Mir fallen nur zwei weißhäutige Blues-Musiker ein, denen ich das abkaufe, was sie tun, der irische Melancholiker und die hellhäutige Texanerin. Manche Menschen werden nicht geboren, sie sind ein Naturereignis. Janis Joplin ist ein Komet, der am 19. Januar in Port Arthur, Texas in 1943 einschlug. Sie ist eine Rebellin der Rockmusik mit einer unverwechselbaren Stimme, die beste weiße Bluessängerin. Ever!
Ohne ein Produkt der ölverarbeitenden Industrie hätte es sie nie gegeben. Autodidaktisch geschult durch Schallplatten von Leadbelley, Odetta Holmes und Bessie Smith (ihrem wahrscheinlich größten Vorbild), avancierte die Texanerin mit ihrem hemmungslosen, bis dahin für eine weiße Sängerin völlig einzigartigen Gesangsstil zur „Queen des weißen Bluesrock.“
Honey, the road’ll even end in Kathmandu
Auffallend bereits das Cover ihres ersten Albums, (bzw. des Albums der Band von Big Brother and the Holding Company) bei der Janis Joplin als Sängerin anheuerte, als sie in von Texas nach San Francisco emigrierte), es wurde von dem amerikanischen Comiczeichner Robert Crumb gezeichnet, ist im Comicstil gestaltet und zeigt in mehreren Einzelbildern Szenen mit den Titeln der Songs und weitere Angaben zum Album, soviel Selbstironie wünscht man sich zuweilen von aktuellen Pop-Stars.
Auch danach gibt es einige Alben ohne Big Brother & the Holding Company, angeblich wurde ihre zombifizierte Version auch auf dem Woostock-Festival gesehen, doch Janis Joplin wird für mich auf ewig und drei Tage als Interpretin einer Arie aus der Oper Porgy an Bess, einer Coverversion von Ball And Chain (von Big Mama Thornton) und dem als Single veröffentlichte Song Piece of My Heart in Erinnerung bleiben, weil sie hier die schwarze Musiktradition nicht bestiehlt, sondern sich von ihr verbeugt. Cheap Thrills lebt durch die raue und natürliche Stimme von Janis Joplin und ihren Anleihen aus dem Blues, den sie sich als weiße texanische Sängerin anverwandelte und neu interpretierte. Big Brother and the Holding Company verband Rythm and Blues aber auch mit anderen Stilrichtungen afroamerikanisch geprägter Musik wie Soul und Doo Wop. Aber ihre Stimme ist es, die Cheap Thrills zu einem zeitlosen Klassiker macht.
Während heutige Pop-Stars Ernährungsberater, Personaltrainer und PR-Fritzen haben, die sie vor Unbillen und Angriffen von außen, abhalten war Janis Joplin den Vereinnahmungen und Angriffen schutzlos ausgeliefert. Sie zahlte dafür den höchsten Preis, ihrem Leben. Und das zu früh.
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Cheap Thrills, Big Brother and the Holding Company, 1968
Weiterführend → Rhythm & Blues lebt davon, dass die Ambivalenz bewahrt wird. Dieses Album wurde veröffentlicht, als Country noch Country war, es gab kein Alternative, was das Rätsel aufgab, was genau man hörte. Die Cowboy Junkies nahmen Blues, Country, Folk, Rock und Jazz und verlangsamten es stark und schufen dabei etwas Neues. Wir betrachten die Geburtshelfer der Americana. Des Weiteren eine Betrachtung des tiefgründigen Folk-Songs: Both Sides Now. Wahrscheinlich hat selten ein Musiker die Atmosphäre einer Stadt so akkurat heraufbeschworen wie Dr. John. Die Delta-Blues-Progression des Captain Beefheart muss dahinter nicht zurückstehen, eine gute Einstimmung für sein Meisterwerk Trout Mask Replica. Wir lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Und dem letzten Werk der Doors. Unterdessen begibt sich Eric Burdon auf die Spuren vom Memphis Slim. In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Lauschen dem Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Und stellen die Frage: Ist David Gilmour ein verkappter Blueser?
Inzwischen gibt es: Pop mit Pensionsanspruch. Daher auch schnellstens der Schlussakkord: Die Erde ist keine Scheibe