Müdigkeit

 

Ich hab‘ geruht an allen Quellen,

Ich fuhr dahin auf allen Wellen,

Und keine Straße ist, kein Pfad,

Den irrend nicht mein Fuß betrat.

 

Ich hab‘ verjubelt manche Tage,

Und manche hin gebracht in Klage,

Bei Büchern manche lange Nacht,

Und andere beim Wein durchwacht.

 

Viel mißt‘ ich, viel hab‘ ich errungen,

Auch Lieder hab‘ ich viel gesungen,

Und ausgeschöpft hat dieses Herz

Des Lebens Lust, des Lebens Schmerz.

 

Nun ist der Becher leer getrunken,

Das Haupt mir auf die Brust gesunken,

Nun legt‘ ich gern mich hin und schlief‘,

Unweckbar, traumlos, still und tief!

 

Mir ist, mir ist, als hört ich locken

Von fernher schon die Abendglocken,

Und süße, weiche Traurigkeit

Umweht mich: Komm, ’s ist Schlafenszeit..

 

 

 

Stahlstich von Karl Mahlknecht. Gemalt von Daffinger.

Weiterführend

Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.