ist die Definition einer friedlichen Revolution, wenn eine solche möglich ist. Wenn mich der Steuereinnehmer oder ein anderer Beamter fragt, wie es einer getan hat: „Aber was soll ich tun?“, dann ist meine Antwort: „Wenn du wirklich etwas tun willst, dann lege dein Amt nieder. „Wenn der Bürger seine Gefolgschaft verweigert und der Beamte sein Amt niedergelegt hat, dann ist die Revolution vollendet. Aber selbst angenommen, es fließt Blut. Wird nicht auch eine Art Blut vergossen, wenn das Gewissen verwundet wird? Aus dieser Wunde fließt eines Mannes wahre Männlichkeit und Unsterblichkeit, und er blutet bis zu einem immerwährenden Tod. Dieses Blut sehe ich heute fließen.
Ich habe mehr über die Inhaftnahme des Übertreters nachgedacht als über das Einziehen seiner Güter – obwohl beides demselben Zweck dient – weil die, die das Recht am unverfälschtesten behaupten und folglich dem verdorbenen Staat besonders gefährlich sind, meist nicht genug Zeit für das Sammeln von Besitz aufgewendet haben. Solchen leistet der Staat vergleichsweise wenig Dienste und schon eine kleine Steuer erscheint übergroß, besonders wenn sie durch zusätzliche Arbeit mit den eigenen Händen aufgebracht werden muss. Gäbe es einen, der gänzlich ohne die Verwendung von Geld lebte, würde wohl selbst der Staat zögern, es von ihm zu verlangen. Aber der reiche Mann – ohne persönliche Vergleiche anstellen zu wollen – ist immer an den verkauft, der ihn reich gemacht hat. Grundsätzlich gesprochen: Je mehr Geld, desto weniger Tugend; denn das Geld tritt zwischen den Mann und seine Ziele und erwirbt sie für ihn, und es war sicherlich keine große Tugend, das Geld zu erlangen. Geld beschwichtigt viele Fragen, die andernfalls Antworten verlangten, während die einzige neue Frage, die es aufwirft, die so schwere wie überflüssige Frage ist, wie es ausgegeben werden soll. Auf diese Weise wird dem Reichen der moralische Boden unter seinen Füßen entzogen. Die Möglichkeiten des Lebens werden umso kleiner, je größer die sogenannten „finanziellen Möglichkeiten“ werden. Das Beste, was ein reicher Mann für sein Wesen tun kann, ist danach zu streben die Lebenseinstellungen zu entfalten, die er hatte, als er arm war. Christus hat den Heroinen entsprechend ihres Wesens geantwortet. ”Zeigt mir das Steuergeld“, sagte er, – und einer nahm eine Münze aus seiner Tasche, – wenn ihr Geld nutzt, das das Bild des Kaisers auf sich trägt und welchem er Geltung und Wert verleiht, das heißt, wenn ihr Männer des Staates seid und froh die Vorteile der kaiserlichen Regierung genießt, dann gebt ihm etwas von seinem Eigenen zurück, wenn er es verlangt. „Gebt deswegen dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ Damit machte er sie nicht klüger als sie waren, denn sie wollten ihn nichtverstehen.
Wenn ich mit den freiesten meiner Nachbarn rede, erkenne ich, daß, was sie auch über die Wichtigkeit und den Ernst der Frage und ihre Meinung über die öffentliche Schläfrigkeit sagen, am Endeherauskommt, daß sie den Schutz der heutigen Regierung nicht erübrigen können, und daß sie die Folgen für ihr Eigentum und ihre Familien fürchten, wenn sie der Regierung ungehorsam würden. Ich für meinen Teil möchte nicht daran denken, daß ich mich jemals auf den Schutz des Staates verlassen müsste. Aber wenn ich die Autorität des Staates missachte, wenn er seinen Steuerbescheid vorlegt, wird er bald mein Eigentum nehmen und verschwenden und mich und meine Kinder ohne Ende belästigen. Das ist hart. Das macht es einem Mann unmöglich, redlich und zugleich dem äußeren nach bequem zu leben. Es ist die Zeit nicht wert, Eigentum zusammenzutragen, dünnes würde sicher von dir genommen werden. Du musst irgendwo mieten oder besetzen, nur eine kleine Saat aufgehen lassen und diese schnell verzehren. Du musst in dir selbst leben, dich nur auf dich selber verlassen, bereit sein für den Aufbruch und darfst nicht zu viele Geschäfte haben. Weinmann mag auch in der Türkei reich werden, wenn er der türkischen Regierung ein guter Untertan ist. Konfuzius sagte: „Wenn ein Staat nach den Prinzipien der Vernunft regiert wird, sind Armut und Elend eine Schande, wenn ein Staat nicht nach den Prinzipien der Vernunft regiert wird, sind Reichtum und Ehre eine Schande.“ Nein: Solange ich nicht den Schutz von Massachusetts in einem entfernten südlichen Hafen auf mich ausgedehnt sehen will, in dem meine Freiheit in Gefahr ist, oder solange ich nicht nur darauf aus bin, mir mit friedlichen Unternehmungen daheim Besitz zu verschaffen, solange kann ich es mir leisten, Massachusetts und seinem Recht auf mein Eigentum und mein Leben die Gefolgschaft zu verweigern. Es kostet mich in jeder Weise weniger, die Strafe des Staates für Ungehorsam auf mich zu nehmen als es mich kosten würde, zu gehorchen. Ich würde fühlen, daß ich in diesem Fall weniger wert wäre.
