Monat: November 2024

GESTÄNDNIS

  Ich hasse vor allen Dingen den Tod Und will mich töten. Dies letzte, verzweifelte Wagen Ist mir bis heute geblieben. Wo fährst du hin, verfahrener Sinn Auf polterndem Wagen? Es müßte in Scham jetzt erröten Die Wange mir, könnte…

SCHAFE

    näherten sich schafe unruhig  mauern unter der erde  überwuchert von gestrüpp und disteln  konnten selbst die hunde sie nicht halten stand einer leibhaftig am herd kochte er  und lud zum mahl unterm hügel  fiel der schäfer auf die…

Der serbische Olymp oder der schlecht ermordete Detektiv

  kerze schämt sich auf dem alpenkamm herzen brechen gong kanal und lamm platon holt noch mit dem kirchturm aus blatt und ei und regen singen rund fastenfauna glänzt im toten fisch dotterblau bestirnt der glast die laus bärtig wachsen…

Materialgedicht für ein plebejisches Trauerspiel

    Bockwurst oder nicht Bockwurst, das ist die Frage: Obs edler im Gemüt, die feinen Schlingen Der zähen Hülle zu erdulden oder sie In stringenten Bissen, sich selber überwindend, Durch Kauen zu zermalmen? Beißen – schmecken –   Nichts…

Nachtgewæchse

  Labyrinthe des Ichs & seiner Echos an den Kehrpunkten der Geschichte > die einverleibte Œkonomie verursacht Abstossungsreaktionen = Nomaden vollf∫hren zirkulære Bewegungen & richtungslose Wanderungen auf den Erkundungsgængen durch Ruinenlandschaften   verinnerlichte Entfremdungsprozesse erzeugen bei metaphysisch Obdachlosen einen fortschreitenden…

Zipfelehrlich

  Manchmal lasse ich fiktive Wortlaute über eine Melodielinie promenieren und ein Singsanggespräch zwischen Nichtmir und Ichmir nimmt seinen Lauf. Das ist formidabel und erstaunlich schön. Doch wichtiger als das ich höre aufmerksamst: knötchenwach und zahnradtreu.       Weiterführend…

le mot, das Wort

  Das Nachwort empfiehlt, den vorliegenden Gedichtzyklus noch einmal, dann aber von hinten nach vorne, auch sprunghaft, zu lesen. Damit folgt die Lektüre einer Grundfigur, die vielen dieser Gedichte einbeschrieben ist. Das gilt zuallererst für das letzte Gedicht, das den…

Todtnauberg

  Arnika, Augentrost, der Trunk aus dem Brunnen mit dem Sternwürfel drauf, in der Hütte, die in das Buch – wessen Namen nahms auf vor dem meinen? –, die in dies Buch geschriebene Zeile von einer Hoffnung, heute, auf eines…

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  im Bauch des Vaters wächst Sonnenschein Sommersprossen sprenkeln seine Haut sie sucht dich Dunkelheit – Junkie trotz jeder Sucht: Sicherheiten denn im Bauch des Vaters       *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2025 Weiterführend →  Ein Porträt…

Rückblick

  An dem Tag (ein Dienstag),an dem die Theorien anfingenmit ihren Konsequenzen Ernst zu machen, d.h. ein riesiger Schrödinger-STRUMPF oder SCHLUPF (das weiß man nicht)die Maschen der Raum-Zeit zerriß, plötzlich alle top-Quarks TRUDELTEN(Kramer), und zwar chaotisch, d.h.ein sog. von-Neumann-KUCHEN entstand:…

Siebenbürgische Zeitung

Matthias Buth, Jahrgang 1951, seit fast fünfzig Jahren im bundesdeutschen Literaturbetrieb mit wachsender Anerkennung präsent, ist ein Dichterjurist, der den gelungenen Spagat zwischen geflügelten Sätzen und strengen juristisch abgewogenen Sentenzen vollzogen hat. Die vorliegende Publikation, eine Kombination aus freien Versrhythmen,…

vogelmenschen

  ich lehnte mich an den wind im glauben auf rettung vor dem tod griffen meine hände nach stimmen die herüberwehten aus einer anderen zeit   in einem früheren leben war ich vogelmensch und flog durch kristalline gebirge war schmetterlingsfrau…

Im Blickkontakt mit den Buchstaben

    mit dem Handwerkszeug der ars poetica eine verstændliche Sprache im Mechanismus des kulturellen Gedæchtnisses abspeichern die Anabiose zur Ueberlebensstrategie machen: Alles ist Abgrund / Immer ist Nacht   eine manierierte Mythenschœnheit trifft auf mitreissende Kœrpermetamorphosen das trojanische Pferd…

