wohnte eine frau auf einer waldwiese wie im gehege
umzäunt von einem hain aus dorngesträuch und büschen
mit heckenrosen die wild wuchsen hatte sie dahinter einen mann
mit pferdefuß als liebhaber der schwarz gekleidet ging
besorgte sie der tochter einen anderen versucher
der kleine brote aß gleich ungeborenen kindern
die aus dem warmen schoß des backofens kamen den er umtanzte
und münzen warf ins feuer gebar sie eidechsen nannte er sie
nicht ausgebacken schliefen sie den winter über wie seelen
von toten und starben im frühjahr als sie sonnenlicht berührte
wurden frau und tochter erdrosselt geköpft und verbrannt
* * *
Gedichte nach Sagen aus Börde und Altmark, von Holger Benkel, 2024
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