Vor einigen Jahren trat der Staat im Namen der Kirche an mich heran und forderte von mir, eine bestimmte Summe für die Unterstützung des Pfarrers zu zahlen, dessen Predigten mein Vaterbesuchte, ich aber nie. „Zahle“, sagte der Staat, „oder gehe ins Gefängnis.“ Ich verweigerte die Zahlung, aber unglücklicherweise zahlte ein anderer für mich. Ich sehe keinen Grund, warum der Schulmeister Steuern zahlen sollte, um den Priester zu unterstützen, und nicht der Priester, um den Schulmeister zu unterstützen. Denn ich war kein staatlicher Schulmeister, sondern finanzierte mich durch freiwillige Gelder. Ich sehe keinen Grund, warum die Lehrstätte nicht ihren Steuerbescheid präsentieren und sich darin vom Staat unterstützen lassen sollte, genau wie die Kirche. Dennoch, auf Bitten der Stadträte, ließ ich mich herab, eine Erklärung wie die folgende zu verfassen: „Wisset, all ihr Menschen dieser Zeit, daß ich, Henry Thoreau, nicht als das Mitglied irgendeiner Gesellschaft gelten möchte, der ich nicht beigetreten bin.“ Dies gab ich dem Pfarrer der Stadt, und es liegt noch bei ihm. Nachdem der Staat so gelernt hatte, daß ich nicht als ein Mitglied dieser Kirche betrachtet werden möchte, hat er mir nie wieder eine solche Forderung gestellt, obwohl er erklärte, daß er damals an seiner Annahme festhalten musste. Wenn ich sie benennen könnte, würde ich mit Sorgfalt aus allen Gesellschaften austreten, in die ich nie eingetreten bin, aber ich weiß nicht, wo eine komplette Liste darüber zu finden ist.
Ich habe seit sechs Jahren keine Kopfsteuer gezahlt. Darum wurde ich einmal, für eine Nacht, ins Gefängnis geworfen. Als ich dort stand und die dicken Mauern aus soliden Steinen betrachtete, zwei oder drei Fuß stark, die Tür aus Holz und Eisen, einen Fuß stark, und das eiserne Gitter, daß das Licht teilte, konnte ich mir nicht helfen, über die Dummheit jener Einrichtung verwundert zu sein, die mich behandelte, als wäre ich nur Fleisch und Blut, das eingeschlossen werden könnte. Ich wunderte mich, daß sie zu dem Schluss gekommen war, daß dies der beste Nutzen wäre, dem sie mich zuweisen konnte, und daß sie nie daran dachte, sich auf irgendeine Weise meiner Dienste zu versichern. Ich sah, daß, obgleich eine Mauer aus Stein zwischen mir und meinen Mitmenschen war, eine immer noch schwerer zu übersteigende und zu durchbrechende Mauer verhinderte, daß diese so frei sein konnten wie ich es war. Ich fühlte mich nicht für einen Moment eingesperrt, und die Mauern schienen mir eine große Verschwendung von Stein und Mörtel. Ich fühlte mich, als ob ich allein von all meinen Mitbürgern die Steuer bezahlt hätte. Sie wussten einfach nicht, wie sie mich behandeln sollten, und benahmen sich wie schlecht erzogene Leute. In jeder Drohung und jeder Höflichkeit lag ein Missverständnis, denn sie dachten, daß ich gerne auf der anderen Seite der Steinmauer stehen würde. Ich konnte nur darüber lächeln, mit welchem Fleiß sie die Tür über meinen Betrachtungen abschlossen, die ihnen hinaus folgten, ohne Netz und Hindernis, wo sie doch das wirklich gefährliche waren. Weil sie mich nicht belangen konnten, beschlossen sie, meinen Körper zu bestrafen, eben wie Kinder, die, weil sie die Person, auf die sie böse sind, nicht erreichen können, seinen Hund schlagen. Ich sah, daß der Staat schwach an Geist war, daß er ängstlich war wie eine alleinstehende Frau mit ihren Silberlöffeln und daß er nicht seine Freunde von seinen Feinden unterscheiden konnte. Ich verlor allen Respekt vor ihm und bedauerte ihn.