Über Asta Nielsen

  So eine Landschaft gibt’s: Wo man den bleichen Mond über weiten Ebenen sieht, Der glanzlos, deutlich durch die Ferne zieht, Die – weil sie in uns liegt – wir nie erreichen.   Jemand deutete auf eine Dame hin, Die…

Sonette – XXIII

  Nun ist der Schleier weggezogen Ich blicke so ins Herz der Welt Wie wir nicht sollen Unverstellt Sah ich das Feuer darin wogen   Da mich vom Widerschein umflogen Die ewige Flamme die erhellt Mit einem kühlen Hauch befällt…

Garn

Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Michael Gratz mit einem Geleit zum Band  tEXt bILd.

Als die Lichtfinger

Als die Lichtfinger so Kindheit in die Schatten des Wimpernschlags kamen wie Stürme und mit ihnen neue alte Fragen ins Jetzt schauerten so Kindheit mit dem Atem von Nichts und einem Geschmack wie federgewachsen so Kindheit leichter als das Herz…

Küche

  durch den Türspalt einen Blick auf den Herd das Marmorbecken den tropfenden Hahn die Mutter steht einen Teig knetend & fürchtet nicht rechtzeitig fertig zu werden       *** Fragen im Schlepptau, Gedichte von Ines Hagemeyer. Ludwigsburg: Pop…

Lyrik im Digital

Poetry is when every line begins with a capital. (Graffito)    „Dichtung ist das Sakrale im säkulären Getriebe, ohne Religionsersatz sein zu wollen … Was genuin gut ist, tief, erlitten und fest, das bleibt …“ und schützt uns vor dem…

Dem Herzog von Leipzig

  Deine Augen sind gestorben; Du warst so lange auf dem Meer.   Aber auch ich bin Ohne Strand. Meine Stirne ist aus Muschel. Tang und Seestern hängen an mir.   Einmal möchte ich mit meiner ziellosen Hand Über dein…

Der Taucher

  »Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, Zu tauchen in diesen Schlund? Einen goldnen Becher werf ich hinab, Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund. Wer mir den Becher kann wieder zeigen, Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.«…

Biographismus

  die wechselnden Phasen von der Geburt zum Tod mit philologischen Tiefbohrungen ausloten & in einem Panorama der Epoche die Anatomie der Seele erkunden   Selbstzweifel wird zu Selbstzerfleischung nirgendwo ist das Entsetzen spuerbarer als im Vakuum des Vergessens =…

Ich, mein Fragment

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Georg Trakl erlag im Krieg

    Georg Trakl erlag im Krieg von eigener Hand gefällt. So einsam war es in der Welt. Ich hatt ihn lieb.         *** Die Gedichte von Georg Trakl waren als Ereignis so groß und umfassend, dass…

Der stille Grund

  Der Mondenschein verwirret Die Täler weit und breit, Die Bächlein, wie verirret, Gehn durch die Einsamkeit Da drüben sah ich stehen Den Wald auf steiler Höh, Die finstern Tannen sehen In einer tiefen See. Ein Kahn wohl sah ich…

Die Stadt

  Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein Zerreißet vor des Mondes Untergang. Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.   Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt, Unzählig Menschen schwemmen aus…

BROKDORFLIED

  Wir kommen wie die mücken von nord und ost und süd von vorn und aus dem rücken kein einkreis soll euch glücken ihr macht euch an uns müd Wir werden lange bleiben sind grad so schön dabei Versucht uns…

Interpretationen 11

  Grodek ist ein Gedicht von Georg Trakl, das die Erinnerung an die Schlacht von Gródek (1914) in Ostgalizien (heutige Ukraine) wachhält: Bei Gródek fand zu Beginn des Ersten Weltkrieges eine erbitterte Schlacht zwischen russischen und österreich-ungarischen Truppen statt. Wie…

Für eine Freundin

  Ich habe Tote, und ich ließ sie hin und war erstaunt, sie so getrost zu sehn, so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht, so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst zurück; du streifst mich, du gehst um,…

Durch und Durch

    Wir sind alle nur für kurz hier eingefädelt, aber das Öhr hält man uns seither fern, uns Kamelen.       *** Ein redaktioneller Hinweis auf: Verschenkter Rat. Gedichte von Ilse Aichinger. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuchverlag, 1991, S. 14…