Der rote Stern
Auf Eires ziselierten Karten
Blinkt zwischen Knowth und Dowth,
Und Boyne und Drogheda
Auf namenlosen Gräbern,
Auf Gräbern, die Pilzen gleich
Auf runden Felsen ruhn, die frisch
Poliert, lethargisch auf die Hominiden warten,
Geduldig sind, bewacht von außerird‘schen Jägern.
Sie achten auf das Gleichgewicht,
Die Last der vielen Höhlen,
In denen niemand sich verirrt.
Verlockend aber sind die Gräber
Aus jenem Material, das Marzipangebilden gleicht,
Als zuckersüße Höhlengarnitur
Beim Konsumententreff bewundert wird.
O Boyne, wie lieblich bist du eingepackt,
O Knowth, wie elegant sind deine Steinkonturen,
O, wie sahnig ruht dein Blick auf sommerlichen Feldern:
O Dowth, o Boyne, o Newgrange,
Das süße Leichengift war mehr als köstlich, mehr als heiß.
***
Zwischen Dublin, Belfast und Skellig Michael : poetische Reflexionen über eine Insel von Wolfgang Schlott. Bremen : Donat, 2018
Die Gedichte ‚Zwischen Dublin, Belfast und Skellig Michael‘ zeichnen in rhythmisierten Bildern nicht nur visuelle Eindrücke von der Insel auf. Sie wechseln vielmehr zwischen vertrauten, gleichsam erstarrten Irland-Klischees und ungewöhnlichen subversiven Begegnungen mit steingewordener Geschichte und ihren Erben. Sie bemühen sich ebenso um liebgewordene Zeitgenossen wie auch um die legendären Hüter von Mythen und skurrilen Bräuchen. Außerdem greifen sie alte irische Bräuche auf, bemühen sich um die Aufzeichnung von komischen Sitten, spielen mit überlieferten und digitalen Techniken, erfassen den Alltag in Dublin, mäkeln an irischen Mahlzeiten herum, loben die Bed & Breakfast-Herbergen, hüten sich vor Vorurteilen. Und sie sind vorsichtig beim Genuss des berühmten irischen Whiskeys. Sie geben sich den harschen Winden an der Westküste hin, sind verzückt beim Anblick wuscheliger Schafe und sanfter Kühe, streicheln widerborstige Kätzchenlauschen dem vielstimmigen Gesang der Möwen – aber sie sind ratlos, wenn es um den Subsong der Vögel geht, die auf den felsigen Küsten im Westen oder auf dem kleinen Skellig im Südwesten der Insel ihre Brutgesänge anstimmen.
Weiterführend → Die Redaktion blieb seit 1989 zum lyrischen Mainstream stets in Äquidistanz.
→ 1995 betrachteten wir die Lyrik vor dem Hintergrund der Mediengeschichte als Laboratorium der Poesie
→ 2005 vertieften wir die Medienbetrachtung mit dem Schwerpunkt Transmediale Poesie
→ 2015 fragen wir uns in der Minima poetica wie man mit Elementarteilchen die Gattung Lyrik neu zusammensetzt.
→ 2023 finden Sie über dieses Online-Magazin eine Betrachtung als eine Anthologie im Ganzen.
→ Lyrik lotet das Verhältnis zwischen dem Fremden und dem Eigenen aus. Ein Wort steht nie für sich allein, durch eine vielperspektivische Sicht werden immer auch andere Begriffe einbezogen.