Auf diese Weise konfrontiert der Staat nie das Innere eines, intellektuell oder moralisch, sondern nur seinen Körper, seine Sinne. Der Staat ist nicht mit überlegener Weisheit oder Redlichkeit ausgerüstet, er besitzt nur überlegene physische Stärke. Ich bin nicht geboren, um mich zwingen zu lassen. Ich will nach meiner eigenen Art atmen. Lasst uns sehen, wer der Stärkere ist. Welche Kraft hat eine Menschenmenge?
Nur die können mich zwingen, die ein höheres moralisches Gesetzbefolgen als ich. Sie zwingen mich, zu werden wie sie. Ich habe noch nie von Männern gehört, die sich von einer Menschenmengen zwingen ließen, auf diese oder jene Weise zu leben. Was wäre das für ein Leben? Wenn ich eine Regierung treffe, die mir sagt: „Dein Geld oder dein Leben!“, warum sollte ich mich beeilen, ihr mein Geld zu geben? Sie mag in großen Schwierigkeiten stecken und nicht wissen, was zu tun ist: Das kann ich nichtändern. Sie muss sich selber helfen, wie auch ich es tue. Darüber zu jammern wäre die Zeit nicht wert. Ich bin nicht dafür verantwortlich, daß die Maschine der Gesellschaft erfolgreich arbeitet. Ich bin nicht der Sohn ihres Ingenieurs. Ich beobachte, daß, wenn ein Ahorn und ein Kastaniensamen Seite an Seite fallen, der eine sich nicht zurücknimmt um Platz für den anderen zu machen, sondern beide ihren eigenen Gesetzen folgen und sprießen und wachsen und blühen so gut sie können, bis vielleicht einer den anderen überschattet und zerstört. Wenn eine Pflanze nicht entsprechend ihrer Natur leben kann, stirbt sie, und so auch ein Mann.
Die Nacht im Gefängnis war eine neuartige und interessante Erfahrung. Als ich eintrat, genossen die Gefangenen in ihren Ärmelhemden gerade eine Plauderei in der Abendluft an der Tür. Aber der Wärter sagte: „Kommt Jungs, Zeit abzuschließen“, und so verteilten sie sich, und ich hörte den Ton ihrer Schritte in die hohlen Zimmer zurückkehren. Mein Zimmergenosse wurde mir vom Wärter als ein „erstklassiger Kamerad und kluger Mann“ vorgestellt. Als die Tür geschlossen war, zeigte er mir, wo ich meinen Hut hinhängen konnte und wie er alle Dinge eingerichtet hatte. Die Räume wurden einmal im Monat gekalkt und zumindest dieser Raum war der weißeste, einfachst eingerichtete und wahrscheinlich reinlichste Raum der ganzen Stadt. Natürlich wollte er wissen, woher ich kam und was mich hierher gebracht hatte, und als ich es ihm erzählt hatte, fragte ich ihn wiederrum, wie er herkam; denn natürlich nahm ich an, er sei ein ehrlicher Mann, und wie die Welt geht, so glaube ich: Er war wirklich einer. „Nun“ sagte er, „sie beschuldigen mich, eine Scheune abgebrannt zu haben, aber ich habe es nicht getan.“ Soweit ich herausfinden konnte, hatte er sich betrunken in einer Scheune zur Ruhe gelegt und dort seine Pfeife geraucht, und dadurch brannte die Scheune ab. Er hatte den Ruf eines klugen Mannes und hatte bereits etwa drei Monate auf den Beginn seines Verfahrens gewartet. Vielleicht musste er noch einmal solange warten, aber er hatte sich gut eingerichtet und war zufrieden, da er umsonst aß und gut behandelt wurde.
