Lyrisch aufgetischt

 

Manfred Enzenspergers „tisch gedichte“ sind, um im Kulinarischen zu verbleiben, zu einem Menue wohl gewürzter lyrischer Wortgerichte einer literarischen Sternenküche zusammengestellt. Ihr pikanter Geschmack erschließt sich allerdings in der Regel erst nach mehrfachem Genuss.

Während in seinem – in Enzenspergers – Land nicht nur „brennneseln, giersch und löwenzahn“ sowie „wildwuchs“ „kippmomente“ befördern, ist es offenbar „an der zeit klartext zu sprechen“. Das versucht der Autor, der immer wieder mit Metaphern aus Nebensächlichkeiten auf jene hauptsächlichen Gefahren hinweist. Sie präsentiert er unter anderem auf vier Tischen, bis er „nichts tischiges mehr zu sagen“ hat.

Als Sammler von Sprachbeispielen aus seinem öffentlichen und privaten Leben, mit denen er immer wieder neue Sinnzusammenhänge zusammenzustellen versteht, schafft er ungewöhnliche lyrische Ansichten, die insgesamt tiefer in die Gegenwart und unser Dasein blicken lassen.

Diese Blicke unter die Oberflächliche lassen „wörter fallen aus der weltwörterordnung“ und einen „endzeittisch vor leeren rängen“ stehen. Und „jeder nimmt an sich selbst platz und alle tische sind frei“.

Zugegeben, wer diesem Gedichtband etwas abgewinnen will, benötigt eine

gehörige Portion Wortspiellust und Abstraktionsvermögen. Dennoch es lohnt sich, wenn Leserinnen und Leser auf Wünsche verzichten, die Texte rein intellektuell verstehen zu wollen. Wenn sie/er bereit ist, sich vor allem auf den Ton dieser „fremdsprachigen“ Texte einzulassen, ist es möglich, die Wirkung der jeweiligen lyrischen Bilder uneingeschränkt zu genießen. Und nur so können

jene aufgetischten Sprachhappen gar einen Hochgenuss darstellen und dabei helfen, Wirklichkeiten hinter der Wirklichkeit zu entdecken.

Ein bemerkens- und lesenswerter Gedichtband nicht nur für Liebhaber gesellschaftskritischer und politischer Lyrik!

 

 

***

Tisch, Gedichte von Manfred Enzensperger, Verlag Ralf Liebe, Weilerswist, 2024

Weiterführend →

Den ersten Artikel zum weiten Feld der lyrischen Landvermessung von Manfred Enzensperger lesen Sie hier.

Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.