Ich seh eine stadt wo mauern ragen
wie alter penner verpestete häute
wo grabhäuser namen von morgen tragen
in mausoleen die volaite* wiederkäute
wo in hinterhöfen mülltonnen schnäppen
wo penner gelassen in lachen verfaulen
wo schlepper passanten in nepphöhlen schleppen
und köter um frisch amputiertes jaulen
wo von pergolen luden reviere befehmen
mafiosi vom platz aus den scharfschützen winken
wo nutten unter treppen säufer ausnehmen
und dirties* die droge aus pißrinnen trinken
wo bullentrupps schießend um plätze fahren
wo mädchen kinder auf pädostrich hippeln*
wo schieber madonnen zum schwarzmarkt karren
für ärzte zum schneiden für irre zum schnippeln
wo an prachtalleen zerhackte bäume
wie krüppel stehen und wie karieszähne
häuser deren ausgestochene räume
nicht die mietratten fassen gesunkene kähne
wo pferdeleichen in gossen verwesen
und kietzen* verkrüppelte junge tot beißen
wo ripper aus damengedärmen lesen
und ruhrkranke gelbe geweide* scheißen
wo in rostigen holken* verwrungene frauen
bälger werfen sie mit striemen beschühen*
sie in wohnlöcher pflanzen das gift ihnen brauen
sie mit schreien töten mit flüstern abbrühen
wo netzer vergiftete fische verschlingen
wo braune jochsklaven tretmühlen trecken
wo abdecker menschenhäute auswringen
hinter dockerketten schiffbäume verrecken
wo kinder um alternde nutten sich prügeln
wo straßenlang ausgeschlagene häuser
menschen kaun mit zerfetzten flügeln
auf dem dach sitzt im blut ein fetter kartäuser
wo töpferwerkstätten galeeren gleichen
in rotten fabriken fleischwölfe schlingen
wo fischer verkrümmt zyankali seichen
und machos zum lecken ins leichenhaus dringen
wo die häuser dem fremden den rücken zukehren
und die stadt die sielen zukehrt der zeit
wo die faulenden dächer den stürmen gehören
und erdbeben kollern von sterblichkeit
da möchte ich leben in schlechteren tagen
von schöner zu träumen in schmutziger idylle
ich will nicht hinter fassaden fragen
will schlürfen den tod und genießen die fülle
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EIn Rückblick auf: Rohlieder I – X von HEL
HEL ist bekannt geworden als Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. Diese Gedichte legen eine Stimmung frei, die zwischen Melancholie und Unbeschwertheit, Wehmut und Klarheit wechselt.
Weiterführend →
Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.
Anmerkungen:
volaite = „belg. hautevolée“
dirties = „schmutzfinken“
hippeln = „hüpfen machen, hüpfen lassen“
kietze = „wildkatze vs kuder = kater“
geweide = „eingeweide, gelünge, gedärm pp“
holk = „auch hulk, schrottboot, nicht fahrtüchtig“
beschühen = „statt beschuhen; hier: auf die Fußsohlen peitschen“