Er schlief an dem einen Fenster, ich am anderen. Ich sah, daß, wenn einer lange Zeit dort blieb, es seine Hauptaufgabe sein würde, aus dem Fenster zu schauen. Ich hatte bald alle Inschriften gelesen, die dort vorhanden waren, und hatte untersucht, wo frühere Gefangene ausgebrochen waren und worein Gitter abgesägt wurde. Ich hörte die Geschichten der verschiedenen Bewohner dieses Raumes und lernte, daß es auch hier Geschichten und Schwätzereien gab, die wohl nie hinter den Mauerndes Gefängnisses gehört wurden. Wahrscheinlich ist dies das einzige Haus in der Stadt in dem Versegeschrieben werden, die notiert und von Hand zu Hand gegeben, aber nie veröffentlicht werden. Mir wurde eine recht lange Liste von Versen gezeigt, die von einigen jungen Männern geschrieben worden war, die bei einem Fluchtversuch gefasst wurden und sich durch das Singen dieser Verserächten.
Ich quetschte meinen Mitgefangenen so sehr ich konnte aus, denn ich fürchtete, ihn nie wieder zusehen. Aber schließlich zeigte er mir mein Bett und überließ es mir, die Lampe auszublasen.
Dort zu liegen war wie eine Reise in ein fernes Land, wie ich es nie erwartet hatte zu sehen. Es schien mir, als ob ich noch nie den Schlag der Stadtuhr gehört hätte, die abendlichen Klänge des Ortes, denn wir schliefen bei zwischen den Gittern geöffneten Fenstern. Es war, wie meinen Heimatort im Lichte des Mittelalters zu sehen. Unser Concord wurde zum Rheinstrom, und Visionen von Rittern und Burgen zogen an mir vorüber. Es waren die Stimmen der alten Einwohner, die ich in den Straßen hörte. Ich war der unfreiwillige Zuschauer und Zuhörer von allem, was in der Küche desanliegenden Gasthauses getan und gesprochen wurde – eine ganz neue und einzigartige Erfahrung für mich. Es war eine sehr intime Sicht auf meinen Heimatort. Ich war ganz in seinem Inneren. Ich hatte noch nie sein Gefängnis gesehen. Es ist eine seiner besonderen Einrichtungen, denn es ist eine Kreisstadt. Und ich begann zu begreifen, was seine Einwohner umtrieb.
Am Morgen wurde unser Frühstück durch ein Loch in der Tür gereicht, in dafür passenden länglichen Zinnschalen, die einen halben Liter Schokolade und dunkles Brot enthielten und einen eisernen Löffel. Als sie die Schalen wieder einsammelten, war ich grün genug, daß übrig gelassene Brot zurückzugeben, aber mein Kamerad nahm es und sagte, ich solle es für das Mittag oder Abendessen aufheben. Kurz danach wurde er herausgelassen, um auf einem benachbarten Feld Heu zu hauen, was er jeden Tag tat. Da er nicht vor Mittag zurück kommen würde, wünschte er mir einen guten Tag und sagte, daß er bezweifelte, mich je wiederzusehen.
Als ich aus dem Gefängnis kam – denn jemand griff ein und zahlte die Steuer – nahm ich nichtwahr, daß im Allgemeinen große Veränderungen stattgefunden hätten, so wie bei einem, der in jungen Jahren festgenommen und als ein grauhaariger Greis freigelassen worden wäre. Und doch nahmen meine Augen eine Veränderung des Umfeldes, der Stadt, des Staates, des Landes wahr, die größer war als alles, was die Zeit bewirken könnte. Ich sah den Staat, in dem ich lebte, mit klareren Augen. Ich sah, in welchem Umfang die Menschen, unter denen ich lebte, als gute Nachbarn und Freunde betrachtet werden konnten, daß ihre Freundschaft nur für Sommerwetter galt, daß sie nicht mit Kraft danach strebten, das Rechte zu tun, und daß sie eine von mir verschiedene Rassebildeten durch ihre Vorurteile und Aberglauben, wie Chinesen und Malaien. Ich sah, daß sie in ihren Opfern für die Menschlichkeit keine Risiken eingingen, nicht einmal um ihren Besitz. Ich sah, daß sie nicht großmütig waren, sondern den Dieb so behandelten, wie er sie behandelt hatte. Siehofften aber, ihre Seelen durch das Befolgen bestimmter Bräuche und durch ein paar Gebete zu retten, und dadurch, daß sie von Zeit zu Zeit auf einemübertrieben geraden, aber nutzlosen Weggingen. Vielleicht richte ich damit meine Nachbarn zu hart, denn ich glaube, daß viele von ihnen nicht einmal wissen, daß sie eine Einrichtung wie das Gefängnis in ihrem Ort haben.
