liegt ein findling noch wo einst der feldweg abbog
führen straße und schienen hinweg über die wüstung
blieb ein teich nur vom dorf wie anderswo brunnen oder turm
über der erde und vom leben geröll unter den füßen
tränkt niemand mehr tiere im tümpel fällt weiter regen
in die vertiefung der landschaft verlandet das gewässer nicht
weht unstet wind darüber in heller mondnacht tönen klagelaute
dumpf und heiser aus der tiefe läuten glocken erscheinen häuser
versunken am grund wie linien und punkte haben wir zuletzt
alle gelebt auf einem früheren planeten bleibt viel erspart
den ungeborenen die später wieder kinder zeugen können
denn seelen fliegen rings umher als schmetterlinge
und seelenlose körper gibt es hier wie sand am meer
* * *
Gedichte nach Sagen aus Börde und Altmark, von Holger Benkel, 2024
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