DER DICHTER

 

 

Ein lang Gewand streng wallender Terzinen,

des blauer Saum die Erde fast berührte,

umfloß den Dichter, wie er mir erschienen.

 

Die edlen Füße staken in Sonetten,

indes das Band, das ihm die Stirne schnürte,

aus Epigrammen war, gleich goldnen Bienen,

die sich im Mondschein aneinanderketten.

 

So schritt er sanft und schürzte sein Ghasel,

gelassen, gleich dem stolzen Beduinen.

Ich barg mein Haupt am Rhythmus der Terzinen …

Fern graste der Gewöhnlichkeit Kamel.

 

 

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Christian Morgenstern wurde  von 125 Jahren, am 1871 in der Theresienstraße 12 in München im Stadtteil Maxvorstadt unweit der Universität geboren.

„In jedem Menschen ist ein Kind verborgen, das heißt Bildnertrieb und will als liebstes Spiel- und Ernst-Zeug nicht das bis auf den letzten Rest nachgearbeitete Miniatür-Schiff, sondern die Walnußschale mit der Vogelfeder als Segelmast und dem Kieselstein als Kapitän. Das will auch in der Kunst mit-spielen, mit-schaffen dürfen und nicht so sehr bloß bewundernder Zuschauer sein. Denn dieses ‚Kind im Menschen‘ ist der unsterbliche Schöpfer in ihm […].“

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.