Es war früher Brauch in unserem Ort, daß ein armer Schuldner, der aus dem Gefängnis kam, von seinen Bekannten gegrüßt wurde, die durch ihre gekreuzten Finger schauten, um die Gitterndes Gefängnisses zu symbolisieren: „Wie geht es Dir?“ Meine Nachbarn grüßten mich nicht, aber sahen zuerst mich, dann sich untereinander an, als ob ich von einer langen Reise wiedergekehrt wäre. Ich wurde festgenommen, als ich auf dem Weg zum Schuhmacher war, um einen ausgebesserten Schuh abzuholen. Als ich am nächsten Morgen herausgelassen wurde, ging ich meine Besorgung zu Ende zu bringen. Als ich meinen geflickten Schuh angezogen hatte, traf ich eine Gruppe von Heidelbeersammlern, die schon ungeduldig auf meine Führerschaft warteten, und nach einer halben Stunde – denn das Pferd war schnell bereit – war ich inmitten eines Heidelbeerfeldes auf einemunserer größten Hügel, zwei Meilen von der Stadt entfernt, und der Staat war nirgendwo zu sehen. Dies ist die ganze Geschichte „meiner Gefängnisse“.
Ich habe mich nie geweigert, die Straßensteuer zu bezahlen, denn ich bin so gerne ein guter Nachbar wie ein schlechter Untertan, und was die Unterstützung der Schulen angeht, so tue ich mein Bestes, meine Landsleute zu bilden. Es ist nicht wegen eines bestimmten Punktes auf dem Steuerbescheid, daß ich mich weigere, ihn zu befolgen. Ich möchte dem Staat schlicht keine Unterstützung leisten, sondern mich von ihm zurückziehen und mich entschieden abseits von ihm stellen. Auch wenn ich es könnte, würde ich mich nicht um den Weg kümmern, den mein Dollar nimmt, bis er schließlich einen Soldaten dingt oder das Gewehr, ihn zu erschießen. Der Dollar ist unschuldig. Aber ichverfolge sorgfältig die Auswirkung meiner Untertanentreue. Tatsächlich erkläre ich nach meiner Art dem Staat im Stillen den Krieg, obwohl ich immer noch von ihm profitiere und nach Kräften Vorteile aus ihm zu schlagen suche, wie es üblich ist in einem solchen Fall.
Wenn andere aus Sympathie für den Staat die Steuer zahlen, die von mir verlangt wird, dann tun sie nur, was sie bereits in ihrem eigenen Fall getan haben. Damit begünstigen sie das Unrecht in einem größeren Ausmaß, als der Staat es von ihnen verlangt. Wenn sie die Steuer aufgrund einer unangebrachten Anteilnahme am Besteuerten zahlen, um seinen Besitz zu schützen oder um zu verhindern, daß er festgenommen wird, dann tun sie dies, weil sie nicht weise abgewogen haben, wie sehr ihre privaten Gefühle das allgemeinen Gut beeinträchtigen.
Dies ist nun meine heutige Position. Aber man kann in einem solchen Fall nicht wachsam genug sein, damit die Handlungen nicht beeinflusst werden durch Starrsinnigkeit oder durch eine unangemessene Rücksicht auf die Meinung der Menschen. Man muss zusehen, daß man nur tut, was einem selbst und der Stunde angemessen ist.
Manchmal denke ich: Diese Menschen meinen es gut, sie sind nur unwissend, sie würden besser handeln, wenn sie nur wüssten, wie. Warum bereitest du deinen Nachbarn den Schmerz, dich entgegenihrer Neigung zu behandeln? Aber dann denke ich: Das ist kein Grund, warum ich tun sollte, wie sie tun, oder es zulassen sollte, daß andere viel größeren Schmerz anderer Art erleiden. Wiederum sage ich mir manchmal: Wenn viele Millionen Menschen ohne Zorn, ohne bösen Willen, ohne persönliche Gefühle jeglicher Art nur ein paar Shilling von dir verlangen, ohne die Möglichkeit – denn so ist ihre Verfassung – ihren Anspruch zu ändern oder zurückzuziehen, und ohne die Möglichkeit deinerseits, ebenfalls Millionen Menschen anzurufen: Warum sich dann dieser überwältigenden rohen Kraft aussetzen?
