Kein Schlips am Hals, kein Geld im Sack.
Wir sind ein schäbiges Lumpenpack,
Auf das der Bürger speit.
Der Bürger blank von Stiebellack,
Mit Ordenszacken auf dem Frack,
Der Bürger mit dem Chapeau claque,
Fromm und voll Redlichkeit.
Der Bürger speit und hat auch recht.
Er hat Geschmeide gold und echt. –
Wir haben Schnaps im Bauch.
Wer Schnaps im Bauch hat, ist bezecht,
Und wer bezecht ist, der erfrecht
Zu Dingen sich, die jener schlecht
Und niedrig findet auch.
Der Bürger kann gesittet sein,
Er lernte Bibel und Latein. –
Wir lernen nur den Neid.
Wer Porter trinkt und Schampus-Wein,
Lustwandelt fein im Sonnenschein,
Der bürstet sich, wenn unserein
Ihn anrührt mit dem Kleid.
Wo hat der Bürger alles her:
Den Geldsack und das Schießgewehr?
Er stiehlt es grad wie wir.
Bloß macht man uns das Stehlen schwer.
Doch er kriegt mehr als sein Begehr.
Er schröpft dazu die Taschen leer
Von allem Arbeitstier.
Oh, wär’ ich doch ein reicher Mann,
Der ohne Mühe stehlen kann,
Gepriesen und geehrt.
Träf ich euch auf der Straße dann,
Ihr Strohkumpane, Fritz, Johann,
Ihr Lumpenvolk, ich spie’ euch an.
Das seid ihr Hunde wert!
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In der taz fragte sich Peter Kropmanns, ob der Ankauf von Auguste Herbins 1907 entstandenem Porträt des Schriftstellers Erich Mühsam durch die Neue Nationalgalerie wirklich an der Provenienz scheitern musste: „Seine Historie kann für die politisch problematischen Jahre 1940 bis 1944 nicht lückenlos nachgewiesen werden. In dieser Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich, als Juden verfolgt und enteignet wurden, florierte der dortige Kunstmarkt. Auf Beschlagnahme-Listen oder Auktionskatalogen konnte das Mühsam-Porträt aber nicht nachgewiesen werden. Das Bild befand sich in diesen Jahren an einem unbekannten Ort. Durch diese Provenienzlücke wird das Kunstwerk heute jedoch sozusagen unter Generalverdacht gestellt, es könnte ja das Risiko einer zukünftigen Restitutionsforderung geben. Deswegen wurde das Mühsam-Porträt von Herbin nicht von der Neuen Nationalgalerie aufgekauft.“ Bedauerlich, findet Kropmanns. „Der Schriftsteller Erich Mühsam verdient es, dass in dieser Sache eine Lösung gefunden wird.“
Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.
Weitere Informationen über Erich Mühsam finden Sie hier.