Er ist der Vater der deutschen Nachkriegsmoderne- und dies gleichermaßen durch programmatische Verlautbarungen wie extraordinäre poetische Texte, die bis heute- und über das Heute hinaus- ihre Spannkraft behalten haben. Er ist – im technischen wie im imaginativen Sinne des Begriffs – ein Erfinder, der die Sprache der Literatur nachhaltig verändert hat.
Karl Riha
1953 prägte Eugen Gomringer den Begriff Konkrete Poesie in Analogie zum Begriff der Konkreten Kunst. Emmet Williams bezeichnte ihn gar als Vater der konkreten Poesie. Bereits 1953 publiziert er seinen ersten Lyrikband konstellationen constellations constelaciones. In seinen Gedichten arbeitet er mit einer minimalen Anzahl von Wörtern, die, in signifikanter Weise grafisch angeordnet, den Leser dazu bringen, Semantik und Anordnung spielerisch miteinander zu verbinden. Das Gedicht ist somit Spielanleitung bzw. Gebrauchsgegenstand, das Wort nicht mehr nur Bedeutungsträger, sondern materiales Gestaltungselement. Seit 1954 legt Eugen Gomringer immer wieder Aufsätze zur Theorie der Konkreten Poesie vor. Seiner fortwährenden Suche nach neuen Konstellationen und Spielregeln konkreter Dichtung geht er auch in Texten wie inversion und öffnung (1988) oder quadrate aller länder. das kleine gelbe quadrat. Märchen (1992) nach. In seinen Gedichten, die mit der Materialiät der Schrift und des Schriftbildes spielen, folgt er der abstrakten – von ihm konstruktiv genannten – Malerei seiner Zeit. Gomringer führt in seinem zentralen Manifest vom vers zur konstellation die Auffassung des ästhetischen Objekts als funktionalen Gegenstand aus.
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KUNO empfiehlt zur Lektüre den Sammelband Theorie der Konkreten Poesie. Texte und Manifeste 1954-1997, Gesamtwerk Bd. II, 1998
Weiterführend → Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.