Ich las Saul Bellows Henderson the Rain King in einem Flugzeug, und am Anfang des Buches sitzt Henderson the Rain King auch in einem Flugzeug. Er ist auf dem Weg nach Afrika und er schaut nach unten und sieht diese Wolken. Ich legte das Buch weg, schaute aus dem Fenster und sah auch Wolken, und ich begann sofort, den Song zu schreiben.
Joni Mitchell
Man kann sich die Betrachtung einfach machen. Both Sides, Now ist in Fis-Dur geschrieben. Joni Mitchell verwendete eine Gitarrenstimmung von E-H-E-G♯-H-E mit einen Kapodaster am zweiten Bund. Der Song verwendet eine modifizierte I-IV-V-Akkordfolge. Wie kommt eine 25jährige Folksängerin zu der Einsicht, dass das Leben aus einer fortschreitenden Entlarvung immer neuer Selbsttäuschungen besteht, während die volle Wahrheit uns letztlich verborgen bleibt. Wenn man ihren glockengleichen Sopran der frühen Version hört, vertraut man darauf, dass Mitchell darin keinen Grund zur Verzweiflung sieht, eher ahnt man ihre Wissensdurst, dem Stellen von Fragen als einer der der wichtigsten künstlerischen Antriebe.
Nachdem sie ein ohnehin bemerkenswertes Frühwerk mit dem Album Blue gekrönt hatte, geschah eine Wendung ins Offene und die Songwriterin wandte sich den offenen musikalischen Formen des Modern-Jazz zu. Ein Kritiker des ROLLING-STONE bewundert Mitchell „für die Schönheit von „Ladies Of The Canyon“ (1970), die Intimität von „Blue“ (1971), die Slickness von „Court And Spark“ (1974), den komplexen Jazz-Folk von „The Hissing Of Summer Lawns“ (1975) und das ätherisch schwebende Meisterwerk „Hejira“ (1976), dessen Sound Jaco Pastorius mit seiner bundlosen Bassgitarre mitprägte.
Höhepunkt dieser Phase ist das 1977er Album Don Juan’s Reckless Daughter, auf dem vier damalige Mitgleider von Weather Report mitspielten. Neben Jaco Pastorius auch Wayne Shorter, Manolo Badrena und Alex Acuña. Ins Offene ging es bereits mit der Overture, die mit bis zu sechs Gitarren eingespielt wurde, The Tenth World, ist ein längeres Instrumentalstück mit lateinamerikanischer Perkussion und Dreamland, das nur Schlagzeug und Stimmen enthält, darunter auch die von Chaka Khan. Mit dieser Unterstützung findet sich auf Don Juan’s Reckless Daughter jede Facette ihres bisherigen Schaffens, zugleich weist diese Album nicht nur über ihr bisheriges Schaffen hinaus. Nie klang sie cooler als auf dem Stück Off Night Backstreet. Alle Türen standen ihr offen, und sie führten zu einer Zusammenarbeit mit Charles Mingus.
Zurück in die Zukunft: Mitchell nahm Both Sides Now im Jahr 2000 in einer üppig orchestrierten Art neu auf. Im April 2000, zwei Monate nach der Veröffentlichung des Albums, sang Mitchell das Lied mit einem 70-köpfigen Orchester am Ende einer Feier für sie im Hammerstin Ballroom. So würdevoll kann nur eine große Künstlerin abtreten.
Weiterführend → Rhythm & Blues lebt davon, dass die Ambivalenz bewahrt wird. Dieses Album wurde veröffentlicht, als Country noch Country war, es gab kein Alternative, was das Rätsel aufgab, was genau man hörte. Die Cowboy Junkies nahmen Blues, Country, Folk, Rock und Jazz und verlangsamten es stark und schufen dabei etwas Neues. Wir betrachten die Geburtshelfer der Americana. Des Weiteren eine Betrachtung des tiefgründigen Folk-Songs: Both Sides Now. Wahrscheinlich hat selten ein Musiker die Atmosphäre einer Stadt so akkurat heraufbeschworen wie Dr. John. Die Delta-Blues-Progression des Captain Beefheart muss dahinter nicht zurückstehen, eine gute Einstimmung für sein Meisterwerk Trout Mask Replica. Wir lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Und dem letzten Werk der Doors. Unterdessen begibt sich Eric Burdon auf die Spuren vom Memphis Slim. In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Lauschen dem Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Und stellen die Frage: Ist David Gilmour ein verkappter Blueser?
Inzwischen gibt es: Pop mit Pensionsanspruch. Daher auch schnellstens der Schlussakkord: Die Erde ist keine Scheibe