Du widerstehst nicht derart stur der Kälte und dem Hunger, nicht den Winden oder Wellen, du unterwirfst dich still tausendähnlichen Notwendigkeiten. Du steckst den Kopf nicht ins Feuer. Aber eben in dem Maß, in dem ich sie nicht nur als rohe Kraft betrachte, sondern als eine teilweise menschliche Kraft, und in dem ich bedenke, daß meine Beziehung zu diesen Millionen eine Beziehung zu Millionen Menschen ist und nicht zu rohen oder leblosen Dingen, sehe ich, daß ein Apell möglich ist, zuerst und sofort von ihnen zu ihrem Schöpfer, und zweitens von ihnen an sich selbst. Wenn ich aber meinen Kopf freiwillig ins Feuer stecke, gibt es keinen Appell an das Feuer oder an seinen Schöpfer, und ich kann nur mir selbst die Schuld geben. Wenn ich mich selbst überzeugen könnte, daß ich ein Recht darauf habe, mit den Menschen zufrieden zu sein, wie sie sind, und sie derart behandeln würde und nicht in einigen Punkten entsprechend meinen Anforderungen und Erwartungen an sie und mich, dann sollte ich wie ein guter Muselmann und Fatalist danach streben, mit den Dingen zufrieden zu sein, wie sie sind, und sagen, es wäre der Wille Gottes. Und vor allem ist es ein Unterschied, diesem zu widerstehen oder einer rohen Gewalt oder Naturgewalt, denn diesem kann ich mit einiger Wirkung widerstehen, aber ich kann nicht wie Orpheus erwarten, die Natur der Felsen, Bäume und Tiere zu ändern.
Ich möchte nicht mit Menschen oder Nationen streiten. Ich möchte nicht Haarspaltereien betreiben, über Spitzfindigkeiten diskutieren oder mich selbst besser hinstellen als meine Nachbarn. Ich suche eher, ich möchte sagen, sogar eine Entschuldigung dafür, mich den Gesetzen dieses Landes entsprechend zu verhalten. Ich nur allzu bereit, mich ihnen anzupassen. Ich habe sogar Grund, mir selbst in dieser Frage zu misstrauen, und jedes Jahr, wenn der Steuereinnehmer herumkommt, finde ich mich gewogen die Handlungen und Standpunkte der Landes- und Bundesregierung und den Geist der Menschen zu prüfen, um einen Vorwand für die Anpassung zu finden.
Wir sollen das Land wie unsere Eltern lieben
Und wenn je nachlässt
Unser Liebe und Fleiß, ihm Ehre zu tun,
Müssen wir die Folgen tragen, und die Seele lehren Dinge von Gewissen und Religion
Und nicht den Willen zu Macht oder Vorteil.
Ich glaube, daß der Staat bald in der Lage sein wird alle derartigen Arbeiten aus meinen Händen zu nehmen, und dann will ich kein besserer Patriot sein als meine Mitbürger. Von einem niedrigen Standpunkt aus gesehen ist die Verfassung, mit all ihren Fehlern, sehr gut. Das Gesetz und die Gerichte sind achtenswert, sogar dieser Staat und die amerikanische Regierung sind in vielerlei Hinsicht bewundernswerte und einzigartige Dinge, für die man dankbar sein kann, wie es auch viele sind. Aber von einem höheren Standpunkt aus gesehen sind sie so, wie ich beschrieben habe, und wer soll sagen, wie sie von einem noch höheren oder dem höchsten Standpunkt aus gesehen sind, oder ob sie es überhaupt wert sind, von dort angesehen und betrachtet zu werden.
Dennoch befasse ich mich nicht viel mit der Regierung, und ich möchte ihr so wenig wie möglich Gedanken zuteil werden lassen. Es sind nur wenige Momente, die ich unter einer Regierung lebe, selbst in dieser Welt. Wenn ein Mann frei ist in seinen Gedanken, Phantasien und Vorstellungen, dann erscheint das, was nicht ist, ihm nie für eine lange Zeit als etwas, das ist, und törichte Machthaber und Reformer können ihn nicht sehr stören.
