Noch spielen die Jagdhunde im Hof, aber das Wild entgeht ihnen nicht, so sehr es jetzt schon durch die Wälder jagt.
Franz Kafka
Wir, die Redaktion, sind lebensmüde – jedoch nicht in dem Sinn, daß wir einen Suizid anstreben – die Hoffnung, daß Literatur, Musik oder Bildende Kunst die Welt zum Besseren wendet, ist uns abhanden gekommen.
Wir sind völlig angeödet von Künstlern, die mit ihrem Ego den Blick auf das Werk verstellen. Uns langweilen Weltanschauungsschwadroneure, die versuchen Kunst zu politisieren.
Wir mochten nie Gereimtes. Als Enkel aus dem Geschlecht der Chandos’ ist uns diese Sprache unheimlich, – aber auch die postmoderne Lyrik läßt uns mit der Enttäuschung zurück, als Leser aus einem Kreis fast vollendeter Selbstreferenzialität ausgeschlossen zu werden.
Wir sind es leid, autobiographische Erinnerungsbücher über eine schwierige Kindheit und dem Scheitern des bürgerlichen Lebensentwurfs als „Ratgeber“ zu betrachten. Diese Selbstoptimierungspezialisten sind kaum mehr als Helden des Niedergangs.
Wir haben die Hoffnungen auf das erotische Wissen und die erotische Macht der Kunst, die nicht als Sphäre der Sinnlichkeit derjenigen der Erkenntnis gegenübergestellt wird, sondern für Vereinigungspotenz steht, aufgegeben.
Wir haben den Glauben an die Unschuld verloren. Die selbstverschuldete Unmündigkeit und das Sich-Ins-Bild-Setzen von Künstlern ist uns zuwider. Reine Schönheit gab es einmal in der Kunst – und selbst da blieb sie ein Ideal.
Wir zahlen nicht für Dateien, die man aus dem Weltnetz runterholen soll. Es ist zum speien, daß alles seinen Preis hat und nichts mehr einen Wert. Diese Künstler sind scheinbar nur noch damit beschäftigt ihren Ruhm zu bewirtschaften. Mit der gesellschaftlichen Multiplikationsrelevanz der Kunst rechnen wir nicht mehr.
Wir mögen nicht mehr Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten. Die beharrliche Geschichtsumdeutung durch pädagogisch motivierte Regisseure ist eine fromme Lüge. Diese wohlfeile Erinnerung wurde zu einer Ersatzhandlung für die Bewältigung gesellschaftlicher Probleme.
Wir sind ermüdet von den endlosen Highlights der Wiederholkultur, dem ewigen Wiederkäuen von dem, was die Bundesbedenkenträger als christliche Kultur bezeichnen. Unsere Existenz ist die Erfahrung von Einsamkeit, die wir teilen – und heraus kommt nichts anderes als die Quadratwurzel einer Matrix. Mehr kann man nicht wollen. Auf weniger nicht hoffen. Das Leben geht weiter. C’est tout.
ENDE
Was bleibet aber, stiften die Dichter.
Friedrich Hölderlin
Ein letzter Blick in den Rückspiegel →
Das Grundproblem der Erinnerungskultur, der Zeugenschaft, der Autorschaft, ist die Frage: Wer erzählt, wer verarbeitet, wem eine Geschichte gehört? – „Kultur schafft und ist Kommunikation, Kultur lebt von der Kommunikation der Interessierten.“, schrieb Haimo Hieronymus in einem der Gründungstexte dieses Online-Magazines. KUNO ist seit 1989 eine imaginäre Bibliothek vergessener und verschollener Autoren. Die ausführliche Chronik des Projekts Das Labor lesen sie hier. Diese Ausgrabungsstätte für die Zukunft ist seit 2009 ein Label, die Edition Das Labor.
→ Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie einen Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.