DER HERAUSFORDERER

 

Jahrelang standen wir uns am Tresen gegenüber,
und mal ging die Runde an dich,
mal habe ich einen Sieg errungen.
Wir fighteten hart um jeden Zentimeter,
in den Kaschemmen, draußen im Park
oder oben in meiner Wohnung.
Du bist immer jung geblieben, in bester Kondition,
absolut durchtrainiert, und die Liste deiner Gegner
liest sich wie das „Who is Who“ der High-Society.
Meine schlampige Art, mich vorzubereiten,
brachte dir einige Punktsiege ein,
bei denen du nur ein paar Frauen, ein paar Jobs
und etliche Jahre genommen hast.
Kürzlich wollte ich dir den Titel hier in Dortmund
streitig machen und ging mit abgeschlafftem Geist
und zu hohen Leberwerten auf dich los.
Für einen Moment sah es so aus,
als wäre ich wieder ganz der Alte,
und ich schaffte es sogar,
dich in der vierten Runde anzuknocken,
doch wie das so ist beim Saufen,
du kamst wieder hoch,
spieltest deine ewige Jugend gegen mich aus
und gabst noch einmal alles:
Bier, Wein und Jim Beam,
und wie ich schließlich K.O. auf die Bretter knallte,
hatte ich nicht nur den Kampf,
sondern Frau, Kind und Wohnung verloren.
Den Job hast du mir gnädigerweise gelassen.
Für eine Revanche
kein schlechter Ausgangspunkt.

 

 

***

Bewegungen im Untergrund, Dunkle Gedichte im Ariel-Verlag, 1996

Weiterführend →

Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier (und als Leseprobe ihren Hausaffentango). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge, produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Inzwischen hat sich Trash andere Kunstformen erobert, dazu die Aufmerksamkeit einer geneigten Kulturkritik. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen, der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Jürgen Kipp über die Aufgaben des Mainzer Minipressen-Archives. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.