Ich weiß, daß die meisten Menschen anders als ich denken. Diejenigen, deren Leben durch ihren Beruf dem Studium dieser oder ähnlicher Dinge gewidmet ist, stellen mich ebenso wenig zufrieden wie die anderen. Staatsmänner und Gesetzesgeber stehen so vollständig in ihrer Institution, daß sie sie nie deutlich und unverschleiert wahrnehmen. Sie reden von einer bewegten Gesellschaft, aber haben keinen Ruheplatz außerhalb derselben. Sie mögen Männer von gewisser Erfahrung und gewissem Urteilsvermögen sein und sie haben ohne Zweifel geistreiche und nützliche Systeme erfunden, für die wir ihnen dankbar sind. Dennoch liegt all ihr Verstand und all ihre Nützlichkeit in bestimmten, nicht besonders weiten Grenzen. Sie pflegen zu vergessen, daß die Welt nicht von Politik und Zweckmäßigkeit regiert wird. Webster stellt nie das Prinzip hinter der Regierung in Frage, und kann deshalb nicht mit Autorität über sie sprechen. Seine Worte sind Weisheit für die Gesetzesgeber, die keine größere Änderung der bestehenden Regierung in Erwägung ziehen; aber den Denkern und denen, die Gesetze auf Ewigkeit machen, hat er nichts zu sagen. Ich kenne solche, deren heitere und weise Betrachtungen des Themas schnell die Grenzen seines Geistes und seiner Gastfreundschaft aufzeigen würden. Dennoch, verglichen mit den billigen Erklärungen der meisten Reformer und der noch billigeren Weisheit und Beredsamkeit der Politiker im Allgemeinen, sind seine Worte vernünftig und wertvoll, und wir danken dem Himmel für ihn. Verglichen mit ihnen ist er immer kräftig, ursprünglich und, vor allem, zupackend. Dennoch ist sein Vorzug nicht Weisheit, sondern Umsicht. Die Wahrheit des Rechtsanwaltes ist nicht Wahrheit, sondern Widerspruchsfreiheit, oder eine widerspruchsfreie Zweckmäßigkeit. Die Wahrheit ist immer mit sich selbst im Einklang, es geht ihr nicht in erster Linie darum, zu offenbaren welche Gerechtigkeit für Falschverhalten zu tun ist. Er verdient es, Verteidiger der Verfassung genannt zu werden, und wurde auch so genannt. Er schlägt sich nur in Verteidigung. Er ist kein Führer, sondern ein Nachfolger. Seine Führer sind die Männer von 1787. ”Ich habe nie eine Anstrengung unternommen“, sagt er, „und nie empfohlen, eine Anstrengung zu unternehmen, ich habe nie eine Anstrengung unterstützt, und nie eine Anstrengung unterstützen gewollt, die ursprüngliche Einigung zu stören, durch die die unterschiedlichen Staaten in die Union kamen.“ Noch an die Zustimmung der Verfassung gegenüber der Sklaverei denkend sagt er: „Weil sie Teil des ursprünglichen Vertrages war – behaltet sie bei!“ Ungeachtet seiner besonderen Geistesschärfe und Fähigkeiten ist er nicht in der Lage, eine Gegebenheit aus ihren rein politischen Beziehungen herauszunehmen und sie vorbehaltlos und vernünftig zu betrachten. Was, zum Beispiel, obliegt einem Mann hier und heute in Amerika zutun bezüglich der Sklaverei? Er wagt es, oder wird dazu getrieben, solch haltlose Antworten wie die folgende zu geben, während er sogar erklärt, allgemein und als ein Privatmann zu reden. Welche neuen und absonderlichen Verhaltensregeln würde sich daraus ableiten? „Die Art und Weise“, sagt er, „auf welche die Regierung der Staaten, in denen Sklaverei existiert, diese regeln, obliegt ihnen selbst, in Verantwortung gegenüber ihren Verfassungen, gegenüber den allgemeinen Gesetzen des Eigentums, der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, und gegenüber Gott. Vereinigungen, die andernorts aus Gefühlen der Menschlichkeit herrühren, haben nichts damit zu tun. Sie haben von mir nie eine Ermutigung empfangen und werden es nie.“
Diejenigen, die keine reinere Quelle der Wahrheit kennen, die ihren Strom nicht weiter aufwärtsverfolgten, stehen, und stehen weise, bei der Bibel und der Verfassung, und dort trinken sie aus ihr mit Ehrfurcht und Bescheidenheit. Aber die, die gesehen haben woher es in diesen See rinnt, gürten ihre Hüften und folgen ihrer Wanderung zu ihrem Ursprung.
