Sie war noch keusch und schon voller
Er war ein haltloser stenz
Er kam auf dem motorroller
das war in einem lenz
Es ging wie erpel und ente
am morgen war er’s leid
Ihm drohten alimente
Er könne nicht zahlen zur zeit
Er nahm von ihr nicht abschied
und sagte kein einziges wort
Mit männern auf dem abtritt
trieb er es hier und dort
Aber im kalten jänner
war auf den roller scharf
einer der alten männer
und raubt ihn zum eigenbedarf
Das mädchen genas eines knaben
Der arzt war nicht so gut
Er soll sie geschändet haben
und dabei verlor sie viel blut
Und sie verschied ihre letzte
stunde hat sie verweint
Aber den arzt vergrätzte
sie hat einen andern gemeint
Der junge der sie geschändt hat
ist übern friedhof gebraust
und ist in die grube gekentert
da haben sie beide gehaust
Im fall war sein letzter gedanke
er konnte nicht fahren der sack
Der roller lief weiter trotz planke
der alte: genickbruch zack!
Der totengräber betrunken
er hatte das grab nicht zu
so sind sie beide gesunken
einander Du zu Du
Es endete ihr leiden
laut friedhofsordnung gemein
Man trennte sie wieder die beiden
und jedes bekam einen stein
***
Ein Rückblick auf: Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2019
HEL ist bekannt als Herausgeber neuer Talente im „literarischen Underground“ und Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. In diesen Gedichten spürt HEL das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert bereits.
Weiterführend →
Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon. Zur Lyrik von HEL findet sich hier ein Rezensionsessay von Holger Benkel. Ein faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier.
Anmerkung:
Zur not nach Mariechen saß weinend im Garten zu singen