Die Stadt

 

Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein

Zerreißet vor des Mondes Untergang.

Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang

Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.

 

Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,

Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.

Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein

Eintönig kommt heraus in Stille matt.

 

Gebären, Tod, gewirktes Einerlei,

Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,

Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.

 

Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand,

Die drohn im Weiten mit gezückter Hand

Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand.

 

 

 

***

Der ewige Tag, Gedichte von Georg Heym, Rowohlt Verlag 1911

Georg Heym hinterließ rund 500 Gedichte und lyrische Entwürfe; auch unter denen der Hauptschaffensphase, also ab Januar 1910, finden sich nicht nur die später als solche klassifizierten expressionistischen Topoi, sondern zum Beispiel auch Stücke pastoraler Leichtigkeit. Neben diesem umfangreichen lyrischen Werk hinterließ Georg Heym einige Prosastücke sowie wenige dramatische Arbeiten. Seine erster Gedichtband „Der ewige Tag“ erschien Mitte April 1911 beim Rowohlt Verlag. Die Veröffentlichung der Erscheinung zog sich allerdings dadurch hinaus, das Rowohlt Mühe hatte, Heyms handschriftlichen Notizen auf Grammatik und Rechtschreibung zu überarbeiten.

Weiterführend  Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.

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