Kein Mann mit einem Geist für Gesetzgebung ist aus Amerika hervorgegangen. Sie sind seltenen der Geschichte der Welt. Es gibt tausende Rhetoriker, Politiker und redegewandte Männer, aber derjenige Redner hat noch nicht seinen Mund zum Sprechen geöffnet der fähig ist, die vielumstrittenen Fragen dieser Zeit zu regeln. Wir lieben die Redekunst um ihrer selbst willen, und nicht um einer Wahrheit willen, die sie hervorbringt, oder um des Heldentums willen, das sieermutigt. Unsere Gesetzesgeber haben noch nicht den Wert von freiem Handel, von Freiheit, von Gemeinsamkeit und Geradheit für eine Nation erkannt. Sie haben keinen Geist und kein Talent für vergleichsweise einfache Fragen der Besteuerung und der Finanzen, des Handels, der Industrie und Landwirtschaft. Wären wir allein auf die wortreichen Weisheiten der Gesetzesgeber im Kongressgestellt, ohne Verbesserung durch die willkommene Erfahrung und die wirksamen Eingaben des Volkes, würde Amerika nicht lange seinen Rang unter den Nationen bewahren. Seit achtzehnhundert Jahren, obgleich ich vielleicht kein Recht habe, dies zu sagen, ist das Neue Testament geschrieben – aber wo ist der Gesetzesgeber, der Weisheit und Talent genug hat, sich des Lichtes, das es auf die Wissenschaft der Gesetzgebung wirft, zu bedienen?
Die Autorität der Regierung, selbst jener Regierung, der ich mich bereitwillig unterwerfen würde – denn ich werde freudig denen gehorchen, die besser als ich wissen und handeln, und in vielen Dingen selbst denen, die weder so gut wissen noch handeln können – ist noch immer eine unvollkommene. Um wahrhaft gerecht zu sein muss sie die Zustimmung und das Einverständnis aller Regierten haben. Sie kann kein anderes Rechtüber meine Person und mein Eigentum haben als das, welche sich ihr gewähre. Der Fortschritt von einer absoluten zu einer eingeschränkten Monarchie unweiter zur Demokratie ist ein Fortschritt hin zu einem wahren Respekt vor dem Individuum. Selbst der chinesische Philosoph war weise genug, das Individuum als die Grundlage des Reiches zu betrachten. Ist eine Demokratie, so wie wir sie kennen, die letztmögliche Verbesserung? Ist es nicht möglich, einen Schritt weiter zur Anerkennung und Regelung der Rechte der Menschen zugehen? Es wird nie einen wahrhaft freien und aufgeklärten Staat geben, bis der Staat den Einzelnen als höhere und unabhängige Kraft anerkennt, von dem aus sich seine eigene Kraft und Autorität ableitet, und ihn entsprechend behandelt. Ich erfreue mich daran, mir einen Staat vorzustellen, derbes sich leisten kann, allen Menschen gegenüber gerecht zu sein und der den Einzelnen mit Respekt als einen Nachbarn behandelt; der es nicht einmal für unvereinbar mit seinem inneren Frieden hält, wenn Einige außerhalb von ihm leben wollen, ohne seine Einmischung und Umarmung, jedoch alle Pflichten eines Nachbarn und Mitmenschen erfüllen. Ein Staat, der diese Frucht hervorbringt und sie endlich auch abwirft, sobald sie reif ist, würde den Grund für einen noch weiter perfekten und ruhmreichen Staat bereiten, den ich mir ebenfalls vorgestellt, aber noch nirgendwo gesehen habe.
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Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat ist ein 1849 erstmals abgedruckter Essay von Henry David Thoreau.
Verfasst in den Zeiten der amerikanischen Eroberung und Sklavenpolitik fordert Thoreaus Essay auf, sich dem positiven Recht des Staates nur zu beugen, wenn es mit der persönlichen moralischen Wertung übereinstimmt. Er propagiert ein Gewissensrecht der Moral gegen Ungerechtigkeiten in der Demokratie mit Aussagen wie: „Wenn aber das Gesetz so beschaffen ist, daß es notwendigerweise aus dir den Arm des Unrechts an einem anderen macht, dann, sage ich, brich das Gesetz. Mach’ dein Leben zu einem Gegengewicht, um die Maschine aufzuhalten. Jedenfalls muss ich zusehen, daß ich mich nicht zu dem Unrecht hergebe, das ich verdamme.“ Ein weiterer Kritikpunkt Thoreaus ist das Mehrheitsprinzip in Demokratien, „[d]a eine unqualifizierte Mehrheit ungerechte Rechte beschließen kann und ein Mehrheitsbeschluss keines Falls bedeuten, daß die beste Entscheidung getroffen wurde“. Er fordert ein individuelles Gewissensrecht, statt unkritisch Mehrheitsentscheidungen zu folgen.
Weiterführend → Lesen Sie auch KUNOs Hommage an die Gattung des Essays.